Montag, 6. März 2023

CD-Review: Mosaic "Heimatspuk"

Auf MOSAIC bin ich erst sehr spät und auch eher zufällig aufmerksam geworden. Denn als ich 2021 nach der langen Corona Konzertpause zu einer halb verfallenen Burgruine im Frankenwald fuhr, war ich in erster Linie in freudiger Erwartung an den dortigen Auftritt von ZWISCHENLICHTEN. Dass beide Bands das Musik – Kollektiv NORDWALD-MUSIK bilden war mir von vornherein gar nicht klar. Überhaupt ist es mir im Nachgang schleierhaft wie MOSAIC bzw. das ganze musikalische Wirken und Schaffen von Frontmann Valkenstijn so viele Jahre an mir vorbeigehen konnte. Lange Rede, kurzer Sinn: Nach diesem Auftritt war ich Fan beider Formationen. Und somit auf das derzeit aktuelle Album mehr als gespannt. Vielleicht kommt mir zugute, dass ich MOSAIC erst so spät kennengelernt habe. Denn wie ich aus eingefleischten Fankreisen hörte gab es durchaus Kritik an "Heimatspuk", etwa dass es nicht mehr genug Black Metal enthalten würde. Das mag im Vergleich zu älteren Werken der Band zutreffen, stört mich aber nicht.
Auf "Heimatspuk" ist der Name Programm. Frontmann Valkentijn erzählt hier in kauzig metallischer und düsterer Manier von seiner Thüringer Heimat. Nicht umsonst bilden MOSAIC im Musikkollektiv mit ZWISCHENLICHTEN den lauten und harschen Part des Nordwald-Geistes, der garstig durchs Unterholz poltert. Von "zu wenig Black Metal" kann man hier eigentlich nicht sprechen. Textlich werden Fragmente traditioneller Bräuche, Volkweisen und Gedichten vermengt. Darunter unter anderem von berühmten (Wahl)Thüringern wie Franz Vetter oder Johann  Wolfgang von Goethe. Los geht's fast schon eingängig mit dem Opener 'Wir sind Geister', der mit einem kurzen traditionellen Blasmusik-Part startet. Dann geht es schleppend mit anfangs noch dezenter Schlagzeuguntermalung und zurückhaltender Gitarre voran während Valkenstijn mit einem beherzten 'Hoi Joi!' zur gespenstischen Reise durch den Nordwald einlädt. Die Gitarren werden lauter und klirrender, die Melodien verschwimmen zu einem fast schon hypnotischen Rausch während Valkenstijn beschwörend 'Wir sind Geister!' schreit.
9 (bzw. 10) Songs(Heimatmusik
/House of Inkantation/Eisenwald)
Beim zweiten Song wird der Hörer auf 'Die alte Straße' geführt, die gänzlich unmetallisch sondern zurückhaltend leicht folkig angehaucht, fast schon gasig, aber nicht weniger unheimlich daherkommt.
Bis man auf den 'Teufelsberg' geführt wird, der einst ein heidnischer Kraftort war, dann, aber von der Kirche namensgebend verteufelt wurde. Hier machen MOSAIC keine Gefangenen und poltern sofort los. Harsche Gesangsparts wechseln sich mit teils beschwörenden Passagen ab. Spätestens jetzt sind die Nordwaldgeister auch hörbar präsent.
In 'Hullefraansnacht' wird ein alte südthüringischer Brauch aus dem Ort Schnett besungen. Dort gehen am 2. Januar die finsteren Hullefraan als Gefolge der Hexengöttin Frau Holle durch den Ort und schlagen symbolisch die Bewohner mit einer Haselnuss – oder Weidengerte – welches eine rituelle Reinigung darstellen sowie Glück und Gesundheit für das kommende Jahr bringen soll. Die teilweise in Strohkostümen gekleideten Hullefraan erinnern dabei an die Perchten oder Krampusse aus Süddeutschland beziehungsweise dem Alpenraum. Die Vertonung wieder gänzlich unmetallisch aber dennoch alptraumhaft bedrohlich. Man fühlt sich fast wie in einem alten Gruselfilm.
In 'Heilstatt' führt uns die Heimatspuk-Reise zu einem alten Krankenhaus (ich vermute mal die Geisterstadt in Lehesten ist gemeint) in dem die Geister der dort Verstorbenen immer noch ruhelos umherwandeln. Klagende Gitarren mit mehrstimmigem Gesang, der gelegentlich von den Schreien der Geister durchdrungen wird machen den Gruselfaktor perfekt. Bis man schließlich im wahrhaftigen 'Unterhulz Zoubar' landet. Hier werden nochmal alle Register gezogen werden die man an MOSAIC schätzt. Stampfender Rhythmus mit sägenden Gitarren und der nötigen Portion Härte. Dazu der eingängige Refrain - fast schon eine Art Hymne, die zum headbangen animiert. Textlich vielleicht eins der persönlichsten Stücke von Valkenstijn, was aus vielen dort eingestreuten Hinweisen hervorgeht.
Zum Schluss findet der Hörer sich bei 'Tief verschneit die ganze Welt' in einem klirrend kalten Ambient-Stück wieder was an PAYSAGE D'HIVER erinnert. Bedauerlich dabei ist, dass dieses Stück auf der Vinylfassung leider gänzlich fehlt. Was sehr schade ist, da es als Ausklang am Ende der musikalischen Reise auf "Heimatspuk" sehr gut passt.
Fazit: Ein reines Black-Metal-Album ist "Heimatspuk" sicher nicht geworden. Aber komplett verschwunden ist er keineswegs (das hört man bei 'Teufelsberg', 'Blutnelke', 'Nordwaldrauch', 'Unterhulz Zoubar'). Kombiniert mit den gespenstischen Zwischenstücken ('Die alte Strasse', 'Hullfraansnacht', 'Der Köhlerknecht') wird man hier auf eine wahrhaftig unheimliche Reise geschickt, die ihren garstigen Zauber gekonnt entfaltet. Die Produktion (abgemischt und gemastert von Markus "Schwadorf" Stock) in der Klangschmiede Studio E geht einprägsam und klar ins Ohr. Für das Frontcover zeichnet sich der Österreicher IRRWISCH verantwortlich, welches thematisch passend wie die Faust aufs Auge eine alten Köhlerknecht (also Kohlearbeiter) zeigt. Wer für kauzigen Black Metal empfänglich ist, der weder Angst vor Experimenten noch Lust auf Schubladen hat – dem sei "Heimatspuk" wärmstens empfohlen.
Von mir gibt es 8 von 10 Hieben mit der Weidengerte von der Hullefraa.

[Chris]

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