Samstag, 7. Oktober 2023

CD-Review: Nebelkrähe "Ephemer"


NEBELKRÄHE wurden mir im Vorfeld von Kollegen förmlich aufgedrängt. 'Hast Du schon in ihr neues Album "Ephemer" reingehört?' oder 'Das musst Du unbedingt antesten!' - solche Sätze sind mit mir mehrfach um die Ohren geflogen und als staatlich-geprüfter Querulant, reagiere ich auf solche Aufforderungen mit Trotz und habe das Album erst einmal liegen lassen. Jetzt habe ich doch einmal ein Ohr riskiert und mir eine Meinung gebildet, die ich an dieser Stelle gerne ins Internet kübeln möchte.Da mir nie ein besserer Einstieg einfällt als euch einfach die Eckdaten der Platte zu nennen, machen wir das auch diese Woche wieder ganz genauso. Etwas mehr als 50 Minuten Laufzeit verteilen sich hier auf sieben Tracks. Und besonders hoch ist dabei die Dichte an Gastmusikern. Laut Metal Archives haben wir es hier mit elf Cameos (!) zu tun, wovon auch einige recht namenhaft sind, aber dazu kommen wir dann im Detail später. Es handelt sich bei "Ephemer" um das dritte Studioalbum der Münchner, die bereits seit 2007 gemeinsam unterwegs sind. Tatsächlich ist ihr letztes Album "Lebensweisen" auch schon 10 Jahre her und persönlich hatte ich vorher noch keinen Kontakt mit der Band gehabt. Das ist aber auch wenig verwunderlich. Immerhin erwähnt man im Pressebeileger, dass man in der Vergangenheit als Support für FARSOT, NEGURA BUNGET und BETHLEHEM tätig
gewesen ist. Vor allem letztere Kapelle versuche ich zu meiden wie der Teufel das Weihwasser und solche Querverweise lese ich in einem Promozettel meist mit großer Sorge. Auch das historische Biedermeier-Cosplay samt Totenkopf-Corsepaint deutet eher auf eine Band hin, die nicht in mein Beuteschema fällt. Ich versuche dennoch nicht voreingenommen zu sein und höre unbedarft in das Album rein. Eine Vermutung bestätigt sich allerdings sofort. Das ist kein reiner Black Metal. Vielmehr vermischt man die klassischen Merkmale des Schwarzmetalls mit jeder Menge Dark Metal und Avantgarde-Elementen. Die Vocals sind trotz ihrer kehligen Intonierung sehr gut zu verstehen. Das ist ein Vorteil, wenn man sich für die sehr story-lastigen Texte der Band interessiert beziehungsweise ein Nachteil, wenn man die Geschichten über Bergbaukumpel und Dornenbüsche etwas zu pathetisch findet. 'Tumult auf Claim Abendland' ist auch genau so ein Fall. Das ist das reinste Musiktheater, das nur knapp am Hörspielcharakter alter SAMSAS-TRAUM-Alben vorbei schrammt. Der nächste Song 'Nielandsmann' ist wohl eine Abwandlung von dem Begriff "Niemandsland" und behandelt dementsprechend den brutalen Stellungskrieg im ersten Weltkrieg. Oh, hat jemand Weltkrieg gesagt? Da denkt man ja aktuell sofort an KANONENFIEBER und passenderweise ist Projektleiter Noise hier auch mit Gast-Vocals zu hören. Ebenso wie ein ganzes Ensemble auch verschiedenen Blechbläsern. Ohne Mist! Saxophon, Trompete, Tuba und Posaune sind hier alle am Start und verleihen dem Song einen ganz besonderen Vibe. Ich muss dabei irgendwie an TRANSILVANIAN BEAT CLUB denken und freue mich hier über den ziemlich hohen Black-Metal-Anteil. Der Titeltrack wiederum ist relativ straight-forward und ein melodischer Dark-Metal-Prügel. Hierzu kann man erstaunlich wenig sagen. Bei 'Dornenbusch (Im Norden kein Westen)' bekommen wir dann den nächsten Gastsänger präsentiert, den man kennen könnte. Phil Jonas von SECRETS OF THE MOON darf hier mitsingen und macht einen wirklich ein guten Job, zumindest wenn man auf seinen Gesangsstil steht. In Verbindung mit den Lyrics klingt das alles nämlich etwas kitschig. An sich gefallen mir so entschleunigte Balladen mit viel Atmosphäre ja sehr gut und auch das Akkordeon finde ich durchaus passend bei dem Meeresbezug in den Texten. Aber von den mehr als acht Minuten Spielzeit hätte man stellenweise gerne etwas wegkürzen dürfen. 'Über Menschen Unter Tage' hat einen schönen treibenden Beat bei dem man nicht anders kann als mit zu wippen, was zeitweise leider akut von einem einsetzenden Piano und Cello gestört wird - nix gegen die beteiligten Musiker, die machen einen guten Job. Es passt für mich an dieser Stelle nur nicht zu 100% rein. Danach kommt 'Kranichträume' und damit tritt der nächste Gastmusiker in Erscheinung. 
 Markus Stock von EMPYRIUM und THE VISION BLEAK darf diesen sehr emotionalen und post-black-metallischen Track mit dem Hackbrett abrunden, bevor 'Die Strandbar von Scheria' die Platte abschließt. Der Name klingt zwar nach Ballermann, aber das düstere Machwerk strotz dafür gesanglich umso mehr vor schwarzer Poesie und starken Emotionen, die Sänger Umbra generell sehr gut rüberbringen kann.

Alles in allem ist "Ephemer" tatsächlich ein ganz interessantes Werk geworden, das sehr abwechslungsreich ist und unglaublich viele Gastmusiker rangeholt hat. Die Süddeutschen von NEBELKRÄHE bauen viele verschiedene Elemente in ihre äußerst melodische Interpretation von Dark und Black Metal ein. Darauf muss man eben abfahren. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass jeder Hörer mit so viel Theatralik, wechselnden Marschrichtungen innerhalb einer Komposition und Konventionsbrüchen klar kommt. Lobend möchte ich an dieser Stelle noch einmal die Gitarren und auch das Schlagzeug erwähnen, die mir in jedem Song auch immer etwas geboten haben, was mich überzeugt hat. Wie bereits erwähnt sind auch die Vocals meistens sehr facettenreich und haben ein ordentliches Volumen, aber auf der anderen Seite ist mir ihre Präsentation oftmals zu abgehakt und übertreibt es an einigen Stellen mit dem Pathos. Entsprechend würde ich jedem potenziellen Plattenkäufer empfehlen zuerst in das Album reinzuhören, wenn es  am 27.10.2023 bei Crawling Chaos als CD und LP erscheint.

7 von 10 Punkten

[Adrian]                

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