Montag, 21. August 2023

Reingehört: Asking Alexandria "Where Do We Go From Here?"

"Okay, jetzt hat er endgültig den Verstand verloren!", so oder so ähnlich wird eure Reaktion gewesen sein, als ihr die Überschrift gesehen habt (vorausgesetzt ihr gehört zu den Leuten, die mehr als einen Artikel von mir gelesen haben). Ich gebe zu, dass ich auch nicht erwartet habe, dass ich heute eine Rezension zum neuen Album "Where Do We Go From Here?" von ASKING ALEXANDRIA schreiben werde, aber was soll ich sagen: hier sind wir nun. 
Persönlich habe ich keine besondere Verbindung zu dieser Band. In den 2000ern gehörte das britische Kollektiv zur Speerspitze des angelsächsischen Metalcore und entsprechend wurde die Band von meinem arroganten Mitzwanziger Ich auch konsequent ignoriert. Songs konnte man mir maximal unbewusst über allgemeinverträgliche Rock-Partys oder Videospielsoundtracks unterjubeln ('Oh ... My... God!!' grollt es immer noch in meinen Gehörgängen - Danke dafür, 2K Games!). Entsprechend überrascht war ich ihre aktuelle Promo in meinem Postfach zu finden. "Ach, die gibt's noch?" war meine erste Reaktion und "Wie komme ich zu der Ehre deren neues Album vorab hören zu dürfen?" war mein nächster Gedanke. "Ach komm, das kannst Du nicht bringen", ging es mir weiter im Kopf herum, "Wenn Du dazu was machst, bekommst Du wieder ganz tolle Kommentare auf Social Media". Allerdings muss man sich von Zeit zu Zeit auch aus seiner Komfortzone heraus begeben und auf das 7.674.680ste Black- & Death Metal Review nach Schema F hatte ich heute auch keine Lust. Ich fasse mir also ein Herz und begebe mich in die Schlacht.
Genug der Vorrede! Kommen wir zu den trocknenen Fakten. Wir haben es hier mit einem knapp 40 Minuten langen Klopper zu tun, der seine Spielzeit auf 11 Songs verteilt, wovon kein Track die radiounfreundliche Schallmauer von viereinhalb Minuten sprengt. Aus meinem eher begrenzten Erfahrungsschatz mit ASKING ALEXANDRIA habe ich versucht vorab zu prognostizieren, was mich erwarten könnte. "Okay, die wurden mal als Metalcore-Helden gepriesen und was ich kenne klang tatsächlich auch etwas härter als der Mainstream-Durchschnitt, aber die werden doch bestimmt nicht mehr so klingen wie vor über zehn Jahren", philosophiere ich vor mich hin und sollte damit gar nicht mal so falsch liegen. Denn die letzten Jahre wurde der Metalcore genrell immer stärker sowohl vom Post-Hardcore als auch einem kleinen aber merklichen Nu-Metal-Revival beeinflusst (das ist jedenfalls das, was ich mitbekommen habe, nagelt mich bitte nicht darauf fest). Dieser Umstand könnte zumindest erklären wieso diese Scheibe insgesamt so klingt als hätte man ALEXISONFIRE, FALLING IN REVERSE und ein bisschen späte LINKIN PARK in einen Mixer geschmissen.
Ein Song fällt dabei wirklich komplett aus dem genannten Raster und sticht auf der Scheibe deutlich  heraus. 'Kill It With Fire' ist 66 Sekunden kurz und stellt eine rasante Speedrock-Nummer da, die so gar nicht zum Rest der Kompositionen passen will und wirkt besonders im Vergleich zum vorherigen Bastard aus FALLOUT BOY und BILLY TALENT ('Let The Dead Take Me') und dem äußerst pop-rockigen Folgesong 'Holding On To Something More' so als wäre es ein Spaß, den sich die Band während einer Aufnahmepause geleistet hat und der versehentlich auf der Tracklist gelandet. Das heißt jetzt nicht, dass das gesamte Album ultrabrav wäre und überhaupt keine Aggressivität beinhalten würde, aber mit dem abschließenden Titeltrack hat man eine schmalzige Modern-Rock-Nummer geschaffen, die problemlos auf Radio Bob oder Rock Antenne laufen könnte. Das ist ein ziemlicher Kontrast zu den gefälligen Hardrocknummern 'Bad Blood' und 'Things Could Be Different', die den Reigen eingeleitet haben. Besonders bei dem zuletzt genannten Titel kommen zeitweise dezente Corey-Taylor-Vibes auf. Auch rhythmisch ist das gar nicht mal so uninteressant und gefällt mir weitestgehend sogar recht gut. Dafür ist 'Let Go' wiederum gar nicht meins. Dieser aufgesetzte Nu-Metal-Beat in der Strophe, was man im Refrain mit einer künstlich breiten Soundwand konterkariert, wird erst spannend als in der zweiten Song-Hälfte die Drums versuchen mehr als das absolute Mindestmaß zu leisten. 'Psycho' macht dann im Anschluss seinem Namen alle Ehre und mischt verschiedene Stilmittel miteinander und schwankt zwischen einer zeitgenössicher Rocknummer (mit mehr Double-Bass als sie verdient hat) und Popmusik á la Justin Timberlake. 'Dark Void' wiederum kann man sich auch bereits in Videoform auf YouTube anschauen und damit hat man tatsächlich einen recht repräsentativen Song gefunden, der euch einen guten Eindruck davon gibt, was man auf dem Album im Schnitt klanglich geboten bekommt. Von den härteren metallischen Passagen wie man sie auch in 'Nothing Left' findet bis zu den postigen Facetten wie in 'Feel' ist hier eigentlich alles enthalten.

Mein Fazit zu "Where Do We Go From Here" fällt ebenso gemischt aus. Ist es ein gutes Album? Für das, was sein will: wahrscheinlich schon. Verspüre ich das dringende Bedürfnis mir das Album nach dieser Renzension noch einmal anzuhören? Ganz bestimmt nicht. Es gibt einige tolle Ideen, treibende Beats und stellenweise sogar interessante Song-Writing-Kniffe, die mich aufhorchen lasse. Jedoch komme ich mit vielen Stereotypen moderner Rockmusik einfach nicht klar: empfinde dementsprechend viele Passagen als unnötig überladen, einige Stilbrüche als unnötig beziehungsweise als zu gewollt und viele Refrains als einfach zu poppig. Ich gestehe den Engländern zwar zu sich weiterentwickelt zu haben (oder "Erwachsen geworden zu sein" wie es Musikjournalisten so gerne nennen), aber belasse es bei einem Kurzausflug in fremde musikalische Gefilde und verziehe mich fürs erste zurück in meine Bubble der menschenverachtenden Untergrundmusik. Ich verzichte dabei auch auf eine Benotung Scheibe und überlasse die objektive Evaluierung solcher Bands entsprechenden Szene-Medien.
Ab 25.08.2023 gibt es die Platte in verschiedenen Formaten bei Better Noise Music.

[Adrian]


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