Freitag, 2. April 2021

CD-Review: Angstkvlt "Follow And Obey"

Ganz ehrlich, im ersten Augenblick hatte ich mir gedacht: "Mein Gott, wie soll ich das denn bewerten?" - aber bereits nach wenigen Minuten begann "Follow And Obey" eine seltsame Faszination auf mich auszuüben. Das Debüt von ANGSTKVLT wird zwar im weitesten Sinne als Black Metal bezeichnet, aber da steckt noch eine Menge mehr drinnen. Lasst uns gemeinsam entdecken um was es sich dabei genau handelt.
Das bayrische Projekt besteht aus zwei Mitgliedern. Zum einen haben wir hier Kvltist H., über den nicht viel bekannt ist außer, dass er bereits seit 20 Jahren mit Bardauk befreundet ist, den man von den progressiven Folk-Black-Metallern WALDWIND kennen kann. Zu tun haben wir es hier mit fünf Liedern, die es zusammen auf knapp 25 Minuten bringen. Aufgenommen wurde dieses Werk übrigens direkt nach dem Ende des ersten Lockdowns im Sick of Sound Studio München bei Michael Kraxenberger (der ebenfalls als

Drummer bei
CHAEDRIST tätig ist) und dementsprechend kommentiert der Tontechniker den Release folgendermaßen: Wäre 2020 ein Album, dann wäre es "Follow And Obey" - hm, ich bin mir an dieser Stelle nicht sicher, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll. Denn ich kann mich an niemanden erinnern, der gemeint hätte, dass das vergangene Jahr ein gutes Jahr gewesen wäre. Im Gegenteil, 2020 hat unheimlich viele Menschen weltweit verunsichert, unzählige Existenzen zerstört und wahrscheinlich einen unumkehrbaren Paradigmenwechsel eingeleitet, den wir in einigen Jahren noch spüren werden. Dass diese Prädikate auch auf "Follow And Obey" zu treffen, kann ich verneinen. Dass es sich hierbei aber um ein mehr als ungewöhnliches Stück Musik handelt, kann ich nur bestätigen. Dieses Album einfach als "Black Metal" zu bezeichnen wäre absolutes Understatement und würde den beiden Musikern nicht gerecht werden. Wir haben es hier vor allem mit Progressive- beziehungsweise Avantgarde-Metal-Elementen zu tun. Der Opener 'KVLT of Fear' ist ein gutes Beispiel hierfür. Er macht zwar ziemlich black'n'rollig auf, aber wandelt sich zwischenzeitlich zu einer schwer psychedelischen Gothrock-Nummer, auch wenn er immer wieder zu einem Ausgangsmotiv zurückkehrt. 'Collector Of Souls' im Anschluss arbeitet die genannten Avantgarde-Elemente noch mehr her aus und ist rein musikalisch der Song mit den geringsten Black-Metal-Anleihen, die sich wenn überhaupt am meisten in den Riffs niederschlagen. In den Vocals währenddessen kommt die Schwarzmetall-Note generell nur selten zum Vorschein. In der Hauptsache werden auf dieser Scheibe hymnischer Gesang, Chöre und verzerrte Shouts eingesetzt. Grunts kommen nur vereinzelt zum Zuge - wie etwa bei 'Schleichfahrt', das man noch am ehesten mit einem "klassischen" Black-Metal-Track gleichsetzen kann, wobei es hier auch noch subtile Industrial-Akzente gibt, die an andere Freigeister wie STURMGEIST oder SAMAEL (in den 2000ern) erinnern. Das ist aber nur einer der vielen Querverweise, die man ziehen kann. Denn woran es  dieser Scheibe nicht mangelt ist Abwechselung. Mit 'Images Of Vanity' zum Beispiel bekommt man einen kriechenden (Blackened) Doom-Metal-Song, der mit fast sieben Minuten auch gleichzeitig der längste Track der Platte ist. Mit 'Join The KVLT' findet das Debütalbum der Süddeutschen seinen rockigen Schlusspunkt, der den Vorgängertrack komplett konterkariert und ganze starke Horrorpunk-Vibes aufkommen lässt, was auch der Distortion auf den Vocals geschuldet sein könnte, die an sich schon so artikuliert werden als wolle man eine Geisterbahn imitieren.


Alles in allem finde ich es immer noch unheimlich schwer "Follow And Obey" in ein Benotungssystem zu zwängen. Denn ANGSTKVLT mischen schamlos  verschiedenste Elemente und scheuen sich nicht abgedrehte Stilmittel einzusetzen, vor allem was den Gesang betrifft. Gerade an den Vocals werden sich die Geister scheiden und auch ich weiß selbst nach vier bis fünf Durchläufen noch nicht wie ich den theatralischen Stimmeinsatz objektiv bewerten soll. Ich glaube, es wird jeder für sich selbst entscheiden müssen wie er diesen stilistischen Ansatz findet. Ich für meinen Teil könnte darauf verzichten und würde mir mehr Tracks im Stile von 'Schleichfahrt' wünschen, das ich sehr gelungen finde. Kurzum, die beiden Bayer probieren sich auf ihrem Debüt noch sehr stark aus und beweisen eine unglaubliche Bandbreite musikalischer Facetten, die in gerade einmal 25 Minuten präsentiert werden. In Zukunft wäre ein etwas stringenterer Opus auf jeden Fall wünschenswert, was sich für mich vor allem auf die sehr heterogenen Gesangslinien bezieht. Wer jedoch keine Angst vor dem Verlassen der extrem-metallischen Komfortzone hat, der sollte ANGSTKVLT definitiv eine Chance geben.
Seit 12.03.2021 gibt es "Follow And Obey" bei Bandcamp zu erwerben.

7 von 10 Punkten

[Adrian]   

1 Kommentar:

  1. Hahaha - ich bin begeistert von der CD und hatte bei der Produktion eine Menge Spaß :)

    2020 war nicht für alle einfach nur schlecht. Es war auf alle Fälle für alle überraschend anders und ungewohnt - ein Jahr voller neuer Herausforderungen und Wendungen. Das war auch Follow and Obey für mich.

    Ich hoffe stark auf eine Fortsetzung!

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