Bevor wir in das heutige Review einsteigen, muss ich zuallererst Astro, dem Musiker hinter ALLER STERNE UNTERGANG, meinen Respekt aussprechen. Nicht viele Projekte und Bands schicken weiterhin ihre Releases an kleine Magazine und Blogger, nachdem sie in der Vergangenheit mittelmäßig bis negativ rezensiert worden sind. Astro allerdings hat mir trotz meiner letzten Kritik auch sein 2021er Album "Sturmtief Nordwest" zugeschickt. Allein schon wegen dieser Unbefangenheit wage ich mich an seinen neuen Dreher heran.
Geändert hat sich auf den ersten Blick aber auch bei dieser Scheibe nicht viel. Ein Augenschmaus ist das sehr primitiv gestaltete Booklet immer noch nicht (vor allem bei der Typographie kotzt das Tintenherz). Auch die Tatsache, dass mit "Rabenschwarz und Himmelgrau" letztes Jahr im Juli auch direkt ein zweites Album neben diesem hier erschienen ist, weckt meine Befürchtung,
dass ich auch hier Quantität statt Qualität vorfinden werde. Mit '53° 42' 20'' N 07° 08' 38'' O' (eine Adresse in der Yorckstraße in Lübeck, wo es vor einigen Jahren zu Protesten wegen eines umstrittenes Bauprojekts kam) begrüßt mich aber erst einmal ein 340 Sekunden langes Intro, das recht ambient dahin wabert. Auch danach bleibt es mit dem Titeltrack noch sehr gemächlich und man kann den depressiv-atmosphärischen Schwarzmetall im Hintergrund laufen lassen (Prädikat: tut niemandem weh). Bei 'Heimat im Sturm (Ode an den Ozean)' wird es teilweise schon etwas wilder und damit auch chaotischer. Eine Disziplin in der mich der Bremer nicht ganz überzeugen kann. ich weiß dabei nie so Recht, was man mir damit sagen will oder ob diese Passagen nur eingesetzt worden sind, damit man während des Hörens nicht wegdämmert (der Track dauert nämlich fast eine Viertelstunde!). Immerhin fasst sich 'Im Dünenbunker' dann wieder etwas kürzer (mit fünf Minuten und 20 Sekunden unterbietet man sogar den Opener) und ist im Grunde einfach nur ein etwas zu sehr verzerrtes, synthetische Instrumental. 'Fragmente meines Nordseetraumas' ist dann anders als die meisten anderen Stücke deutlich gesangslastiger. Ob das aber etwas Gutes ist, weiß ich nicht. Denn ähnlich wie auf den Gitarren liegen mir auch auf den Gesangsspuren zu viel Distortion beziehungsweise Zerre. Die Konzeption mit den verwaschenen Spoken-Word-Passagen finde ich wiederum interessant. Der letzte Song 'Jammerbugten II' nimmt mit mehr als 24 Minuten (!!) auch direkt einmal ein Drittel der Albumlänge in Beschlag und wirkt wie ein Werk im Werk mit eigenem Intro, Spannungsbogen und (langem) Ausklang. Persönlich mag ich es nicht so sehr, wenn man ein so krasses Ungleichwicht schafft, was die Spielzeitverteilung angeht, aber das ist ja Geschmackssache. Nichtsdestotrotz ist der Rauswerfer (zumindest über weite Teile) der beste Track der Scheibe, da man hier noch relativ stringent und für Astros Verhältnisse relativ konventionell (abgesehen von der Mammutlänge) zur Sache geht. Aber auch dieser Titel leidet in sich an den gleichen Kinderkrankheiten, an denen das Projekt auch schon in der Vergangenheit litt.
Denn insgesamt ist auch "Sturmtief Nordwest" ein Album, dass viele gute Ansätze hat und in seinen stimmungsvollen Augenblicken immer wieder Aha-Momente setzt. Wie auch schon in meiner letzten Review zur Band gesagt: Astro ist ein guter Klampfer und im Kern hat er auch ein gutes Gespür für starke Gitarren-Arrangements. Allerdings benötigt er immer noch jemanden, der ihm bei der Produktion mit konstruktiver Kritik bei Seite steht. Denn einige Passagen wirken erschreckend überladen, andere Abschnitte ziehen sich Kaugummi, weil so gut wie nichts relevantes passiert (damit meine ich ganz besonders die letzten ACHT Minuten der Scheibe) und dann gibt es immer wieder Bereiche, die so malerisch schön klingen, dass man sich fragt, ob sie wirklich von der selben Person stammen, die diesen Distortion-Albtraum gerade eben noch durch den Äther gejagt hat. Kurzum, mir gefällt dieser Dreher besser als die 2020er Platte "Eskapaden", aber wirklich häufig werde ich mir auch diese Veröffentlichung von ALLER STERNE UNTERGANG nicht mehr anhören - dafür ist sie dann doch zu langatmig. Ich kann deswegen diese Platte eigentlich auch nur hartgesottenen Avantgarde-Metallern empfehlen, die wahrscheinlich auch Alben wie "Southwest Passage" von STRIBORG oder BLUT AUS NORDs "MoRT" im Regal stehen haben.
Seit 23.01.2021 kann man das zweitaktuellste Album des Bremers bei Bandcamp abgreifen.
5,5 von 10 Punkten
[Adrian]
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