Dienstag, 7. November 2023

CD-Review: Triste Tage "Und die Hörner des Sommers verstummten"

TRISTE TAGE heißt die Band, der wir uns zuwenden, und man kann es nicht verstecken. Bei diesem Projektnamen erwarte ich keine fröhliche Musik. Insbesondere weil auch der Name der Debütplatte "Und die Hörner des Sommers verstummten" wenig Optimismus verströmt - es sei denn man steht auf kurze Tage, Regenwetter und der Suche nach einem freien Termin zum Winterreifenwechsel oder kurzgesagt: man liebt den Herbst. Da dies wunderbar in die Jahreszeit passt, schauen wir uns gerne die vorliegende Promo an.
Auch wenn das Ein-Mann-Projekt mit knapp einem Jahr auf dem Buckel noch recht frisch ist, kann man den Mann dahinter kennen. Draugr aus Ostfriesland beglückt nämlich die Black-Metal-Szene bereits seit 2015 mit seiner anderen Band STORM KVLT, die aktuell auf Eis liegt. Hier bekommt man zwar auch schwarzes Metall geboten. Allerdings ist die Stimmung viel düsterer
und depressiver. Das Song-Tempo ist massivst niedriger und die Gitarren deutlich weniger aufbrausend. Das schlägt sich auch dahingehend nieder, dass es die fünf vorhandenen Kompositionen auf fast 40 Minuten Spielzeit bringen. Nichtsdestotrotz würde ich das Album weder im gerade so angesagten Post Black Metal noch im äußerst anstrengenden DSBM verordnen wollen. Denn dafür sind einerseits die Riffs zu klassisch und zu sehr im konventionellen Black-Metal-Kosmos verordnet und andererseits sind die Vocals kein nerviges Gejaule wie bei anderen Vertretern der depressiven Klangkunst. Hier bekommt man zum Beispiel auch immer wieder geflüsterte Passagen, die in gepresste Schreie münden. Das kann man so machen und passt auch weitestgehend sehr gut zur Stimmung, könnte aber in der Summe ruhig noch wütender und bissiger daherkommen. Versteht mich nicht falsch. Ich mag das Song Writing von Draugr sehr gerne. Besonders die cleanen, fast neofolkigen Einwürfe wie in 'Der herbstliche Garten' gefallen mir ausgesprochen gut. Jedoch kann ich nicht abstreiten, dass mir die Lieder teilweise etwas zu lang geworden sind. Die meisten Kompositionen hätten auch durchaus in fünf bis sechs Minuten auserzählt werden können. Auf der anderen Seite kann man auch argumentieren, dass eine leichte Monotonie hier zum Konzept gehören muss. Immerhin zeichnet sich das Wort Tristesse nicht dadurch aus, dass alle 20 Sekunden ein buntes Feuerwerk abgefeuert wird. Wenn man diesen Umstand in seine Erwartungshaltung einfließen lässt, kann man sich auch viel stärker auf die Songs einlassen. Denn auch wenn es immer mal wieder ganz subtile BPM-Ausreißer gibt, folgt man eigentlich immer der gleichen Marschrichtung.

Ob man diesen Ansatz aber wiederum feiert oder sich auf Dauer davon gelangweilt fühlt, muss jeder für sich selbst entscheiden. 
"Und die Hörner des Sommers verstummten"  ist kein Album, das euch an jeder Ecke mit Stilbrüchen und Aha-Momenten den eigenen Unteriefer aus den Angeln hebt. Man merkt hier relativ schnell womit man es zu tun hat und das ist auch gut so. TRISTE TAGE will ein Projekt sein, dass man nicht immer auflegen will, aber in den richtigen Momenten genau das sein kann, was man gerade benötigt. Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, dass man ruhig etwas mehr Abwechselung hätte einbauen dürfen und den Erwartungshorizont des Hörers auch gerne hätte mehr herausfordern sollen. So bleibt es bei einem ordentlichen Debüt, das aber hinter seinem persönlichen Potenzial zurückbleibt. Ich bin aber überzeugt, dass Draugr, wenn er am Ball bleibt, noch größeres abliefern wird. Immerhin hat sein 2022er Release mit STORM KVLT gezeigt, wie viel Talent als Musiker in ihm steckt. Zum aktuellen Zeitpunkt empfehle ich diesen Dreher vorrangig Depressive-BM-Fans, die sich sonst in Platten von HORN und WALDGEFLÜSTER wiederfinden. 
Seit 23. September 2023 gibt es die CD und den Download direkt auf Bandcamp.

7 von 10 Punkten

[Adrian]
  

 

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