Wir werden alle nicht jünger. Das gilt auch für Black-Metal-Urgesteine wie MARDUK, die bereits seit 33 Jahren (!) ihr Unwesen in der extremen Szene treiben. Das ist Fakt und würde bestimmt so manchem Schwarzheimer graue Haare wachsen lassen, sofern er denn noch Haare hätte. Mit "Memento Mori" erscheint am 1. September das nunmehr 15. (!!) Album des schwedischen Dreigestirns. Schauen wir also einmal, was das neue Teil so kann.
Kurze Frage in die Runde: hat hier irgendwer eine dramatische Neuausrichtung erwartet? Also ich nicht! Und wisst ihr was? Das ist auch verdammt gut so. Wenn ich MARDUK will, dann soll es auch nur nach MARDUK klingen... verdammte Scheiße!Nun gut, damit ist der offensichtlichste Witz aus dem Weg geräumt und wir können einen etwas differenzierteren Blick auf das neuste Werk von Gründungsmitglied Morgan, Sänger Mortuus und ihrem neuen Drummer Simon (unter anderem Ex-STREAMS OF BLOOD) werfen. Wir haben es hier mit zehn Liedern zu tun, die es auf eine angenehme Spielzeit von knapp 42 Minuten bringen. Damit bewegen sich die Tracks im Mittel jeweils um eine Spieldauer von vier Minuten herum, was eine gute Länge für ein brachial schwarzes Stück Schwedenstahl ist. Immerhin ist man sich, wie gesagt, der stilistischen Marschrichtung weitestgehend treu geblieben. Es wird aus allen Rohren geballtert, Die BPM-Zahl der Drums steht auf Sperrfeuer und die Gitarren rasieren selbst einem tollwütigem Stachelschwein die behaarten Klöten blank ('Coffin Carol' oder die bereits ausgekoppelte Single 'Blood Of The Funeral' sind hier nur zwei von vielen Beispielen). Dazwischen gibt es auch immer wieder kurze Verschnaufpausen (wie das ebenfalls schon in Videoform verfügbare 'Shovel Beats Spectre'), die gerne auch mit eingestreuten Samples Stimmung aufbauen oder einfach verhindern sollen, dass der Schlagzeuger bei der Live-Darbietung des neuen Stoffs mit einem Herzkasper vom Hocker fällt. 'Marching Bones' ist dann wiederum ein schönes Beispiel dafür wie in diesem vermeintlichen Chaosgewitter auch dezente Black'n'Roll'ige Momente durchscheinen können, die einen herrlichen Old-School-Vibe versprühen. Überhaupt ist dieses Album eine wunderbare Hommage an Schwarzmetall wie er in den späten Neunzigern und 2000ern gezockt wurde. Hier gibt es keine Kompromisse und Schnörkel. Hier bekommt man einfach gnadenlos aufs Fressbrett. Dabei hat man nur zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren: entweder lässt man sich von dieser martialischen Brutalität mitreißen oder man kann überhaupt nichts damit anfangen. 'Red Tree Of God' ist dafür ein wunderbares Beispiel. Denn wer Black Metal wegen seiner Melodien und vielschichtigen Klangwelten feiert, die verwaschen ineinander übergehen, der wird von der Band grundsätzlich vor den Kopf gestoßen. Denn besonders bei dem genannten Track zeigen die Schweden Nähe zu Death-Metal-Vertretern wie DEICIDE oder auch DECAPITATED, was vor allem dem Stakkato-Rhythmus zu verdanken ist. Apropos, Death Metal: der vor zwei Jahren verstorbene ENTOMBED-Veteran LG Petrov ist während des letzten Songs 'As We Are' zu hören, was auch tatsächlich wie sein persönliches Requiem klingt.
Alles in allem bin ich sehr positiv überrascht. Ich habe nicht erwartet, dass mich eine neue Platte von MARDUK noch einmal so sehr abolen würde. 'Memento Mori' ist jetzt keine Neuerfindung der Band. Nicht einmal der Albumtitel zeugt von Kreativität (allein bei Metal Archives gibt 92 andere Alben, die genau so oder so ähnlich heißen). Allerdings ist MARDUK auch eben der Inbegriff des plakativen Black Metal und wird auch genau dafür so gefeiert. Kurzum, hier ist alles wie gehabt, aber man hat an den richtigen Stellschrauben gedreht, so dass man auch nach mehr als drei Dekaden noch zu begeistern weiß. Treue Fans werden sowieso zugreifen, aber auch MARDUK-Muffeln empfehle ich ein Ohr zu riskieren. Es könnte sich lohnen. Oder anders gesagt: hört an diesem Freitag nur MARDUK... verdammte Scheiße!
Ab dem 01.09.2023 gibt diesen Dreher als LP, CD und digital bei Century Media.
8 von 10 Punkten
8 von 10 Punkten
[Adrian]
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