Sonntag, 2. Oktober 2022

Live-Review: Party.San Open Air 2022 - Part 3 (Samstag)

Nach dem Donnerstag und dem Freitag kommt nun der finale Festivaltag: der Samstag auf dem Party.San Open Air 2022! Nachdem ich am Vortag etwas zu kämpfen hatte, setzt am letzten Tag die zweite Luft ein. Wir haben Bock und auch der Energielevel ist auch wieder gestiegen. Stürzen wir uns also ins Getümmel und bereiten uns aufs große Finale vor.

Etwas verspätet schaffe ich es zu SLAUGHTERDAY. Die Stimmung ist zwar nicht so ausgelassen wie Tags zuvor bei KADAVERFICKER, aber der Old School Death Metal der Friesen ist (genau wie ihr schwarzer Tee) auch eher etwas zum genießen. Ich erspare mir an dieser Stelle die ewigen AUTOPSY-Vergleiche. Dieser Tage ist mit "Tyrants Of Doom" das vierte Album des Duos erschienen, das 2022 endlich mal wieder ein echtes Todesblei-Highlight darstellt. Live werden die beiden bärtigen Niedersachsen von Live-Musikern unterstützt, die teilweise das erste mal mit dem Zweier auf der Bühne stehen. Dennoch wirkt das Zusammenspiel vollkommen rund und routiniert. Am Rande sei auch noch erwähnt, dass die Norddeutschen auch unsere Zeltnachbarn sind beziehungsweise ihr Camper uns ein wenig Sichtschutz zum Rollfeld gewährt. Sowohl auf als neben der Bühne handelt es sich um sehr feine Herren, die definitiv den perfekten Start in den Tag darstellen.

Danach geht es weiter mit PURGATORY, die sich vom Zelt auf die Main Stage
hochgearbeitet haben. Die Sachsen existieren bereits seit fast 30 Jahren und haben mit "Apotheosis Of Anti Light" ihr inzwischen neuntes Album mit dabei.  Ich höre mir ihren bissig fauchenden Death Metal vom Camp aus an und bin immer wieder erstaunt welche Qualität es im Todesblei-Sektor in Deutschland gibt und das nicht erst seit dem Death-Metal-Revival der 2010er Jahre. Auch nach drei Dekaden haben die ostdeutschen Hartwürste ihren Zenith noch lange nicht erreicht. Ähnliches dürfte auch für die Kanadier von PANZERFAUST gelten, die auch schon 17 Jahre auf dem Buckel haben, mir persönlich allerdings auch erst im Vorfeld des Party.San Open Airs ins Auge gestochen sind. Das Trio spielt räudigen Black Metal mit einer Menge Death-Metal-Urgewalt. Die Bandmitglieder haben sich in der Mehrzahl mit ordentlich Dreck eingedeckt und das Thema Warpaint gänzlich ihrem Keyboarder überlassen, der mit seinem DIMMU-BORGIR-Tribut-Kostüm durchaus aus dem restlichen Ensemble heraussticht. Ansonsten gibt es neben dem durchaus ausgiebigen Einsatz von Pyrotechnik nicht sonderlich viel über den Auftritt zu erzählen. Musikalisch ist hier alles einwandfrei (besonders der Drummer ist ein echtes Biest), aber wie die meisten düsteren Bands leidet auch hier die Atmosphäre unter der noch recht frühen Tageszeit. 

NUNSLAUGHTER wird mir von Kollege Ehrenandi ordentlich schmackhaft gemacht und als Must-See angepriesen. Nun gut, ich kenne die Amis vor allem vom Namen her, der so klingt als hätte sich ihn ein Drehbuchautor für eine Folge einer 90er Jahre Sitcom ausgedacht, in der eine fiktive und möglichst klischeehafte Metal-Band auftauchen soll. Ehrlicherweise klangen auch die ersten Hörproben, die mir vorab präsentiert wurden, echt scheußlich. Aber nicht vom Song-Writing oder Können der Musiker her, sondern einfach nur wegen der Produktion beziehungsweise der Abwesenheit einer solchen. Ich erkläre euch kurz was ich meine. Stellt euch vor jemand hat ein Demoband mit Black-Thrash-Instrumentals im Auto bei 40°C im Schatten vergessen. Zwei Wochen später findet ein tollwütiger Straßenköter diese Kassette und kaut genüsslich darauf rum. Wenn jetzt jemand das Teil in seinen Tape Player steckt und sich keifende Vocals dazu ausdenkt, um diese wiederum mittels Handy-Voice-Recorder von 2009 einzusingen und das Ganze als Album zu veröffentlichen, dann habt ihr den Sound von NUNSLAUGHTER. Zumindest auf Platte. Denn live gehen die vier Herren ordentlich ab und zocken eine coole Show, die eine eher todesmetallische Herangehensweise zum SARCÓFAGO-Tribute, darstellt. Endlich verstehe ich wie die Songs eigentlich klingen sollen und bin begeistert. Das letzte verbliebene Gründungsmitglied Don Of The Dead strahlt heftig viel Charisma aus und bildet wie es sich gehört den Fixpunkt der Band. Basser Detonate ist zwar im Gegensatz zu Don das neuste Mitglied der Truppe, aber mit seiner Gesichtsakrobatik und seiner Spielfreude mausert er sich zum heimlichen Show-Stealer. Kurzum, Andis Tipp war goldrichtig! 

BÖSEDEATH, ich muss mich bei euch entschuldigen! Ich habe im Vorfeld
mehrmals gesagt, dass ich überrascht bin euch auf dem PSOA-Billing zu sehen, da ihr für mich vor allem mit dem Darmstädter Grindcore und Brutal Death Metal Underground verbunden seid und ich nicht erwartet habe, dass ihr auf einer internationalen Bühne wie dem Party.San Open Air auf so viel Gegenliebe stoßen würdet. Ich hätte mich jedoch nicht mehr irren können. Die Südhessen machen nämlich das Zelt ordentlich voll und man merkt Sänger Dän die Ehrfurcht bei den Ansagen anfangs etwas an, aber die Show ist davon keineswegs beeinträchtigt. Im Gegenteil, der Circle Pit kreist quasi die gesamte Spielzeit über und es fliegen ordentlich die Fetzen. Es gibt kaum einen Stimmungsunterschied zu den anderen Brutalo-Grind-Bands auf der Hauptbühne. Wir haben es hier sozusagen mit einem Grindcore Brunch zu tun, das sich nicht vorm Frühstück zu verstecken braucht. Brutale Stampfer wie 'Cthulhu Clothesline' und 'Southern Fried Homicide' zeigen außerdem wie positiv sich die Truppe in den letzten Jahren entwickelt hat  und dass ich mich definitiv wieder mehr mit dem aktuellen Schaffen der Rhein-Main-Rabauken auseinandersetzen sollte. Mea Culpa, dass ich vorab nicht an euch geglaubt habe.

SAOR. Diesen Bandnamen habe ich schon unzählige Male gelesen und die Truppe liegt irgendwo auf meinem Pile Of Shame für Bands vergraben, in die ich

unbedingt noch reinhören wollte. Das Ein-Mann-Projekt vom Schotten Andy Marshall wird gerne etwas verkürzt als "Atmospheric Folk Black Metal" bezeichnet, was diesem Stilmix aber nicht einmal im Ansatz gerecht wird. Das Schlotheimer Festival ist dabei ein großartiger Ort um die Klangwelten des Briten zu erforschen. Denn neben extremen Ausbrüchen und rasanten Double-Bass-Attacken mit wütenden Shouts, gibt es auch immer wieder herrliche Gitarrensoli und eingestreute Melodien, die nach Highlands und Haggis klingen. Die Season-of-Mist-Kapelle fällt am heutigen Nachmittag wirklich aus dem Rahmen und verdient es, dass man sich mit mehr als ihrem Namen auseinandersetzt.

FLESHCRAWL ist ähnlich wie PURGATORY zuvor, eine Death-Metal-Legende aus deutschen Landen, die viel zu wenig Anerkennung erhält für das, was sie seit Jahren geleistet haben. Hier auf dem Party.San Open Air finden sich allerdings genug Genießer, die bei den Süddeutschen vorbeischauen und dem 2021 verstorbenen Sänger Sven Gross die letzte Ehre erweisen. Neuzugang Borisz hat entsprechend große Fußstapfen, die er ausfüllen muss, macht dabei eine unheimlich gute Figur und wird entsprechend vom Publikum abgefeiert - besonders als gegen Ende der Band-Überhit 'As Blood Rains From The Sky' angestimmt wird, der diesen starken Auftritt krönt.

Es gibt einen witzigen Fun Fact zu MÅNEGARM, den nicht viele kennen. Als Totgehört gegründet wurde (im Winter 2009 besoffen mitten in der Nacht an einem Bahnhof im Ruhrgebiet), kamen wir gerade von einem Tagesfestival bei dem die Schweden der Headliner waren. Seit dem ist einiges an Zeit vergangen. Inzwischen stehen drei Gestandene Männer auf der Bühne, die in ihren uniformierten schwarzen Hemden, ein wenig an die Securities erinnern, die vor der Bühne wachen und das Publikum im Auge behalten. Musikalisch kann man die Skandinavier am ehesten mit SAOR vergleichen, der keine zwei Stunden zuvor gespielt hat. Allerdings geht es hier deutlich Viking-metallischer zur Sache. Zu meiner Freude haben es es auch paar Songs vom aktuellen Album "Ynglingaättens öde" auf die Setlist geschafft, wovon ich 'En snara av guld' besonders empfehlen kann. Viel mehr gibt es dann auch nicht zu sagen. Das Trio besteht aus Vollprofis, die einen astreinen Gig abliefern, den ich lieber mit abfeiern statt analysieren vor der Stage verbracht habe. Dadurch kann ich zwar an dieser Stelle weniger zur Band an sich sagen, aber dieser Umstand sollte euch bereits klar machen, wie sehr es sich lohnen kann sich MÅNEGARM live anzutun. Manche Leute sprechen hier sogar von einem ominösen Effekt, der dabei auftreten soll. 

[Adrian]

Richtg Gas geben dann die Jungs von BLOOD INCANTATION. 2018 noch in der

Tent Stage gesehen, hatte ich richtig Bock auf die Mannen aus Denver, Colorado. Mit 'Starspawn' und 'Hidden History Of The Human Race' hat man auch zwei der besten Death Metal-Alben der letzten Jahre im Gepäck. Technisch hochwertig, ohne die Atmosphäre zu vernachlässigen, mit klaren Referenzen zu Bands wie MORBID ANGEL und NILE ballert man sich gekonnt durch die paar Songs, die man in 45 Minuten geschafft hat unterzubringen. Denn auch wenn man kaum Pausen bekommt, kurze Songs sind nicht gerade das Markenzeichen der Amerikaner. Ein Song wie 'Awakening From The Dream Of Existence To The Multidimensional Nature Of Our Reality (Mirror Of The Soul)' wird dann auch schonmal über mehr als eine Viertelstunde zelebriert. Auf dem Niveau, auf dem man hier abliefert, spielt das aber auch gar keine Rolle. Das war ganz große Klasse, würde mich nicht wundern wenn die Kollegen bei Ihrem nächsten Besuch nochmal zwei bis drei Stunden später spielen. 

Sehr schwer hatten es nach BLOOD INCANTATION dann die Westfalen von EIS. Das hat aber gar nicht so sehr an den Kerlen selbst gelegen, der Kontrast hat es in dem Fall einfach schwierig gemacht, die Musik der Mannen aus NRW zu genießen. Abwechslungsreich tönt es von der Bühne, man findet eine gute Mischung aus wütenden Uptempo-Zeiten und getragenen Passagen, und Songs 'Über den Bannstein' sind auch auf Platte einfach richtig gut. 

Frontmann Alboin hat ebenfalls einen guten Tag erwischt, kraftvoll und gut gelaunt geleitet er durch das Set. Für mich konnte der Auftritt nach dem vorherigen Brett von BLOOD INCANTATION schlicht keine volle Wirkung entfalten. Schade.


IMPLAED NAZARENE
sind schon immer eine Band gewesen, die keine Kontroverse gescheut hat. Musikalisch ist das aber durchaus solide was die Finnen abliefern. Die räudige stumpfe Mischung aus Hardcore, Punk und leichten Black Metal Anleihen funktioniert live für viele ganz hervorragend, soviel Action im Pit war nur bei wenigen anderen Bands zu sehen. Frontmann Luttinen war scheinbar auch ganz guter Laune, das hab ich schon deutlich gelangweilter gesehen vor einigen Jahren. Hits wie 'Motörpenis' lassen dann auch vermehrt Crowdsurfer 
in Aktion treten. Und spätestens bei 'Suomi Finland Perkele' brennt so richtig die Hütte. Nicht ganz meins, aber unterhaltsam war das schon.

[Nezyrael] 

DARK FUNERAL? Irgendwie vergesse ich immer wieder, dass diese Band überhaupt noch existiert. Das ist nicht böse gemeint, aber der wirklich sehr plakative Stil der Schweden wirkt in der modernen Black-Metal-Szene (egal ob gnostisch amti-kosmisch, finnisch-orthodox oder post-kaskadisch bis atmosphärisch) ziemlich aus der Zeit

gefallen. Ich selbst habe unter anderem mit der Band rund um Gitarrist Lord Ahriman angefangen Black Metal zu hören, aber mittlerweile finde ich ihre Präsentation einfach zu platt und eher wie eine Parodie der schwarzen Klangkunst. Nichtsdestotrotz muss ich auch sagen, dass es auch ziemlich geil ist, wenn man vor der Bühne steht die Flammenwerfer alles geben, man spürt wie sich durch die Hitze dicke Schweißtropfen auf der Stirn bilden und man das Gefühl hat im Fegefeuer zu stehen, während die Kapelle den Abend mit 'Unchain My Soul' eröffnet. Mit 'My Funeral' kommt mein persönlicher Lieblingssong der Band bereits an dritter Stelle (ein wirklich unterschätztes Brett!). Im Laufe des Sets verliert man mich dann jedoch ein wenig, da der Nostalgie-Faktor nur bis zu einem gewissen Grad funktioniert und sich irgendwann abnutzt. Ganz objektiv betrachtet bekommt man hier, was man erwarten konnte: eine verdammte starke DARK-FUNERAL-Show von spielfreudigen Profimusikern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.   

BENEDICTION hat es heute nicht leicht. Einerseits muss das englische Kollektiv direkt vor dem meist erwarteten Auftritt
des Festival Wochenendes spielen und dann klauen Ihnen am Mittag auch noch ASPHYX das Bier aus dem Backstage-Bereich. Vielleicht ist dieser Umstand auch die genau richtige Portion Hass, die Sänger Dave Ingram braucht damit er in Wallung kommt. Seit der Frontmann 2019 zur Band zurückgekehrt ist, zeigt die Trendkurve für diese britische Genre-Ikone steil nach oben. 'Scriptures' war 2020 nicht nur für mich eines der Alben des Jahres und lässt mühelos vergessen, dass auch diese Truppe schon mehr als 30 Jahre auf dem Kerbholz hat. Man muss da eigentlich nicht mehr dazu sagen, dass Auftritt zum Besten gehört, was an diesem Wochenende in Schlotheim zu bewundern ist. Die neuen Songs fügen sich perfekt in die Setlist ein, die eben so viele alte Hits beinhaltet.

Der treibende und stakkato-artige Todesstahl der Engländer macht einfach immer wieder Spaß und stellt unter Beweis, wie geschmackssicher das Gespür der Band für mitreißende Rhythmen und Melodien ist. Auch wenn ich nach drei Tagen Festival und unzähligen Auftritten langsam aber sicher auf dem Zahnfleisch gehe, muss ich hier noch einmal steil gehen und diese Performance einfach abfeiern, die von einer auf Dauerfeuer gestellten Pyrotechnik quasi ohne Unterbrechung begleitet wird. Kurzum, Hut ab vor dieser Leistung! BENEDICTION befinden sich derzeit in ihrem zweiten (oder vielleicht schon dritten) Frühling und wenn sie sich diese Spielfreude bewahren, dann haben sie noch viele gute Jahre vor sich.

[Adrian]

Den krönenden Abschluss bilden dann die Schweden von DISMEMBER - für viele

sicherlich auch dieses Jahr einer der Hauptgründe, hierher zu fahren, haben die Schweden sich doch relativ rar gemacht in den letzten Jahren in Deutschland (Anmerkung von Adrian: eigentlich hatten sie sich überall rar gemacht, da sie fast die kompletten 2010er über aufgelöst waren). Und als dann nach ein bisschen Verzögerung 'Override Of The Overture' aus den Boxen klingt erreicht die Stimmung auch den verdienten Headliner-Level. Und die Setlist kann sich sehen lassen - klar ist die Diskographie der Schweden auch nicht die breiteste, aber ganz ehrlich, von den Mitbegründern des Schweden-Sounds will ich auch keine Experimente sondern die Hits. Und die kommen, wie am Fließband. 'Reborn In Blasphemy', 'Pieces', 'Casket Garden', 'Dismembered', alles wird den Zuhörern vor den Latz geknallt, was die Leute hören wollen. Lediglich mit dem Energielevel der Leute scheint die Band nicht zu jedem Zeitpunkt zufrieden zu sein, aber ganz ehrlich, es ist die letzte Band des Festivals, es waren anstrengende und heiße Tage, wahrscheinlich ging es den meisten anderen wie mir auch und man war einfach sehr erschöpft. Aber als dann im letzten Song des Sets die ersten Töne von 'Dreaming In Red' erklingen, ist auch der letzte im Death-Metal-Himmel angekommen. Grandioser Auftritt mit sogar recht gutem Sound, würdiger Headliner, jetzt bitte mal noch 'ne schöne Tour.

[Nezyrael] 

Und damit endet unsere ausgedehnte Party.San-Berichterstattung. Ein fettes Dankeschön geht an Nezyrael und Ehrenandi für die Unterstützung sowie das Party.San-Team für dieses wieder einmal großartige Festival! Es hat sich wieder wie früher angefühlt. Hoffen wir einfach, dass es 2023 genauso weitergehen kann!

Wir werden in Zukunft auch versuchen unseren Bericht schneller fertig zu bekommen - versprochen 😉

[Adrian]

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