Donnerstag, 3. März 2022

CD-Review: Skarntyde "Flukt fra menneskeligheten"

 

Die beiden Mitglieder von SKARNTYDE kommen aus der südlichsten Provinz Norwegens: Oberbayern! Gebt es zu, ihr dachtet auch dass Black Metaller, die sowohl einen norwegischen Bandnamen als auch norwegische Song-Texte haben zwangsläufig aus Norwegen kommen müssen. In diesem Fall wird euch dieses Duo Lügen strafen! "Flukt fra menneskeligheten"(zu Deutsch, "Flucht vor der Menschheit") ist nach der 2019er Demo das offizielle Full-Length-Debüt der süddeutschen Schwarzheimer und abseits  von dieser Einleitung, will ich mich dieses Mal zurückhalten und nicht in jedem zweiten Satz auf dem fremdsprachlichen Konzept der Band herumreiten.
Wer dennoch mehr schlechte Witze über die Ausrichtung der vorliegenden Truppe haben will, der sei an mein Review zu "Spurvehauk" verwiesen. So nachdem das
geklärt ist, schauen wir uns an, welche Rahmenbedingungen wir hier vorfinden. Die neun Tracks bringen es auf knapp 48 Minuten und lassen sich grob als Hommage an die zweite Black Metal Welle der 90er Jahre zusammenfassen. Allein die sprachliche Nähe zu den Vorbildern aus Skandinaviern macht dies mehr als offensichtlich. Allerdings ist auch der Sound fast als archetypisch zu bezeichnen. Die fauchenden Grunts in Verbindung mit erhabenen Passagen sowie die rabiaten und (bewusst) nicht sauberen Blastbeat-Ausbrüche hat man so in den letzten 25 Jahren schon häufiger vernommen.  Im Grunde könnte ich hier auch vieles wiederholen, was ich bereits in meiner Rezension zur Demo schon gesagt habe. Allerdings ist die vorliegende Scheibe mehr als ein einfaches Auswalzen des Demo-Stils auf Albumlänge. Man merkt hier immer wieder, dass die beiden Bayern versuchen etwas anders zu machen. Von teils geradezu dissonanten Kompositionen ('Fjellene ligger foran meg') über ruhigen Wikinger-Folk á la WARDRUNA ('
Et øyeblikk av indre ro') bis hin zu einem semi-ambienten ULVER-MORTIIS-Potpourri ('Over tåkehavets stille bølge') findet man hier viele Anspielungen und subtile Querverweise zu fast allen klassischen Größen der Szene. Ein Wink mit dem Zaunpfahl ist dabei besonders deutlich. Der letzte Track 'Drøm av menneskehetens ende' (zu Deutsch, 'Traum vom Ende der Menschheit') hat nämlich in Sachen Benamung frappierende Ähnlichkeit mit NARGAROTHs 'Vom Traum, die Menschheit zu töten'. Mir kann da niemand ernsthaft erzählen, dass "Herbstleyd" nicht zumindest im Hinterkopf gewesen ist als dieser Track geschrieben wurde. Jedoch kann man auch ohne dieses Vorwissen den Titel im Gesamtzusammenhangs des Albums verstehen. Denn alle Lieder zusammengenommen beschreiben eine Entwicklung, die mit der Abkehr von der Menschheit beginnt, Naturerfahrungen reflektiert und schließlich in einer abgrundtiefen Verachtung für die eigene Spezies gipfelt. 


Insgesamt ist "Flukt fra menneskeligheten" eine umfassende Bestandsaufnahme, was im Black Metal zwischen 1992 und 1999 passiert ist. Es gibt dabei auch Exkursionen in ambiente und folkige Gefilde, aber im Kern bleibt SKARNTYDE dem bereits gelernten Old-School Second Wave Black Metal treu und wird vor allem Traditionalisten zufriedenstellen. Für meinen Geschmack müsste das Schlagzeug stellenweise nicht ganz so dominant scheppern und die Song-Dienlichkeit in den Song-Strukturen darf vereinzelt auch gerne in Frage gestellt werden (totgeschlagenes Gegenargument: "Es ist Absicht, dass das so unangenehm klingt!"). Wie dem auch sei. Ihr mögt die obengenannten Referenzen und habt auch die 90er Alben von DARKTHRONE und MAYHEM im Plattenschrank. Dann riskiert hier ein Ohr. Ich bin mir sicher, es könnte euch gefallen.
Seit 28.01.2022 bekommt man das Digipack bei Human Noise Records.

7,5 von 10 Punkten

[Adrian]

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