Freitag, 25. Dezember 2020

Reingehört: Northorn "The Art Of Destruction"

Ich habe zuletzt ein richtig dickes Promo-Paket mit aktuellen Veröffentlichungen von Talheim Records zugeschickt bekommen. Einem Wiener Label, das sich sehr stark dem Black- und Extreme-Metal-Untergrund verschieben hat. Unter diesem CD-Bündel findet sich auch eine Bands namens NORTHORN, die mit Indonesien eine recht exotische Heimat hat (Kenner wissen natürlich, dass die Metal-Szene in Südostasien innerhalb der letzten Jahre immer stärker gewachsen ist). Bereits 2017 brachte diese (ursprünglich als Ein-Mann-Projekt gegründete) Truppe ihre bisher letzte EP namens "The Art Of Destruction" auf den Markt. In diesem Jahr kommt ein neues Mini-Album mit gleichen Namen heraus, das aber nur eine kleine Schnittmenge mit dem letzten Release hat.
In der offiziellen Kommunikation der Band wird von einem neuen Album gesprochen, ich benutze allerdings (wie auch schon in der Einleitung) ganz bewusst lieber Begriffe wie EP oder "Mini-Album", den mit einer Spielzeit unter 25 Minuten verteilt auf fünf Titel wäre es falsch von einer Full-Length zu sprechen. 
Besonders weil es sich nicht um eine Grindcore- oder Crust-Punk-Veröffentlichung, sondern einen Vertreter des Depressive Black Metal handeln soll und hier bin ich bei vollwertigen Alben etwas längere Laufzeiten gewohnt. Aber das muss ja kein Makel sein. Persönlich mag ich sowieso Scheiben lieber, die auf den Punkt kommen, anstatt unnötig auf 60 bis 70 Minuten gestreckt zu werden. Auch die Bezeichnung "Depressive Black Metal" könnte irreführend sein. Klar, das ist kein treibender Blackened Thrash, wozu man sich vor der Bühne gegenseitig zerlegen will, aber in weiten Teilen passt das Prädikat "Melodic Black Metal" oder "Atmospheric Black Metal" einfach besser, gerade was singende Gitarren und die breiten Klangteppiche angeht. Zugegeben, es gibt auch Tracks wie 'I (Meditation) 666', wo sich die typisch verwaschenen, noisigen DSBM-Gitarren wiederfinden, aber gerade zu Anfang des Albums muss ich vermehrt an DISSECTION denken. Das Song-Writing geht hier insgesamt in Ordnung und bildet einen ausgewogenen Spagat zwischen TOTALSELFHATRED und NACHTMYSTIUM. Der Titeltrack der Platte ist derweil ein ziemlicher Ausreißer mit seinen Spoken-Word-Vocals. Das klingt in etwa so als hätte man die Mittelteil von 'A Forlon Wanderer' von OBSCURE INFINITY auf Song-Länge gestreckt. Abschließend präsentiert man uns dann noch 'R.I.P.', das sehr schnell, knackig eingeleitet wird, nur um dann erneut die Midtempo-Handbremse zu ziehen. Dennoch haben wir es auch hier mit einem handwerklich guten Titel zu tun, der melodisch und düster den Gehörgang umspielt. Das wirklich schwerwiegendste Manko dieser Veröffentlichung ist aber der Sound. Ich habe lange keine so knarzige und schlecht abgemischte  CD mehr gehört. Mir ist schon klar, dass atmosphärischer Depressive Black Metal LoFi-Krach auch gerne als Stilmittel nimmt, aber wirklich gerne hört man so ein Gerumpel wie hier über Kopfhörer auch nicht. Vor allem auch deswegen, weil die Drums wie abgenutzte Kochtöpfe klingen. Ich bin mit den Studio-Situationen in Indonesien nicht vertraut und möchte deswegen nicht arrogant sein, aber auch aus Südostasien habe ich mehrheitlich Produktionen gehört, die den westlichen Klangerlebnissen in nichts nachstehen. Das hier klingt aber wie eine noch zu unrunde Heimproduktion, die mehr davon profitiert hätte, wenn noch einmal jemand mit Mix- und Mastering-Erfahrungen drauf geschaut hätte. Schade, denn man bringt ansonsten eigentlich alles mit, um mich zu überzeugen.


Alles in allem ist NORTHORN an sich eine wirklich interessante Truppe, die es auch versteht spannende Songs zu schreiben, denen man die Referenzen zwar deutlich anhört, aber das muss ja nichts schlechtes sein. Wenn man international wiederum herausstechen möchte, sollte man künftig an der Produktion etwas mehr feilen. Niemand erwartet hier eine Hochglanz-Platte, aber ein wenig mehr Hörkomfort darf schon sein. Reinhören sollten Fans der genannten Paten trotzdem, denn musikalisch ist hier noch einiges zu holen und offenbart viel Potenzial für die Zukunft.
Seit 15.04.2020 gibt es dieses Mini-Album bei Talheim Records zu erstehen.

[Adrian]

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