Montag, 1. April 2024

CD-Review: Chotzä "Pächschwarz"


Ich bin jetzt einfach mal brutalst ehrlich: Ich bin froh, dass dieser Blog nicht mehr Woche für Woche Reviews herausfeuert. Denn seit dem letzten Post Ende 2023 haben mich nur wenige Neuerscheinungen im Extreme Metal vom Hocker reißen können. Wenn dann aber doch ausnahmsweise etwas besonderes unter der Flut an aktuellen Releases ist, will ich euch das auch vorstellen und das bringt uns auch direkt zum vorliegenden Album. CHOTZÄ, die rotzige Black'n'Roll-Kapelle aus dem Berner Land, hat ein neues Album in den Startlöchern, das Ende April 2024 bei Folter Records unter dem Namen "Pächschwarz" erscheinen wird. Ob die vier Schweizer immer noch plump und primitiv sind oder ob sie sich grundlegend verändert haben, wollen wir in dieser Folge klären.
Ihr kennt das Spiel: Zuerst kommen die Eckpfeiler des Albums. Machen wir es also der Kapelle gleich und halten es kurz: die vorliegende Scheibe bringt es auf 8 Songs und etwas mehr als 40 Minuten Spielzeit. Eine absolut ausreichende
Spielzeit, wenn man diese Art von Black Metal macht. Nichtsdestotrotz müssen auch 40 Minuten mit Inhalt gefüllt werden und da haben sich die Berner nicht lumpen lassen. Denn anstatt den einfachen Weg zu gehen und acht rotzige sowie angeschwärzte RnR-Nummern rauszuhauen (was ich auch abgefeiert hätte), geht man die Extrameile und wagt eine Kurskorrektur. So startet der Opener 
'Gottvergässä' mit einer unheimlich rockigen Einleitung, die sich relativ schnell in ein schwarzes Schneidebrett verwandelt, das mich an verschiedenen Stellen (zumindest instrumental) an  FÄULNIS und TAAKE erinnert (ich weiß, das ist eine äußerst wilde Referenzmischung). Das bereits ausgekoppelte 'Schimubuebä' wiederum startet wie eine klassische HELLHAMMER-Nummer (inklusive "UGH!"), um dann zwischenzeitlich in der norwegischen Welle der 1990er Jahre abzutauchen beziehungsweise sich am Ende mit einem rockigen Solo zu verabschieden, was Freunden der schwedischen Hardrock-Szene ein respektvolles Nicken entlocken wird.


Der Titeltrack ist dann genau das, was der Albumname ausdrücken will: eine p(a)echschwarze Black-Metal-Salve, die sich bei aller Gewalt immer noch die gewohnt rockige Gundlässigkeit bewahrt. Diese Mixtur funktioniert bei 'Löutschä' sogar noch besser und dürfte orthodoxen Schwarzheimern im Gesamtkontext am besten gefallen, da hier die frostig, dunkle Grundstimmung noch eindringlicher über das Riffing transportiert wird (zwischenzeitlich musste ich hier an eine meiner absoluten Lieblingsuntergrundperlen von ORDER OF ENNEAD denken). Ganz anders kommt man dann bei 'Unusgschprochä' rüber. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass CHOTZÄ hier versucht den alten Geist des Depressive Black Metal zu beschwören (inklusive wahnwitziger Vocals in der Mitte des Songs). Allerdings muss man keine Bedenken haben: der generell ordentlich produzierte Sound bleibt uns auch hier erhalten und man versucht nicht die unhörbaren Untriebe des frühen DSBM zu reproduzieren. Auch 'Satan’s Sündä' stellt unter Beweis wie scheuklappenfrei auf diesem Opus zu Werke gegangen wurde und zieht ein schön treibendes Stück Black Metal aus dem Hut, dass diesen herrlichen Ufta-Schlagzeug-Beat hat, der direkt in den Nacken geht. Bei aller kompromisslosen Härte geht dennoch der Sinn für subtil-harmonische Melodien nicht verloren und man zeigt mit dem Einsatz von epischen Pressgesang, dass man mehr kann als lediglich ins Mikrofon zu keifen. Mit einem anhaltenden 'Fieberwahn' bewegen wir uns dann auch schon langsam aber sicher Richtung Ziellinie und verwischen währenddessen die Grenzen zwischen klirrendem Black Metal mit flächigen Gitarren mit (Stoner) Black'n'Roll-Einschlag endgültig, bevor 'Wundgang' noch einmal ordentlich die atmosphärische BM-Keule schwingt und sich langjährige Fans fragen werden, ob das noch CHOTZÄ ist oder der CD-Wechsler bereits eine AFSKY-Scheibe eingeworfen hat.
Alles in allem bin ich sehr begeistert von "Pächschwarz". Denn auch wenn CHOTZÄ seine Punk-Attitüde etwas zurückgedrängt und das eigene Profil deutlich verändert hat, halte ich diese Herangehensweise für äußerst spannend. Wir bekommen hier ganz verschiedene Geschmacksnoten und Akzente des schwarzmetallischen Untergrunds serviert. Es macht Spaß sich mit den einzelnen stilistischen Aspekten zu beschäftigen und es ist wirklich faszinierend wie gut man diese teilweise sehr unterschiedlichen Versatzstücke in den eigenen Sound eingebaut hat und darüber hinaus noch mit diesen rockigen Solos verbunden hat, die quasi zu einem Trademark dieser Scheibe gehören. Abgerundet wird das ganze durch die ausdrucksstarken Vocals auf Bärndütsch, was sich als Sprache perfekt für Black Metal eignet. CHOTZÄ hat Mut mit diesem Album bewiesen, sich aus der eigenen Komfortzone hinausbewegt und auf ganzer Linie damit Erfolgt gehabt. Wem das Schweizer Quartett bisher zu stumpf und plakativ war, sollte seine Einschätzung noch einmal überdenken und vorurteilsfrei ein Ohr riskieren. Es könnte sich lohnen.
Ab dem 25. April 2024 gibt es diesen lässigen Hassbatzen bei Folter Records als CD und LP.

9 von 10 Punkten

[Adrian] 

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