Freitag, 21. April 2023

CD-Review: Grave Pleasures "Plagueboys"

Ich habe mich wirklich sehr auf das neue Album der GRAVE PLEASURES gefreut, da ich die postpunkige Truppe um den Wahl-Finnen Matt McNerney bereits schwer gefeiert habe als sie noch BEASTMILK hießen. Seitdem sind drei Alben erschienen, die allesamt auf ihre Weise fantastisch waren. Auch live gehört das Quintett zu den besten Acts, was ich in den letzten Jahren auf einer Bühne bestaunen durfte. Entsprechend hoch sind meine Erwartungen an "Plagueboys" gewesen, das gerade das Licht der Welt erblickt hat. Dementsprechend drängt sich mir folgende Frage auf: kann der neuste Dreher das Niveau von "Motherblood" und "Dreamcrash" halten oder bekommt die makellose Diskographie eine erste Delle? Lasst es uns herausfinden.
Etwas mehr als 42 Minuten Liedgut verteilt auf zehn Songs sind die nüchternen Rahmenbedingungen der neuen Platte, der man sich selbst als Fan der Band alles andere als einfach nähren kann. Denn "Plagueboys" ist anders als die beiden Vorgängeralben und besinnt sich in weiten Teilen wieder verstärkt auf die BEASTMILK-Wurzeln, die ja auf einer metallischen Antithese beruhen. 

So ist der neuste Output zwar immer noch zu 100% im fundamentalen Deathrock-Sound der Kapelle verwurzelt und spielt lyrisch mit dem immanenten Ende der Welt (oder auf Englisch: 'Imminent Collapse') beziehungsweise dem Rausch der Vernichtung ('High On Annihilation'), aber das Ausmaß an Songs, zu denen man live abgehen kann, ist im Vergleich zu "Motherblood" deutlich zurückgegangen. Natürlich gibt es immer noch Songs wie 'Society Of Spectres', zu denen man die Matte schütteln kann, aber in der Hauptsache animiert die Platte dazu sich wie ein Goth Kid aus South Park minimalistisch auf der Stelle zu bewegen. Ich bin ehrlich. Beim ersten Durchlauf der Scheibe hat diese Marschrichtung bei mir dezenten Unmut hervorgerufen und ich war versucht das Album erst einmal bei Seite zu legen. Zum Glück habe ich das nicht getan! Denn dafür ist die prägnante Stimme von Matt McNerney wiederum zu genial und hat mich dazu bewogen das Album noch ein wenig auf Auto-Repeat laufen zu lassen. Und siehe da! Bereits kurz darauf hat es Klick gemacht. Die knackigen Gitarren und treibenden Beats sind zwar weniger geworden, aber dafür verstecken sich in den breiten und halligen Melodien wunderbare Klangwelten, die man in ihrer Gänze erst nach einer gewissen Eingewöhnungsphase erfassen kann. 

Insgesamt ist "Plagueboys" ein Album, das nicht auf Nummer sicher geht und bewusst mit vielen Erfolgsrezepten von "Motherblood" bricht, um stärker die Wurzeln der GRAVE PLEASURES in den Vordergrund zu rücken, die ja bekanntermaßen im Postpunk und Deathrock liegen. Das wird nicht jedem Gefallen und wenn man sich die ersten Reviews anschaut, dann sieht man auch, dass diese Scheibe entweder vergöttert oder verrissen wird. Ich kann verstehen, dass nicht jeder Hörer bereit ist, sich eine Platte vier bis fünfmal antun zu müssen, um eventuell etwas für sich herausziehen zu können. Allerdings würde ich Fans der Grabfreuden empfehlen dem Album etwas Zeit zum wachsen zu geben, besonders dann wenn sie sich nach einem Durchgang noch  von der Band entfremdet fühlen. Geduld kann sich hier bezahlt machen. Mittlerweile kann ich nämlich nicht mehr von der Platte lassen und schreibe mir den Dreher schon einmal für meine Jahres-Top-Ten auf den Zettel. Wer CRISIS, JOY DIVISION oder THE SMITHS mag, wird sich hier besonders schnell zu Recht finden.
Seit dem 21.04.2023 gibt es die Platte als CD und LP bei Century Media.

8,5 von 10 Punkten

[Adrian] 

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