Mittwoch, 12. Januar 2022

CD-Review: Gráb "Zeitlang"

2021 war für mich persönlich ein eher durchwachsenes Jahr in Sachen Musik und insbesondere (Black) Metal. Bands und Alben gab es zwar durchaus zuhauf. Allerdings alles sowohl stilistisch als auch musikalisch zu leicht durchschaubar. Man nehme einfach ein Frontcover auf denen gemalte Naturlandschaften und tragisch in Szene gesetzten Menschen abgebildet sind (hat gleich diesen gewissen DSBM – Touch). Dazu vielleicht noch ein paar Runen oder andere Symbole aus dem naturesoterischen Bereich. Musikalisch die üblichen drei Akkorde und ein Standard – Blastbeat, gepaart mit einem ebenso standardisierten Krächzgesang – fertig ist das nächste "Full Album" – Video für den Black Metal Promotion – Kanal auf Youtube. Klar gibt es auch hier die eine oder andere Perle zu entdecken. Jedoch war mir in letzter Zeit auf diesem Format das Motto "Quantität statt Qualität" zu sehr vertreten.
Doch picken wir uns mal eine der Perlen raus: Und in diesem Falle reden wir von der bayerischen Formation GRÁB, deren Name mir schon 2017 im Internet begegnete. Anfang 2021 ergatterte ich ein limitiertes Tape des Duos. Auf diesem war ein kleiner Appetithappen in Form von drei Songs vertreten. Via Social Media wurde man immer wieder mal angefixt und so konnte ich es kaum erwarten das Langspiel-Debüt genannt "Zeitlang" endlich zu hören. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ob das jetzt an dem wirklich guten Marketing lag, dass dieses Projekt gleich in aller Munde war?! Vielleicht, letztendlich muss aber die Musik überzeugen. Und das Schaffen GRÁB mit Leichtigkeit. 


Ein Debüt mit allerhand Prominenz
Schaut man sich mal genauer an wer an diesem Debüt mitgewirkt hat wird einem schnell klar: Hier sind natürlich Profis am Werk. Sänger und Texter Grant war bis 2006 bei DARK FORTRESS am Mikrofon. Das Schlagzeug wurde in Markus

"Schwadorf" Stocks Klangschmiede Studio E aufgenommen. Nebenbei hat jener auch das Instrumentalstück 'Auf der Roas' beigesteuert. Und für das schaurig schöne Artwork zeichnet sich Benjamin König von "Sperber Illustrationen" verantwortlich. Neben E-Gitarre, Bass und Schlagzeug wurden traditionelle bayerische Instrumente wie Hackbrett, Alpenhorn und Zither verwendet. Gesungen bzw. gekrächzt wird auf bayerisch. 
Textlich dreht sich alles auf "Zeitlang" ums sterben und den Tod. Besungen werden dort Fabelwesen und Geister aus bayerischen Sagen. So flüstert Sänger Grant "Bua,laf gschwind, da Nachtkrapp kimmt!" (Unter einem Nachtkrapp versteht man übrigens eine Sagengestalt die angeblich kleine Kinder die nach Einbruch der Dunkelheit sich noch im Freien aufhalten verschleppt und tötet).
Oder der Boandlkramer (die personifizierte Form des Todes auf bayerisch) wird angefleht den Protagonisten doch endlich mit sich ins Totenreich zu nehmen. Im Titelstück ist als Intro ein Dialog aus dem Film "Das siebente Siegel" von Ingmar Bergman zu hören, wo mit dem Tod Schach gespielt wird.

Experimentierfreudig und gleichermaßen traditionell:

Musikalisch bewegen sich GRÁB auf eher traditionell klassischen Black Metal – Pfaden alla alten ULVER, DARKTHRONE oder auch NAGELFAR. Und wie ich finde, auch jüngeren Vertretern des atmosphärischen Black Metals wie die Österreicher ELLENDE. Gerade bei 'Nachtkrapp' erinnert das Riffing stark an die Scheibe "Lebensnehmer" von 2019. Ob hier die alpinen Einflüsse aus Österreich und Bayern miteinander verschmolzen sind? Wer weiß.
Beim letzten Song 'A Grabliacht' hört man gar zu Anfang Synthesizer die an JOY DIVISION erinnern. Die aber auch aus einem Film wie "Blade Runner" stammen könnten. Die Einflüsse und Inspirationen für GRÁB sind hier jedenfalls weit gestreut und werden nicht bloß kopiert sondern äußerst gekonnt zu einer stimmigen Komposition mit eigenen Trademarks versponnen.

Eigenständigkeit statt Kopie:

Den viel gehörten Vergleich mit LUNAR AURORAs "Hoagascht" kann ich hierbei übrigens nicht unterschreiben. Denn außer dem Dialekt sind dies hier zwei völlig unterschiedliche paar (Bergwander)Stiefel. Herrscht auf "Hoagascht" eine eher gediegene Black Doom – Aura, verstehen es GRÁB bei aller melodiösen Atmosphäre auch zur richtigen Zeit das Tempo anzuziehen und dabei hart loszupoltern. 



Der Sound klingt dabei gleichermaßen erdig wie auch etwas verwaschen. Was aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch tut. Wenn Sänger Grant bei 'A Dag im Herbst' den bereits erwähnten Boandlkramer anfleht ihn endlich mit sich zu nehmen und ab dem letzten Drittel des Songs die Instrumente schon eine Art hypnotische Wirkung entfalten, fühlt man sich für einen Moment tatsächlich in einem dunklen bayerischen Wald versetzt während man sehnsuchtsvoll zu den Bergen die vor einem liegen hinaufblickt um vielleicht auf dem Gipfel das Flackern des eigenen "Grabliachts" zu sehen.

Jetzt schon ein moderner Klassiker?
Inwieweit "Zeitlang" das Zeug dazu hat auch noch in zehn bis 20 Jahren von sich Reden zu machen wie beispielsweise ein "Exercise In Futility" von MGLA, bleibt abzuwarten. Ebenso steht noch in den Sternen wie es mit der Band weitergeht. Ob in Zukunft noch mit mehr Outputs zu rechnen ist oder man irgendwann gar die Möglichkeit haben könnte GRÁB live auf der Bühne erleben zu können – das weiß vielleicht höchstens die Habergoaß.
Wie auch immer, wer auf atmosphärisch dunklen Black Metal steht, bei dem das Verhältnis aus Melodie und Härte stimmt und keine Probleme mit bayerischer Mundart hat sollte sich "Zeitlang" bedenkenlos ins Regal stellen. Hier bekommt man ein hervorragendes Gesamtpaket aus großartiger Musik in Verbindung mit einem mit viel Liebe zu Detail aufgemachten Artwork. Denn das Auge hört ja bekanntlich mit. Und nicht nur das… ;)

Die CD ist bei Trollmusic erschienen und nach wie vor zu haben. Die Erstauflage der Vinylversion leider schon ausverkauft, ab Frühjahr 2022 soll es aber eine Zweitauflage geben. Das Release-Datum soll laut Cover 2020 sein, allerdings kam die Platte soweit ich informiert bin erst am 01.10.2021 raus.

Glatte 10 von 10 Grablichtern

[Chris Coffin]




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