Sonntag, 26. November 2023

Black Metal ist wieder in aller Munde (...und es ist schrecklich) - ein Gastbeitrag von Host of Cinder

Die folgende Kolumne ist ein Meinungsbeitrag von Gastautor Host of Cinder. Es handelt sich dabei um einen schwarzmetallischen Rundumschlag, der verschiedene Bands und Aktuere behandelt. Ich möchte vorneweg ganz klar betonen, dass die dargestellten Einstellungen und Ansichten dem Autor allein zu zuordnen sind. Die Sichtweisen der Redaktion können und weichen in einigen Punkten davon ab. Teilweise deutlich. Dennoch halten wir es für wichtig unterschiedliche Meinungen abzubilden, um eine vollständige Diskussion führen zu können. Es finden sich entsprechende Anmerkungen der Redaktion im Fließtext, die als solche gekennzeichnet sind, auch die Verlinkungen sowie die Bilder samt unterschriften stammen ebenfalls von der Redaktion. Damit sind alle Disclaimer disclaimed - viel Spaß mit der Kolumne!

In vergangenen Kolumnen hat man durchaus mitbekommen, dass ich Black Metal beschütze wie eine Bärenmutter ihre Küken (ob Black Metal das nötig hat, sei mal dahingestellt). Dabei bin ich hier und da auch immer etwas über die Grenze des Schreibbaren gewandert, weil ich mein Blatt vor dem Mund schon lange in den Schredder gelegt habe. Ich versuche trotzdem, weitestgehend objektiv, fair und offen zu sein. Nicht immer gelingt mir das, nicht immer soll das gelingen. Das Thema für diese Kolumne ist auch wieder so ein Thema, bei dem ich wochenlange Monologe darüber halten könnte, was mir alles Schmerzen bereitet. Ganz ehrlich, ich mache das hier nicht gerne. Eigentlich möchte ich Kolumnen schreiben, in denen ich etwas betrachte, was mich erfreut oder andere erfreuen könnte. Stattdessen sitze ich hier herum und muss mich mit etwaigen Auswüchsen befassen, die man eigentlich ignorieren sollte - ich aber nicht kann. Mein innerlicher Drang nach Wohlbefinden zwingt mich, mir die Seele frei zu schreiben. Dinge wurden gesagt, die ich so nicht stehen lassen möchte und für die eine YouTube Kommentarspalte nicht angebracht ist. Nur um das aber vorweg zu nehmen, alles was hier in den nächsten Zeilen steht, ist kein persönlicher Angriff auf die Protagonisten. Es ist eher die Beschreibung eines Symptoms, das schlussendlich zu einer Krankheit führt, die man schon im Frühstadium behandeln muss. Auch wenn man vielleicht den "Point of No Return" bereits verlassen hat. Nach diesem pessimistischen Intro steigen wir in die Vollen und machen uns auf in Richtung: Black Metal und das Gedanken-Proletariat (die Römer, nicht die Marxisten).

BLACK METAL IST WIEDER IN ALLER MUNDE. UND DAS IST SCHRECKLICH

Ein paar Leser von Euch können sich wahrscheinlich denken, dass Adrian und ich ganz gut miteinander auskommen. Wir kennen uns schon eine Weile und haben eigentlich immer Spaß miteinander zu plaudern, zu lästern und zu diskutieren - alles ganz normal. Dadurch bekomme ich auch mit, wenn Adrian wieder irgendwo als Gast unterwegs ist. Weswegen ich auch den aktuellen Podcast von IG Rock mitbekommen habe. Ein Satz aus den Stunden des Laberns ist mir hängen geblieben: Metal ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Für mich ist das ein interessanter Gedankengang. Metal wurde spätestens 1991 in den Mainstream eingeführt, mit der Veröffentlichung von "Metallica", dem selbstbetitelten Album von, naja,  METALLICA eben. (Im Übrigen: Ich finde es lustig, dass sich der Fan-Titel des Albums "The Black Album" inzwischen sogar auf die Band selbst übertragen hat, die ihr 5. Studioalbum ebenfalls nur noch so nennen, auch ganz offiziell). Aber dieser Moment hat dazu geführt, dass Metal (fernab von Haarspray) radiotauglich geworden ist und bleiben wird. Mitte der 90er ist dann alles durch die Große Welle an Grunge in eine andere Richtung geschwappt, um dann Ende der 90er und Anfang des neuen Jahrtausends so richtig mit Nu-Metal in ganz andere Gefilde zu fließen. Soweit, so bekannt. Und während METALLICA genau zu dieser Zeit ihre eigenen, ganz persönlichen Krisen erlebten, die dann 2003 in "St. Anger" münden sollten, haben KORN, LIMP BIZKIT & Co. den Ton der damaligen MTV-Generation angegeben. Black Metal war für diese Generation gar kein Begriff. Es ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass selbst Anfang der 2000er Black Metal zu Großteilen noch komplett im Underground stattfand. Man hat nur wenige Ausreißer, die tatsächlich bis an die Oberfläche gekommen sind. Für Black Metal war das alles nichts besonderes, die Kult-Bands waren sowieso jedem bekannt, und die Bands, die wirklich groß wurden, haben das oft im Austausch mit Authentizität getan, gewannen MTV-Generation-Fans und verloren Black-Metal-Fans. Neu war und ist, wenn pure Black-Metal-Bands aus ganz eigenem Antrieb mehr erreichen, als nur den harten Kern. MGLA sind da für mich immer ein schönes Beispiel, da ich diese Band seit ihrer Demo "Presence" kenne und verfolge, und fasziniert davon bin, dass man ihre

Was die erwartete Reaktion
provoziert hat

Konzerte inzwischen auf Arte findet [Anmerkung der Redaktion: oder auch nicht mehr]. Dabei haben sich MGLA niemals versteckt, außer hinter ihren Masken. Sie versuchen erst gar nicht, eine Musik zu kreieren, die der Masse gefallen könnte. Ihr gesamtes Auftreten, die Art ihre Musik zu spielen, die Produktion und Texte sind alles, aber nicht massentauglich. Daher bin ich immer wieder überrascht, welchen Nerv gerade diese Band getroffen haben muss, um so einen starken Einfluss in die gesamte extreme Szene zu tragen. Dabei muss man hier wieder die Frage stellen, ob zuerst das Ei oder die Schildkröte da war. Die Polen haben im Grund gar nicht viel Neues gemacht. Bands mit Masken gab es vorher auch schon, genau wie atmosphärische Klänge, die das Gesamtkonstrukt einer Band fast vollständig aufsaugen. Monotone Songs, die aber trotzdem einen so packenden "Hook" haben, dass sie den Hörer wirklich wie einen Fisch an der Leine durch die wabernde Musik zieht. Aber MGLA haben es populär gemacht. So populär, dass sich in der Szene das geflügelte Wort "Mgla-Worship" etabliert hat, um eine Band entweder mit Respekt oder Ablehnung zu bewerten, wenn dort Männer (oder Frauen?) mit vollständigen Gesichtssocken auf der Bühne stehen und einem monotone, atmosphärische aber brachiale Musik um die Ohren hauen. Es zeigt auch, dass Black Metal massentauglich sein kann - wenn sich die Masse darauf einlässt. Gut, zugegeben, "die Masse" ist auch etwas weit hergeholt. Meine Nachbarn werden sicherlich nicht urplötzlich anfangen DARKTHRONE zu hören.

Die Menschen, denen ich morgens auf dem Weg zur Arbeit in Bus & Bahn begegne, werden nicht erfreut sein, wenn ich sie mit irgendeiner Demo, irgendeiner finnischen Black Metal-Band nerve. Diese Art der Masse ist und bleibt unempfänglich für so harte Musik. Aber die Masse der Metal-Fans hat Black Metal definitiv erreicht. Inzwischen sieht und hört man Bands aus diesem Genre überall. In jedem Magazin, auf jeder Plattform, Festivals, Konzerte, bis hin zur Kutte oder einem Aufkleber auf dem Auto. Ich beobachte diesen Trend seit Jahren mit ständigem Argwohn. Black Metal ist dort angekommen, wo diese Musik nicht hin gehört und ich weiß nicht, ob das wieder rückgängig gemacht werden kann. Das Mysterium des Aussterbens von Black Metal, wenn nicht jetzt neues Publikum gefunden werden kann, ist völliger Humbug. Ein Genres, das sich durch eine Verteilung von 95% zu 5% durchgängig seit der tatsächlichen Geburt in den frühen 90ern selbst getragen hat, stirbt nicht mal eben so aus, weil das irgendwer in der Masse behauptet. Es sterben sicherlich Bands oder Interessen an bestimmten Magazinen oder Festivals, aber das Interesse an Black Metal ist nie gestorben oder war auch nur im Ansatz in Gefahr. Das gebetsmühlenartige Wiederkäuen von der Behauptung, Black Metal sei der Verdammnis nahe, wenn man keine neuen Zielgruppen erschließt, ist höchst spekulativ oder einfach frei erfunden. Tatsächlich könnte man eher zu dem Schluss kommen, Black Metal verliert Ästhetik, Gesicht, Kultur und Attitüde, eben weil man sich neue Zielgruppen eröffnet hat. Nicht selten sind Unterhaltungen unter Untergrund-Gnomen der Szene gefüllt mit dem Wunsch nach mehr Kontroverse, mehr Rückgrat zum Mittelfinger, mehr Black Metal im Black Metal-Kosmos. Nachvollziehen kann ich das sehr gut, und finde es auch Schade, wenn genau diese Gnome dann zu alteingesessenen Bands zurückgreifen müssen, um sich ihre Attitüde abzuholen, weil neue Bands das nicht mehr wollen und lieber ihre Zielgruppe im Safe-Space Streichelzoo abholen möchten, aber vorher darf man noch einmal ins Bällebad - Juche! Es tut mir sehr leid (nein, tut es mir nicht) die Safe-Space Blase platzen lassen zu müssen, lieber männlichgelesener Cis-Hetero Björn-Malte der nicht weiß, was er mit seinem Gender Studies Abschluss nun arbeiten soll, um sich seine Glutenfreien Brötchen zu kaufen, dein Wunsch nach Wohlsein im Black Metal, kann nicht erfüllt werden. Entweder lebst du Black Metal mit all seinen Auswüchsen, oder dieser doch etwas in die Jahre gekommene Panzer wird dich schlicht überrollen - und das zu Recht. 

WANN KOMMT DIE FLUT? - SIE IST SCHON DA!

Ob ein Genre im Volksmund angekommen ist, lässt sich meiner Meinung nach ganz gut dadurch bewerten, wie neue Medien damit umgehen. Das Neuland namens "Internet" ist wohl die wichtigste Errungenschaft für Medien auf der ganzen Welt. Zumindest in der Neuzeit, ich möchte dem Buchdruck hier nicht seine Würde nehmen. Die vielschichtige Vielseitigkeit des Internets hat einigen neuen Plattformen Platz geboten, Musik unter das Volk zu bringen. Auch hat es dazu geführt, dass man Musik generell anders begegnet. Das Hören von Musik ist so schnelllebig geworden, wie das Leben selbst auch. Hat man den einen Song gerade verinnerlicht, hat man die letzten 15 verpasst. Die Flut der Veröffentlichungen im Metal ist so stark in die Höhe geschnellt, dass niemand dem allem mehr folgen kann. Ganze YouTube-Kanäle haben sich einem einzigen Genres verschrieben, und es werden dort täglich etliche neue Alben, Demos oder EPs hinzugefügt. Dabei die Spreu vom Hopfen zu trennen, ist schier unmöglich. Nur sehr wenige schaffen es, einen gewissen Überblick zu behalten. Viele (ich auch) haben sich

Quelle: Metal Archives

irgendwann darauf verständigt, nicht mehr allem zu folgen, nicht mehr alles zu hören. Schuster, bleib bei deinen Pinseln, ist da zur Pflicht geworden. Auch schade, oder? Vielleicht verpasst man dadurch seine neue Lieblingsband. Anders gesehen könnte man sagen, der Underground hatte es nie einfacher. Man hat mannigfaltige Möglichkeiten, seine Musik zur Verfügung zu stellen, den zukünftigen Fans eine CD aufs Auge zu drücken, und vielleicht sogar noch das ein oder andere Ticket zum Konzert. Die meisten Bands bieten ihre Musik fast überall an, YouTube, Spotify, Bandcamp usw. sind Plattformen, die ständig dabei erwähnt und verlinkt werden. Es liegt letztendlich nur noch an den Bands selber, ob man den richtigen Weg wählt, gehört zu werden. Aber was ist der richtige Weg, wenn man schon jede erdenkliche Lücke des Angebots geschlossen hat? Nun, man kann ja noch so weit gehen und sich breit machen in dem Überangebot an Metal-Podcasts. Da kann man dann für unendlich lange Minuten seine Wort- und Gedankengülle den nichtsahnenden Zuhörern in die Gehörgänge stopfen. Genau das passierte mir, und war eigentlich der Antrieb zu diesem ganzen Wort Genuss meinerseits. Und zu diesem Abenteuer, lade ich euch ein. Kommt mit und erlebt das fröhliche Kotzen.

 

DER TON MACHT DAS GEFÄẞ 

Woran ich ebenfalls merke, dass Black Metal mehr und mehr im Rampenlicht bei der MetalHead-Masse angekommen ist? Jeder Volltrottel hat eine Black Metal-Band. Es gab mal eine Zeit, in der man harte Musik machen wollte, um kontrovers zu sein. Und wenn man kein Instrument spielen konnte, hat man eben Punk gemacht. Heute macht

man deswegen Black Metal. Obwohl, nicht so ganz, weil das Kontrovers ausgetauscht wurde gegen beliebig, unkreativ, langweilig. Dass man Musik machen will, ohne Ahnung davon zu haben, davon können viele ein oder zwei Lieder singen - ich ebenfalls. Was musste ich mir für schlimme Kritiken meiner früheren Bands abholen. Egal ob alleine oder mit anderen, ich lief ganz oft gegen eine Kritik-Wand. Teils auch sehr berechtigt, wenn ich daran zurückdenke. Aber um mich soll es hier gar nicht gehen, meine ganzen Verfehlungen sind auch gar nicht mehr Online (oder in meinem Besitz). Vielmehr geht es um das projizierte Selbstbild, das manche Bands von sich haben. Und wie sie die Ideen und Einflüsse umsetzen, die sie haben. Dafür bediene ich mich bei bereits angesprochenen One-Man-Band ROBUR und einer weiteren Gastband im Podcast von Gift und Galle, ANAPHYLAXIE.

Zu ROBUR habe ich keine weiteren Informationen, die ich euch mitteilen könnte. Außer der Gift- und Galle-Podcast Folge, aber ich werde nicht so viel Lebenszeit verstreichen lassen, um auch nur den absoluten Standard an Informationen zu bekommen. Ich weiß, es ist eine Ein-Mann Black Metal-Band, ich weiß, das eine einzige Mitglied ist mit Glied, und das war es dann auch schon. Keine Ahnung woher genau aus Deutschland ROBUR ist, keine Hintergrundinformationen konnte ich irgendwo herausfinden. Künstlernamen? Nichts. Es gibt einen YouTube Kanal und einen Instagram Account. Also muss ich mich mit dem begnügen, und da ich selbst kein Instagram nutze, werde ich mich auf YouTube beschränken. Dort finden sich 4 hochgeladene Videos zu 4 Songs. Einfachheit halber werde ich diese 4 Uploads zu einer spontanen Online-EP zusammenfügen, damit ich nicht über jeden Song im einzelnen sprechen muss. 


Potential ist gegeben, aber leider nur bei einem einzigen Song. Und 25% Potential sind mir zu wenig, um hier wirklich unterm Strich positiv was dazu zu sagen. Im Groben erinnere ich mich bei seinen Songs an meine ersten Gehversuche mit meiner Gitarre, nachdem ich das Teil mit 6 Saiten seit ca. 1,5 / 2 Jahren in der Hand hielt. So ganz genau kann ich mich an meine ersten eigenen Homerecording Demos nicht mehr erinnern, das liegt jetzt auch schon 20 Jahre zurück, aber die Fähigkeiten lagen ungefähr im gleichen Bereich. Da muss noch sehr sehr viel getan werden, um wirklich mit anderen Ein-Mann-Black-Metal-Bands mithalten zu können. Das Schlimmste an den vier Songs sind aber die Drums. Eindeutig programmiert, normalerweise kein Problem, machen viele (neue) Bands, zuletzt auch UNHALLOWED. Aber die Drums bei ROBUR sind so unfassbar schlecht und eintönig, dass ich stark dazu neige hier zu glauben, es handelt sich um irgendwelche billigen Midi-Drums Marke GuitarPro oder ähnlichem. Ich meine, ich kann auch weder Schlagzeug spielen noch irgendwelche Loops programmieren. Wenn ich aber in der Lage wäre das zu müssen, würde ich mir professionelle Hilfe holen. Da greift man zwar mitunter tief in die eigene Tasche, aber das Ergebnis ist wesentlich besser und überzeugender. Bei ROBUR muss noch einiges passieren, bis hier wirklich Musik entsteht, die irgendwie im deutschen Black Metal Fuß fassen kann. Aber wie gesagt, ein Song von 4 der Potential birgt, dass man ausschöpfen könnte, ist letztendlich auch keine gute Bilanz. Ich schlage ROBUR vor, sich mit seinem Instrument, den Möglichkeiten von Home-Recording und seinem Equipment noch mal genauer auseinanderzusetzen und einen Plan auszuarbeiten, wo er eigentlich musikalisch hin möchte und wie man das erreichen kann. So eine Reise dauert tatsächlich manchmal ziemlich lange, aber notwendig ist es allemal, sonst versinkt man in der pechschwarzen, öligen Masse von deutschem Black Metal Liedgut. 

ANAPHYLAXIE war mir, genau wie ROBUR, vor den Podcasts absolut kein Begriff. Weder als Band noch als Diagnose. Dafür finden sich genug Informationen zu ANAPHYLAXIE mit denen ich etwas anfangen kann. Mich erstaunt es zu sehen, dass die Gründung der Band bereits 2014 stattfand. Aus dem Podcast erfahre ich dann noch, dass die Band inzwischen 3 Gitarristen hat, von denen auch einer am Mikrofon steht, Schlagzeuger (Gott sei Dank) und einen Bassisten. Außerdem kann man sehr einfach an die Musik von ANAPHYLAXIE kommen, weil die Nürnberger eine Website haben, auf der alles verlinkt ist, auch Bandcamp. So gefällt mir das. Ich habe mir also hier die Mühe gemacht, Podcasts & Musik anzuhören, und die Parallelen gesucht. Es wird also ein kleiner Mix aus gesagtem und gespielten. Ich werde natürlich trotzdem versuchen, euch hier an die Hand zu nehmen, damit nicht alles Wirr durch den Raum fliegt. 

Wie schon angerissen, war es mir wichtig zu ergründen, ob die Einflüsse der Bands das Ergebnis widerspiegeln. Einflüsse spielen letztendlich eine sehr große Rolle und können abwechslungsreich umgesetzt werden. ANAPHYLAXIE nehmen hierfür zwei ganz extreme Auswüchse: die frühen 90er und die Postmoderne. Für mich beißen sich diese beiden Prinzipien immer miteinander. Dass der postmoderne Black Metal in Namen und Ausführung oft dafür steht, die Traditionen des Black Metal aufzulösen und als gescheitert zu betrachten, liegt beim Genres Namen Post-Black Metal, und manchen Aussagen der Vertreter des Ganzen, deutlich auf der Hand. Nihilismus, Misanthropie, Anti-Religiös, Hass, Krieg - Alles doof. Weswegen ich es eigentlich für ungeeignet halte, die Postmoderne mit der Gurke allen Übels (also den frühen 90ern der 2. Welle) zu vermischen. Interessant sind auch die Nennungen der einzelnen Bandmitglieder von ANAPHYLAXIE. Es reicht von DER WEG EINER FREIHEIT bis hin zu DEATHSPELL OMEGA. Wobei bei letzteren die
Phase ab dem Einstieg von Mikko Aspa gemeint ist, also alles ab "Si Monvmentvm Reqvires, Circvmspice".

Aber wie sieht es denn nun aus mit der Musik von ANAPHYLAXIE? Auf deren Veröffentlichungen kann ich keine dieser Einflüsse irgendwo erkennen. Na gut, eine Ausnahme kann ich machen, denn die frühen 90er sind tatsächlich etwas vorhanden. So im Stil von frühen MAYHEM- oder BURZUM-Demos. Ob das jetzt was Positives oder Negatives ist, muss jeder für sich selbst beantworten. Aber nach fast 10 Jahren Bandgeschichte, erwarte ich einfach mehr als das. Was ich auch mehr erwartet habe, war eine eigene Identität, gefunden habe ich nämlich gar keine. Nach fast 10 Jahren Bandgeschichte ist man sich zum Beispiel kein bisschen sicher, wie man sich auf der Bühne geben will. In Kutten und Masken der Pestdoktoren, Gesichtssocken oder Corpsepaint. Was ich wirklich seltsam fand, war, dass der Trend von den Gesichtsmasken, die das ganze Gesicht verdecken, hier irgendwie eine neue Entdeckung gewesen zu sein scheint. Das Thema wurde aufgegriffen, als wäre das quasi gerade erst in der Szene etabliert worden. Spontan fallen mir ein, MGLA, GAEREA, KANONENFIEBER,
GAEREA - Symbolbild

BATUSHKA, GROZA, UADA - alle diese Bands verschleiern ihr Gesicht auf irgendeine Art und Weise vollständig. Der Gedankengang, auch nur wieder eine dieser Bands zu sein, erschließt sich mir nicht. Zumal dieses Mysterium nur solange wirkt, bis man die Gesichter dahinter kennt. Und bitte tut mir den Gefallen, das nicht mit Corpsepaint zu vergleichen [Anmerkung der Redaktion: der Gedanke kam mir tatsächlich kurz]. Das eine ist ein Trend, das andere eine Tradition. Ich hoffe, der Unterschied ist klar und deutlich erkennbar. Was aus dem Podcast auch erfährt, ist, dass die Songs auf dem Debüt-Album "Pyre" Seit 2015/16 existieren oder man seitdem an den Songs gearbeitet hat. Wenn man zwischen 6 und 7 Jahren bis zur Veröffentlichung an Songs arbeitet, hätte man sich da nicht dann auch etwas mehr Mühe geben können? Denn die Ausführung von "Pyre" ist ebenso wirr und nicht zu Ende gedacht, wie das Bühnenoutfit. Der Mix von "Pyre" ist ziemlich grausig, nichts passt zusammen.
Das erwähnte Bühnenoutfit

Es wirkt, als wären alle Instrumente + Vocals einfach in eine Monospur kopiert worden und fertig. Oft hört man irgendein Instrument gar nicht, oder alles geht unter im ebenfalls überhaupt nicht gut abgemischten Hall. Für drei Gitarristen, klingt das auch alles verdammt dünn und ohne Spannungsbogen (obwohl ich mir nicht mal sicher bin, ob auf dem Album wirklich drei Gitarren zu hören sind). Und das, was auf dem Album wahrscheinlich Melodie darstellen soll, wenn zwei Gitarren sich aufteilen zwischen Lead und Rhythmus, klingt eher so, als wenn man versucht, zwei verstimmte Gitarren trotzdem harmonisch miteinander zu verbinden. Keine Ahnung woher die Idee kommt, Melodien im Black Metal müssen immer und ausschließlich die schrecklichste Kakophonie erzeugen. Und wenn das ein Wink an die Disharmonie-Meister von DEATHSPELL OMEGA sein sollte, dann würde ich persönlich nach so einer Veröffentlichung nie wieder nach Frankreich reisen - nur zur Sicherheit. Das Schlimmste sind aber die Vocals. Den Mix muss ich ja nicht mehr ansprechen, aber der Sänger weiß keineswegs, was er da macht. Es ist einfaches rum gekreische, ohne irgendeine Variation. Alles, was er macht, klingt exakt gleich. Dass die Vocals ebenfalls ein weiteres Instrument darstellen, wurde hier offensichtlich vergessen. Aber um trotzdem noch etwas Positives zu sagen: vereinzelt finden sich auch hier Versatzstücke, aus denen sich was machen lässt. Einige Keyboardpassagen lockern das ganze immer etwas auf, auch ist nicht jede Melodie im Kakophonie-Abgrund zu finden. Aber das reicht nicht aus. Hier hätte man sich viel mehr Zeit nehmen müssen, besonders um einen eigenen Weg zu finden. Denn genau wie bei ROBUR wissen ANAPHYLAXIE, glaube ich, nicht, wo sie eigentlich hin möchten oder gehören. Zu viele Köche verderben den Pudding, und zu viele Einflüsse ebenfalls. Dabei will ich nicht sagen, dass man sich von irgendwelchen Mitgliedern trennen sollte, sondern, dass man einen Fokus finden sollte. Ein roter Faden, an dem man seine weitere Karriere binden kann. Noch mal darüber nachdenken, ob das wirklich das richtige Genres für einen ist. Und wenn ja, ob es dem gerecht wird, was man da macht. 

ALLER ENDE IST SCHWER

Was mache ich jetzt aus all dem? Ich wurde nur wieder in meiner Meinung bestärkt, dass Black Metal gesundschrumpfen muss. Weniger Bands, weniger Alben, und auch weniger Publikum. Die Schwämme an


Touristen fügen dem ganzen inzwischen einen immensen Schaden zu. Und wenn ich dann wieder Artikel lese, in denen groß postuliert wird, dass Black Metal zu viel Menschenhass verbreitet und man dieses Genre übernehmen muss, um es zu vernichten und es als Regenbogen- oder Queer-Black Metal widerzubeleben, weiß ich wieder, warum man in Norwegen Kirchen angezündet hat. Ja, Black Metal hat seine Grenzen - mehr oder weniger freiwillig - geöffnet. Das bedeutet aber nicht, dass die Musik-Migranten und -Touristen hier irgendeine fröhliche Willkommenskultur erwarten können. Ihr wollt hier dabei sein? Jo, ist in Ordnung, aber dann müsst ihr auch nach unseren Regeln spielen. Wenn euch das nicht passt, geht da drüben hin, da wo "Post-" drüber steht. Ihr wisst schon, da wo der Safe Space eröffnet wurde, Männer mit Dutt und Flanellhemd an einem Infostand stehen für alle, die sich getriggert fühlen, weil ein "weißer Cis Hater" einen Burzum Patch auf der Kutte hat. Man hat sogar extra Regenbogenflaggen mit SS-Totenkopf - ach ne Moment, das waren ja die Nazis vom Neo-Folk Festival.
Neofolk-Band DEATH IN JUNE auf der Bühne

[Anmerkung der Redaktion: Die Symbolik im Neofolk ist bewusst mehrdeutig und oft genug nicht im rechtsextremen Spektrum verordnet, auch wenn es durchaus Probleme mit Unterwanderung gibt] Sorry, ich verwechsel so leicht, wer das aktuelle Feindbild ist, das es euch einfacher macht, sich nicht um tatsächliche Probleme zu kümmern. Gegen echte Nazis zu sein, irgendwo tatsächlich Flüchtlingen in Not zu helfen, oder Veranstaltungen oder Einrichtungen zu unterstützen, die das alles machen. Nee nee, die Black Metal-Szene mit ihrer Menschenfeindlichkeit ist ja viel schlimmer. Ja, das ganze klingt wie eine Metapher der heutigen Debattenkultur um Flüchtlinge, Nazis und Krieg. Ich habe natürlich extra genau diesen Punkt gewählt, um noch mehr anzuecken, noch tiefer meinen Mittelfinger in eure Wunden zu drücken. Dieses Fazit ist reine Provokation, speziell nur für euch. Und ich hoffe so sehr, dass ihr euch davon so richtig triggern lasst. Denn ich habe keinen Bock mehr, meinen Mittelfinger in der Hosentasche zu verstecken. Black Metal ist Hass, wunderbar dargelegt in Musik zwischen Wahn und Sinn. Harmonie trifft Boshaftigkeit, Dunkelheit trifft Trauer. Make Black Metal Hateful Again. 

Und ein ganz netter Gruß geht auch an alle Touristen mit Sea Shepherd Aufnäher, SABATON-Shirt und Kinderschminke. Was wollt ihr eigentlich? Sind wir irgendwie so eine Art Zoo? Nur weil man uns als Pandabären
bezeichnet (HA HA! WIE LUSTIG!), brauchen wir noch lange nicht eure Wacken-Visagen in unserem Gehege. Es mag komisch klingen, aber denkt ihr, dass es vielleicht Gründe dafür gibt, warum sich Black Metal von der "großen Metal Familie" abgespalten hat? Wer uns jahrelang auslacht, anspuckt, um dann an unsere Tür zu klopfen weil es Hipp geworden ist Black Metal zu hören, und zu erwarten, dass man den roten Teppich ausrollt, damit ihr dann unsere gesamte Einrichtung kaputt machen könnt, braucht sich über Ablehnung nicht wundern. Nicht wir müssen unsere Grenzen aufweichen, nicht unsere Einstellung ändern, nicht unseren Horizont erweitern. So funktioniert das nicht. Black Metal soll Teil deiner Musikwelt werden? Ok, aber dann mach dich auf einen Sturm gefasst, der schon viele zum Kentern brachte. Gib dir mehr Mühe, mach dich mit Geschichte, Attitüde, Bands und den Menschen hinter der Szene vertraut, dann hast du einen guten Start. Jeder wird im Black Metal willkommen geheißen, solange man es ernst meint und ernst nimmt. Alles andere ist egal: Herkunft, Geschlecht, Sexualität, Sprache, Ethnie, und vieles andere wird vollkommen ignoriert. Und wer nicht begreifen will, dass Misanthrope und Nihilismus mit dem Hang zum Hass für jedwede Religion der Welt den Antrieb für Black Metal darstellen, der ist hier falsch.

Und liebe Bands da draußen, die sich unserer Kultur bedienen, sich aneignen und dann mit Füßen treten, ihr seid noch die schlimmsten unter all diesen. Wer hat euch eigentlich eingeredet, dass Black Metal jetzt unbedingt ausgeschlachtet werden sollte? Warum ignoriert ihr offensichtlich, was Black Metal ausmacht, und verwässert damit das ganze Genres? Black Metal ist tot? Nein, ihr bringt es um. Und ich glaube inzwischen, dass das bei vielen ganz bewusst passiert. Und alles, was ihr erreicht, ist, dass Gatekeeping weiterhin ein essenzielles Element der Black Metal Szene sein muss. Darum muss man Black Metal erst begreifen, bevor man zu einem Instrument greift. Ich habe diese Erfahrung auch machen müssen. Und ich weigere mich, es anderen leichter zu machen. Ich kann mich auch schwer dazu zwingen, es Bands abzunehmen, man würde Black Metal mögen, und dann aber gleichzeitig Musik machen, die alles an diesem Genres ignoriert, ins Lächerliche zieht oder direkt kaputt machen will. [Anmerkung der Redaktion: ich möchte den letzten Satz auch auf diejenigen beziehen, die Black Metal nur mit dem Ziel machen ihn völkisch und identitär zu unterwandern - dafür ist ebenfalls kein Platz]

Nein, auf Versöhnung habe ich keinen Bock mehr. Ihr habt euch und uns diesen Eintopf selber eingebracht, aber ich löffel den nicht aus. Und darum ist mein Vorschlag auch: Gesundschrumpfen, Türen zunageln, mit Hass ins Mikrofon kreischen, Kirchen anzünden. 

In diesem Sinne, Fuck Off. 

[Host of Cinder]




4 Kommentare:

  1. Er hätte auch einfach einen Beitrag bei der IG Rock abliefern können... Ich musste stellenweise doch arg schmunzeln, aber größtenteils dem guten Host zustimmen.

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  2. Horst of Tinder, wann haste denn mal Zeit und lust? Liebe Grüße, dein Chris

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  3. Vielleicht bin ich da zu optimistisch, aber ich denke dass Black Metal im Kern sicher vor dieser Art Unterwanderung ist. Ja klar, egal wo man hinsieht, alles muss zugänglich für jeden gemacht werden, jeder muss mit offnen Armen aufgenommen und gekuschelt werden, und wehe wenn sich jemand angegriffen fühlt. Aber Black Metal ist inherent anti. Black Metal soll nicht positiv sein. Black Metal ist nicht für jeden. Und wer damit nicht klar kommt bleibt auch nicht freiwillig. Natürlich gibt es mehr als genug "woke" politisch korrekte Aktivisten, die versuchen das Genre nach ihrem Sinne zu ändern, aber was wollen die bitte machen wenn man dem nicht nachkommt? Hier kann man niemanden zu einer öffentlichen Entschuldigung für etwaige Aussagen zwingen, hier gibt es nichts zu canceln. Dass es mehr als genug Bands mit fragwürdigen Hintergründen gibt ist uns doch allen klar und wir hören die Musik trotzdem. Da verliert keiner tausende von Anhängern oder seine Label, nur weil irgendein Pseudoaktivisten-Verbund etwas aus der Vergangenheit eines Bandmitglieds rausgekramt hat. Insofern funktioniert das bewährte Druckmittel, nämlich einen öffentlichen Aufschrei zu erzeugen, nicht. Black Metal ist Untergrund, Black Metal braucht keine Massen an Fans. Sollen die ihre Musik also Black Metal nennen oder Mgla Patches mit Sabaton Shirts kombinieren. Sollen sie halt nach Diversität und Inklusion schreien. Solange wir diesen Leuten sagen "nein, du gehörst nicht dazu", solange wir eine Grenze ziehen ohne uns vom Geschrei beeindrucken zu lassen, solange können diese Leute nichts machen. Kurz: Solange wir an sinnvoller Stelle Gatekeeping betreiben, bleibt Black Metal auch Black Metal

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  4. Kann hier auch weitgehend zustimmen, auch wenn ich das tatsächlich alles entspannter betrachte. Die Trottel die versuchen Black Metal "interessanter" zu machen, aber nur im Sinne sich vom Genre selbst zu distanzieren, mögen halt keinen Black Metal, Punkt. Sicherlich kann man Black Metal in irgendeiner Form weiterentwickeln, bspw. Funeral Mist, aber wer meint es müsste irgendwie "menschlicher" werden, der ignoriert das wofür Black Metal steht. Ich hätte zwar auch kein Problem zu sagen, wie ich politisch ticke (egal ob ich links oder rechts wäre), aber im Black Metal geht es um Black Metal, bzw. um gewisse Themen, die jeder kennen sollte. Jede Band hat da ihren Schwerpunkt. Aber von einer Black Metal-Band will ich nicht hören: "Wie machen wir die Gesellschaft besser." Das ist kein Musikprojekt für einen SPD-Ortsverband, Black Metal hat verdammt nochmal nichts mit der normalen Welt zu tun, so sehe ich das. Jeder Mensch kann sich in seinem Privatleben für dieses oder jenes einsetzen, no Problem, aber bitte bringe das nicht in diese Musik. Musikalisch bin ich da auch eher konservativ eingestellt, einfach weil ich der Meinung bin bestimmte Musikgenres sind nun mal definiert und da gibt es einen gewissen Standard. Oder anders gesagt, das Fundament steht eben. Wer das Fundament Scheiße findet, sollte sich ein neues Haus bauen und die Fresse halten.

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