Es klingt eigentlich wie ein Satz aus einer längst vergangenen Zeit: "Ich habe ein Mixtape aufgenommen!" - Die Kompaktkassette war aus der Popkultur der 70er, 80er und frühen 90er Jahre nicht wegzudenken und ist heute ein Museumsstück. Zumindest für die meisten Menschen. Ich hingegen hänge wie einige andere Verrückte sehr an diesem Musikformat und zelebriere gerne das kratzige Magnetband, das wegen seiner launigen Art, die vor allem Bandsalat und verrauschte Aufnahmen einschließt, von vielen musiksammelnden Enthusiasten heute kaum vermisst wird. Moderne Veröffentlichungen von insbesondere Extreme-Metal- und Dungeonsynth-Bands beweisen jedoch, wie man sich optisch geschmackvoll und klanglich ausgewogen dem altehrwürdigen Medium nähren kann. Darum soll es aber heute nicht gehen, denn wie eingangs erwähnt, bieten Musikkassetten auch viel Raum für Kreativität.
Mixtapes haben für mich persönlich in der Jugend tatsächlich eine wichtige Rolle gespielt. Ich hatte erst sehr spät meinen eigenen Internetanschluss und war entsprechend erst sehr spät in den Genuss der Vorzüge einer Mp3-Sammlung gekommen. Entsprechend waren meine Teenager-Jahre sehr stark davon geprägt Songs, die ich mochte entweder auf CD zu kaufen (was aus Kostengründen nur bedingt möglich war) oder mir die entsprechenden Lieder aus dem Radio aufzunehmen. Das war meistens gar nicht mal so einfach, da es Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre nur wenige Radiostationen gab, die überhaupt regelmäßig Rockmusik gespielt haben. Meistens musste man die ein bis zwei Stunden pro Woche abpassen, an denen auf Sendern, die man nur bei gutem Wetter und im obersten Stockwerk am hintersten Fenster halbwegs rauschfrei reinbekam, eine Sendung zum Thema Rockmusik lief. Im Nachhinein lief auch dort viel weichgespülter Kommerzmist, aber für mein jugendliches Ohr war da zumindest ein wenig des Nu Metal und Crossover dabei, den ich von MTV und VIVA her kannte. Dabei war es immer superärgerlich wenn Songs durch Verkehrsmeldungen, Werbeunterbrechungen oder den unsäglichen Radio-Edit abgeschnitten wurden. Wieso gab es überhaupt Radio-Edits? Die meisten Edits haben doch ohnehin das Beste von den allermeisten Song weggelassen! Oder liegt es daran, weil man es dem Ottonormalverbraucher nicht zumuten kann, wenn ein Song die Vier-Minuten-Grenze sprengt? Und da heißt es immer nur Gen Z hätte keine Aufmerksamkeitsspanne mehr. Bleiben wir aber beim Thema. Es gab nämlich nichts besseres, wenn ich dann doch mal eine Kassette voll mit Liedern bekommen hatte, die ich in der Zeit gern gehört hab, und diese dann auf voller Lautstärke durch die Boxen geblasen habe (zum Leidwesen meiner Eltern). Natürlich war der Sound nie optimal (besonders wenn man CD-Version im direkten Vergleich kannte) und Dinge wie Bandsalat und Haltbarkeit waren auch immer ein nerviges Thema. Dennoch habe ich immer noch schöne Gedanken, wenn ich an diese Zeit zurückdenke und möchte sie nicht missen.
Umso interessierter war ich als mir ein Kumpel von einer gewissen Instagramseite erzählt hat. Mixtape Exchange bietet die Möglichkeit innerhalb von einer internationalen Community aus Tape-Enthusiasten selbstgemachte Kassetten auszutauschen. Im Rahmen von Challenges mit eigenen Mottos nimmt man selbst ein Mixtape auf (man erstellt also eine Playlist mit Songs, die man aufs Magnetband haut), gestaltet eine Hülle sowie Booklet und schickt das Ganze wahlweise rundum um die Welt oder innerhalb der eigenen Region raus. Dafür bekommt man dann auch selbst eine MC zugeschickt, die jemand basierend auf einem Fragebogen (den jeder ausfüllen muss) kreiert hat. Nachdem jeder einen Partner für den Versand bekommen hat, hat man einen Monat Zeit um das Tape zu gestalten und zu versenden. Diesen Monat habe ich für meine erste Teilnahme auch fast komplett gebraucht, da mit Weihnachten, Silvester und dem Jahresstart doch einiges anstand, wodurch ich erst dieses Wochenende dazu kam meinen Beitrag zu finalisieren. Ich muss aber auch sagen, dass ich die Arbeit daran etwas unterschätzt habe. Allein eine stimmige Songauswahl hinzubekommen ist gar nicht so einfach wie gedacht. Schwerer Death Doom mit brachialem Gewalt-Riffing wirkt möglicherweise etwas unpassend nach einer Runde atmosphärischem Post Black Metal. Außerdem schränken zu viele zehn-Minuten-Hymnen den eigenen Spielraum etwas ein und zusätzlich muss man auch noch aufpassen, dass am Ende nicht zu viel leeres Band übrig bleibt oder ein Song vorzeitig abgeschnitten wird. Nach etwas rumschieben hat sich dann bei mir Anfang Januar eine überraschend Black-Metal-lastige Playlist herauskristallisiert, was auch ein stückweit daran lag, dass die einzige Vorgabe, die ich von meinem Tauschpartner in Amerika bekommen habe, jene war, dass ich ihm zeigen soll, was ich so höre und man offen für alles sei. Ich hoffe die betreffende Person bereut ihre Aussage nicht nachträglich, wenn sie mein Mixtape erhält.
Kurze Anmerkung: Falls ihr die Musik des Tapes nebenbei selbst antesten wollt, dann könnt ihr euch hier die Playlist anhören.
Die A-Seite geht zumindest relativ gesittet los. DEATH IN ROME mit 'The Lighthouse' ist für mich der ideale Auftakt. Ein wenig Neofolk, der aber mit seinem epischen Charakter und breitwandigem Sound perfekt in eines meiner absoluten Lieblingslieder des Avantgarde-Black-Metal überleitet: 'Sybelius' von BLUT AUS NORD. Dieser Song hat eine geradezu hypnotische Wirkung auf mich und ist schwer mit Worten zu beschreiben, da mir keine Referenzen einfallen. Na klar, man könnte jetzt die Landsmänner von ALCEST ins Feld führen, aber auch die klingen in ihrer postrockigen, shoegazigen Herangehensweise wieder anders. Da ich ihren Song 'Protection' allerdings auch ziemlich stark finde, kommt der Song auch aufs Tape (auch wenn er nicht wirklich dem Black Metal zugeordnet werden kann, naja, bis auf ein, zwei Passagen vielleicht). Wie machen wir weiter? Vom Avantgarde-Pfad abweichen wollte ich auf jeden Fall nicht, aber dennoch sollte es wieder etwas härter werden. Da kam mir PORTA NIGRA eigentlich wie gerufen. Da deutsche Duo aus Rheinland-Pfalz hat zwar letztes Jahr erst ein neues Album auf den Markt gebracht ("Weltenende" - ein überragendes Teil!), aber ich hatte sie 2012 mit der wirklich starken Single 'Megalomaniac' kennengelernt und und verbinde damit entsprechend eine Menge. 2012 war auch das Jahr wo meine Begeisterung für NACHTMYSTIUM am höchsten gewesen ist und wahrscheinlich auch der Zenith der Popularität der unkonventioniellen US-Black-Metal-Kapelle überschritten wurde, immerhin ging es in den Jahren danach stetig bergab für Blake Judd und seine Projekte. 'I Wait In Hell' von "Silencing Machine" ist da heute leider nicht mehr eine Erinnerung an bessere Zeiten, auch wenn ich den Song immer noch sehr mag. Ebenfalls in den 2010ern verschwunden sind LIFELOVER. Das waren schon kauzige Typen, die vor allem Musik für Leute gemacht haben, die in erster Linie selbst damit kokettieren wollten wie kaputt und gestört sie doch sind. Dennoch kann ich mir ihr 2008er Album "Konkurs" auch heute noch gut anhören und der Song 'Brand' passt sehr gut zum Vibe des Mixtapes, in den ich mich unbewusst manövriert habe. Allerdings kann man sich auch nicht die ganze Zeit in Nostalgie suhlen, weswegen ich mit BLOEDMAAN meinem Newcomer 2023 ein wenig Tribut zollen möchte. Der Song 'Winged Flight Under The Pale Moon' ist gleichzeitig auch mein Lied des vergangenen Jahres und gehört in meinen Auge in jede gutsortierte Black-Metal-Playlist. Langsam neigt sich die A-Seite dem Ende entgegen. Deswegen noch mal ein Rückgriff ganz an den Anfang meiner persönlichen Entwicklung. Mit "Battles In The North" ging für mich die Reise zum Schwarzmetall los. Auch wenn ich das Album damals beim ersten Durchlauf grausam fand, hat es mich bis heute nicht losgelassen. Aus diesem Grund ist es auch nur logisch die erste Hälfte der MC mit 'Blashyrkh (Mighty Ravendark)" von IMMORTAL zu beenden. Wobei das so nicht richtig ist. Ich hatte euch ja weiter oben gesagt, dass jede Runde bei der Mixtape Exchange ein eigenes Motto hat und bei dieser Runde lautet das Motto "Secret Message", was ich über versteckte Einspieler am Ende jeder Kassettenseite umgesetzt habe. So endet Seite A mit einem Sample aus dem GUT-Song 'Chants From The Sex Dungeon', was im Detail die etwas klischeehafte Anrufung Satans in einer schwarzen Messe abbildet, zumindest wie man sie sich im Privatfernsehen vorstellen dürfte.
Für den Auftakt der B-Seite braucht es jetzt wieder natürlich etwas Bekömmliches. Wahrscheinlich wegen dem gemeinsamen Gig mit BLOOD FIRE DEATH vor ein paar Wochen kommt mir der Gedanke, dass BATHORY dafür perfekt geeignet ist. Zumindest wenn man an die epischen Tracks wie 'Hammerheart' denkt. Mir ist bis heute auch nie aufgefallen wie perfekt dieser Song für den Herr-der-Ringe-Soundtrack geeignet gewesen wäre. Diese Hymne kann ich natürlich nicht so stehen lassen. Denn wenn ich BATHORY sage, muss ich auch FALKENBACH sagen. Allerdings würde es den Übergang verhauen, wenn ich jetzt meine Lieblingssongs 'Galdralag' oder 'Skirnir' reinhaue. Ein guter Kompromiss bildet da 'Bluot fuer Bluot'. Denn mit seinem wachsenden Härtegrad leitet es gut zu einem echten Klassiker über: AMORPHIS mit 'Black Winter Day'! Das ist ein Song, den Old-School-Death- und Viking-Metaller gleichermaßen abfeiern können. Keine Ahnung, wie ich jetzt darauf komme UADA als nächstes in der Playlist zu veragumentieren. Wahrscheinlich passt 'Cult Of A Dying Sun' irgendwie symbolisch zu einem schwarzen Wintertag oder vielleicht wurde mir das Lied vom Algorithmus auch stumpf eingeprügelt, da es immer der nächste Song im Autoplay gewesen ist, wenn ich ein Album auf YouTube Music im letzten Jahr durchgehört habe. Allerdings ist der schwer atmosphärische Schwarzmetall der US-Amerikaner eine wunderbare Überleitung, um rüber zu ELLENDE zu wechseln. Eigentlich nimmt 'Weltennacht' mit seinen mehr als zehn Minuten Spielzeit zu viel Platz ein, aber es wäre auch kriminell einen so epochalen Track und zukünftigen Klassiker einfach auszulassen. Und wenn wir schon bei Hype-Bands sind (was das Motto des aktuellen Blocks zu sein scheint) dann müssen wir auch KËKHT ARÄKH Platz einräumen. 'Pale Swordsman' war 2022 quasi zu einem Meme geworden, hat das ukrainische Soloprojekt aber auch sehr schnell sehr bekannt werden lassen. In meinen Augen aber auch zu Recht, da Lieder wie 'Thorns' tatsächlich sehr gut ins Ohr gehen. Kommen wir zum Ende der Playlist und machen es kurz: dass 'Journey To The End' ans Ende muss, stand für mich von vornherein fest. Erstens weil WINDIR heute viel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt und das obwohl die Band maßgeblich zur stilistischen Selbstfindung des Viking Metal in Skandinavien beigetragen hat und zweitens weil der Name des Tracks quasi dafür gemacht wurde, um Mixtapes zu beenden. Außerdem ist der Stilbruch mit dem Trance-Part mitten im Song einfach zu großartig. Einen versteckten Rauswerfer habe ich natürlich auch auf Seite B eingefügt und analog zum Einstieg auf Seite A habe ich auch hier Neofolk gewählt, nur dieses Mal hab ich mir einen Song von CINEASTRE geschnappt, der ebenfalls mit einem schönen Sample aufwarten kann und sehr gut mit dem Oppenheimer Hype des letzten Jahres korrespondiert.
Die spannendste Frage hat sich dann allerdings im Nachgang gestellt: wie bekomme ich die Spuren jetzt überhaupt aufs Tape? Ich habe zwar einen Kassettenrecorder und der kann auch von SD-Karte und USB-Stick aufnehmen. Allerdings muss man trotzdem verschiedene
Dinge beachten. Wenn man nämlich einfach die Tracks hintereinander als einzelne Dateien draufhaut, dann kann es zu massiven Lautstärke-Unterschieden kommen und zwischen Songs können lange Pause entstehen, wenn die Intro und Outros künstlich in die Länge gezogen wurden. Also habe ich die Songs vorher mit einem Schnittprogramm normalisiert und so hinterander geschnitten, dass ein angenehmer Flow ensteht. Die Klangqualität beim Aufnehmen ist zwar am Ende ranziger als das digitale Vorbild, aber ich finde gewisse Black-Metal-Songs gewinnen gerade dadurch noch einmal deutlich an Charakter. Danach kommt die Gestaltung. Zuerst wird das Tape selbst bemalt, so dass man die Hinweise des Herstellers nicht mir mehr sehen kann (ich meine, das Auge hört ja mit). Das muss nicht mal perfekt aussehen. Gerade die etwas schiefen Bandlogos lassen es aussehen wie eine frühe Death-Metal-Demo, die eine Truppe Teenager Ende der Achtziger nach der Highschool eingeprügelt hat.
Bei der J-Card (also das Booklet der Kassette) hab ich für die Innenseite einen alten Totegehoert-Flyer zurecht gestutzt (davon hab ich noch einen ganzen Haufen hier) sowie die Tracklist eingeklebt und bei der Vorderseite... war ich ehrlicherweise ziemlich ratlos. Im Ernst, das war viel schwerer als erwartet. Ich wollte zwischenzeitlich (ähnlich wie bei meinen Thumbnails auf YouTube) auf KI-Bilder zugreifen, aber das war mir dann doch zu unpersönlich. Also habe ich versucht etwas zu basteln. Kam auf die Idee ein paar bunte Zettel an den Seiten anzukockeln, was mir die Bude gut zugestänkert hat. Danach habe ich die Überreste aufs Cover geklebt, wild drumherum gemalt und mich etwas treiben lassen. Herausgekommen ist ein etwas abtraktes Motiv, was mich an die vielen Absurditäten meiner infantilen Schaffensphase im Kunstunterricht erinnert hat. Anschlißend habe ich noch eine nette Notiz geschrieben, dazugelegt und gut verpackt. Dann konnte die MC auch schon auf die Reise gehen. Der Versand in die USA ist übrigens nicht ganz so günstig. Ich meine, man kennt es ja von Merchbestellungen in Amerika, aber man schaut trotzdem nicht schlecht wenn man fast 20 Euro für eine kleine Versandtasche zahlen muss. Allerdings bekomme ich ja umgekehrt dafür auch eine MC von jemand anders zugeschickt und ich bin gespannt, was mich da erwartet.
Schaut euch die Instagram-Seite von Mixtape Exchange an, wenn ihr neugierig geworden seid. Dort findet ihr alle Teilnahmebedingungen und Regeln, die man beachten muss, wenn man selbst aktiv werden will. Übrigens: wenn ich mein Tape im Austausch erhalten habe, dann zeige ich euch dies natürlich an enstprechender Stelle.
[Adrian]
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