Montag, 27. Mai 2024

CD-Review: Akoasma "Ghostpath"


Es ist schwer, im Metal-Underground noch überrascht zu werden. Von Zeit zu Zeit erscheinen dann doch noch Platten, die sich tatsächlich merklich vom alltäglichen Output unterscheiden. AKOASMA aus Dresden ist so ein Beispiel. Das Sextett bringt Ende Mai mit "Ghostpath" ihr zweites Album auf den Markt und hat sich damit seit dem Debüt "Deprimanie" fast sieben Jahre Zeit gelassen. Lasst uns einmal gemeinsam schauen, was das Teil so kann und ob gut Ding wirklich Weile braucht.
Die 13 Tracks des Albums bringen es ziemlich genau auf eine Stunde Spielzeit und versorgen uns währenddessen mit einem bunten Reigen sehr unterschiedlicher Einflüsse, die bereits in der ersten Viertelstunde zwischen melodiöser Brachialität ('Step On Deathstone')
und progressiver Epik sowie klassichem Gothic Metal ('Greyfathers Prayer') schwankt. Das schlägt sich nicht nur in den ambivalenten Vocals wieder, die zwar vorrangig klar sowie technisch sauber dargeboten werden, aber auch gelegentlich in tiefe Growls münden können. Die Instrumentalarbeit ist generell sehr abwechslungsreich und stellt das Konzept des Albums durch den Einsatz verschiedener Effekte besonders gut heraus und erzählt uns eine zusammenhängende Geschichte. Dabei geht es um einen Mann namens William, der sich das Leben nimmt, weil er alle verloren hat, die er liebt. Der Hörer begleitet ihn auf seinem Weg ins Fegefeuer und trifft auf die Geister seiner Mutter, seines Vaters und seiner Frau. Am Ende begegnet er dem Tod, der ihm erklärt, dass alles, was er gesehen hat, von ihm erschaffen wurde, um ihm zu zeigen, was er getan hat und was ihn erwartet. Vertont wird die Geschichte durch einen geradezu theatralischen Dualismus aus weiblichen und männlichen Vocals wie man zum Beispiel in 'Mortal Voices' besonders gut sehen kann (dazu gibt es auch ein Musikvideo). Dieser Track wiegt uns zuerst in gotischer Sicherheit, bevor die Growls für eine scharfe Death-Metal-Attacke zurückkehren, um sich schließlich am Ende des Songs mit den beiden klaren Gesangslinien zu verbinden. Ich will jetzt nicht jeden Song für euch auseinandernehmen, aber es gibt immer wieder Facetten, die sehr überraschend auftauchen wie das Blasinstrument (Saxophon?) in 'Helena's Heritage Pt. 1' oder das Cello in 'A Canon For The Elders', das in sich auch noch mal ganz eigene Klangwelten aufmacht, die (wie alle Intermissions auf diesem Album) wie für die Theaterbühne gemacht zu sein scheinen. 'Motherpath (Helena's Heritage Pt. 2)' kommt danach fast schon poppig daher, um dann aus dem Nichts die dickste Todebleikeule zu schwingen. Einer der besten Teile des Albums, wenn man mich fragt! Mit einer schicken Melodeath-Melange geht es dann in 'Tales Long Forgotten weiter. 'The Empyrean Gate' wiederum versteckt als Zwischenspiel schon gar nicht mehr, dass es ein Hörspiel sein will und lässt bei mir dabei irgendwie Alexander Kaschte Vibes hochkochen (auch wenn es hier weniger kitschig gelöst wurde als bei SAMSAS TRAUM). Wer übrigens wissen möchte wie AMORPHIS ohne entsprechenden Signature-Sound klingen sei an 'Swansong' verwiesen, bevor es bei 'The Last Knowledge' noch mal richtig hart wird. Man kann hier legitim Vergleiche zu älteren AMON AMARTH ziehen (wenn man die cleanen Vocals ignoriert). Um so zahmer geht es dann mit 'A Refuge In Flames' auf die Ziellinie, das tatsächlich fast ohne Spoken Words, Samples und Gesang auskommt und vor allem auf Streichereinsatz zählt.

Tatsächlich ist das Ende weniger dramatisch und dafür reduzierter als ich es in Hinblick aus die Songs zuvor erwartet hätte. Nichtsdestotrotz wird "Ghostpath" meiner Vorrede gerecht und hebt sich deutlich von der Konkurrenz ab, wenn es um herausstechendes Song-Writing und Story-Telling geht. Klar, dabei ist nicht alles perfekt. Stellenweise sind mir die melodischen Anteile etwas zu poppig, die Zwischenspiele etwas zu pathetisch und der dramaturgische Song-Aufbau etwas zu formelhaft (melodisch, todesmetallisch und am Ende eine Mischung aus beidem). Allerdings sind das rein subjektive Punkte. Es kann sein, dass es für dich genau die Stärken des Albums sind. Ganz generell kann man aber sagen: wenn man 'Facettenreich' im Lexikon nachschlägt, sollte ein Bild von "Ghostpath" abgebildet sein. Der kompositorische Aufwand, der in dieses Stück Musik geflossen ist, muss enorm gewesen sein. AKOASMA hat eine unheimliche stilistische Bandbreite und sollte damit besonders bei Fans von KATATONIA, NAILED TO OBSCURITY und PARADISE LOST auf offene Ohren stoßen.
Ab dem 31.05.2024 gibt es die Scheibe direkt bei der Band selbst zu kaufen.

8 von 10 Punkten

[Adrian]

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