Sonntag, 3. September 2017

Live-Review: Masters Of The Unicorn 2017

Kein Festival ohne Regen! Auch das Masters Of The Unicorn 2017 kämpft erneut gegen nass-kalte Bedingungen und stellt seine Gäste auf die klimatische Probe. Wer allerdings die Wasserschlacht von Schlotheim überlebt hat, der lässt sich auch nicht von ein paar Schauern in Dilschhausen schocken!
Wir haben uns für euch (fast) alle der 13 Bands des Billings angeschaut und in Wort und Bild aufbereitet.
Bloodjob

Los geht es am Freitag Abend. Unser Team erreicht das verschlafene Dorf nahe Marburg gegen 18:30 und wird beim Zeltaufbau von einem ersten Schauer überrascht. Auf dem Festivalgelände selbst (dem Innenhof eines alten Fachwerk-Bauernhofs) gibt es zum Glück Möglichkeiten, um sich vor dem Wetter zu schützen und sich gleichzeitig BLOODJOB anzuschauen, die das Open Air mit einer satten Portion Death Metal der brachialen Sorte eröffnen. Bereits zum Start finden sich viele Besucher vor der Bühne ein und geben den Gießern sehr positive Reaktionen. Das Gitarrenspiel ist unheimlich tight und das Drumming haut ordentlich rein. Alles in allem ein gelungener Auftakt.
Diese hervorragende Stimmung können die Wiesbadener von WOUND wunderbar nutzen und überrollen das Open Air mit ihrer explosiven Mischung aus Death Metal und Crustcore. Die Setlist ist mal wieder eine sehr gelungene Mixtur aus den ersten beiden Alben und bietet mit
Incarceration
Songs wie 'Thy Wrath And Fire' oder 'Echoes' genug Möglichkeiten die Matte zu schütteln und sich im Moshpit zu prügeln. Mit meinem persönlichen Favorit 'Forver Denial' und dem abschließenden 'Engrained' rundet man den Auftritt perfekt ab und hinterlässt ein wohl bestelltes Feld für die Label-Kollegen von INCARCERATION. Diese deutsch-brasilianische Truppe spielt einen pfeilschnellen und teuflisch-aggressiven Todesstahl, der von Sänger und Gitarrist Daniel perfekt mit wahnsinnigen Grimassen und einem agilen Stage-Acting ergänzt wird. Da in diesem Jahr Bassist Björn die Band verlassen hat, ist man aktuell nur also Duo unterwegs. Nichtsdestotrotz ist die transportierte Energie enorm und Tracks wie 'Forsaken And Forgotten', 'Cemetery Of Lies' oder 'Sacrifice' so überwältigend, dass hier das Fehlen einer Bassgitarre nicht so sehr ins Gewicht fällt. Wenn die Band nicht noch größer wird, dann glaube ich an nichts mehr in der Welt. Allein schon die Ansagen des Brasilianers in nicht ganz perfektem Deutsch ("Dauert noch, alles kaputt", sagt er zum Beispiel als es technische Verzögerungen zwischen zwei Songs gibt) machen diese Jungs so herrlich sympathisch.

Einen festen Platz in der Szene haben die Sachsen von PURGATORY bereits seit Jahren und wenn sie die Bühne betreten, dann weiß man ganz genau, dass eine

Purgatory
tiefschwarze Todesblei-Apokalypse ansteht. Passend dazu taucht man die Bühne in ein schummrig blaues Licht und drückt die gesamte Spielzeit über das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die Performance ist sehr routiniert und ist hoch-professionell. Routine heißt in diesem Fall aber nicht ein Programm abspulen, die Traditions-Deather hängen sich komplett in den Gig rein - kurzum, PURGATORY kann man sich wirklich immer anschauen. Nach dem Ende des Headliner-Gigs wird die Aftershow-Party ins "räudige Wiesel" verlegt, der Cocktail-Bar und Metal-Disco des Festivals. Hier steppt bis tief in die Nacht der Bär und einige Besucher schieben buchstäblichen Abriss, dem sowohl ein Müllheimer wie auch eine Festzeltgarnitur zum Opfer fallen. Sympathisch ist auch, dass viele Musiker mit den Besuchern zusammen feiern und eine insgesamt sehr gemütliche Atmosphäre vorherrscht.

Der Samstag wiederum beginnt kühl aber trocken. Da die erste Band erst um 14 Uhr loslegt, hat man viel Zeit um am Zelt vorzuglühen oder den Ort zu besichtigen, der aus gefühlt elf Häusern und einer Kirche besteht - dafür kann das Dörfchen aber mit ansehnlichem Fachwerk aufwarten. Zurück zum Festival. Den musikalischen Anfang (der unter das Motto "Redneck Frühschoppen" gestellt wird) machen die Lokalhelden von RED STONE CHAPEL, die auch an der Organisation des Festivals beteiligt sind. Optisch wirken die fünf Herren etwas zusammengewürfelt - aber ihr Sound klingt wie aus einem Guss und das obwohl er mit Groove Metal, Stoner und Southern Rock verschiedenste Zutaten in sich vereint. Besonders der bärtige Sänger Dimi ist mit seinem Hillbilly-Outfit ein echter Hingucker und visualisiert das White-Trash-Image seiner Kapelle. Mundharmonikas hört man übrigens auch nicht oft auf solchen Konzerten - ihr solltet euch also definitiv den Namen RED STONE CHAPEL auf den Zettel schreiben.
Red Stone Chapel
Danach wird es weniger bunt und mehr schwarz. Die Sondershäuser von BLACK MOOD überziehen den hessischen Bauernhof mit einem Klangteppich
Black Mood
aus schwerem, zähen Sludge Doom Metal und beweisen als Zweites auf dem Open Air (nach INCARCERATION am Freitag), dass man durchaus auch zu zweit ordentlich Druck erzeugen kann. Mir ist das für die Uhrzeit noch ein wenig zu schwere Kost, aber generell ist die vorgestellte Mischung ganz interessant. Auch "interessant" ist der Auftritt von HAMERHAAI. Die Niederländer spielen
Hamerhaai
eine abgedrehte Form von Deathgrind, die sich nur schwer einordnen lässt. Die hemdlosen Holländer beschweren sich Mitte des Gigs darüber, dass sie schon viel live gespielt und selten eine so schlechte Stimmung erlebt hätten. Das Publikum mit Kritik zum mitmachen animieren - ist selten eine produktive Idee und trägt auch heute keine großen Früchte. Für einen Slot am Nachmittag, während viele Besucher noch den Rausch des Vortages verdauen, sollte man einfach nicht zu viel erwarten. Außerdem verlangt das Trio entschieden zu viel Partizipation von einem Publikum, das einfach nur entspannt herum stehen und berieselt werden will. 
Neben Streit mit den Besuchern, fördern die Niederländer die Kollegen von TASK FORCE BEER (kurz TFB), die im Anschluss an sie auf die Bühne kommen, indem sie diese gleich mehrfach auf der Stage erwähnen. Allerdings ist bei deren Gig gefühlt land-unter und ein lang anhaltender Platzregen kommt runter, der auch als Dusche dienen könnte. Vom Zelt aus kann ich zwar ihren Groove-Death-Grind-Mix hören, aber entscheide mich dafür, dass er nicht so spektakulär ist, dass man dafür nass werden muss. Beim nächsten Interpreten
Obscure Infinity
wiederum schließt der Himmel seine Pforten und macht Platz für OBSCURE INFINITY. Die Death-Metaller aus dem Westerwald feiern dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen und arbeiten an einem neuen Dreher. Deswegen sind auch viele  Songs in der Setlist heute unbenannt und haben laut Sänger Jules auch noch keinen festen Text, was diesen aber nicht davon abhält seine bekannte Show herunter zu reißen, die leidenschaftlich wie hingebungsvoll ist. Immer wieder sucht er den Kontakt zum Publikum, während auf der Bühne vor allem die Gitarrenfraktion einen tollen Job macht und ausgezeichnete Riffs und Soli abliefert, auch wenn gerade zu Anfang der Sound nicht wirklich gut abgemischt ist und der Bass kaum zu hören ist. Neben dem angesprochenen neuen Songs gibt es auch viele bekannte Songs zu hören wie 'Joyless Flesh', 'Sign Of The Nightsky' oder das obligatorische 'Maniac Destroyer', mit dem man den Auftritt ordentlich abschließt. Ohne Frage, OBSCURE INFINITY sind mein Highlight am zweiten Festivaltag.
Danach geht es mit etwas völlig anderem weiter. COLLISION kommt wie HAMERHAAI auch aus den Niederlanden und spielt eine
Collision
traditionelle Grindcore-Kante. Mit zwei Vokalisten orientiert man sich stark am Earache-Sound der späten 80er Jahre und erhält entsprechenden Zuspruch. Die Potsdamer von CYNESS gehen in eine ähnliche Richtung wie ihre Vorredner, aber streuen noch eine gute Portion Crustcore mit ein. Hingucker ist hier vor allem Sänger Loffi, der um keinen lockeren Spruch verlegen ist, unheimlich sympathisch agiert und sich auch nicht zu schade ist, selbst einen Circle Pit zu starten. Hier geht buchstäblich der Punk ab! Hier nach kommen wir bereits zum Co-Headliner AGE OF WOE.  Die Schweden haben mit die längste Anfahrt gehabt und können den Hof ordentlich voll machen. Die Göteborger klingen nach einer heftigen Mischung aus DISFEAR und ENTOMBED und sehen gleichzeitig als hätten sie sich nicht auf ein einheitliches Outfit einigen können. Ob Crust-Punk- und T-Shirt-Look oder sakrale Kutte die Skandinavier greifen tief die Modekiste. In der Hauptsache aber geht es um die Musik und die ist zwar nicht die Neuerfindung des Rades, macht aber dennoch viel Spaß und geht wirklich gut ins Ohr. Das Masters Of The Unicorn 2017 zu beenden gebührt dann allerdings Paul Speckmann und seinen Kollegen von MASTER. Heute ist das Trio allerdings als DEATH STRIKE unterwegs präsentiert in einer ausgedehnten Show vor allem die Songs von
Death Strike / Master
"Fuckin' Death", dem 1991er Album, die bis dato die einzige Platte von DEATH STRIKE sein sollte. Die Genre-Legende kommt an und bringt vor allem das Jungvolk dazu sich vor der Bühne in Mosh- und Circle Pits die Leiber um die Ohren zu hauen. Natürlich werden heute auch MASTER-Tracks  wie 'Funeral Bitch' gespielt  und im Grunde macht das auch keinen echten Unterschied, denn stilistisch ist der Sound beider Projekte deckungsgleich: Proto-Death Metal mit jeder Menge MOTÖRHEAD im Blut. Damit geht das Masters Of The Unicorn würdig zu Ende und lädt durch starke Bands, sympathische Crew-Mitglieder, einem gemütlichen Ambiente und günstigen Preise für Bier, Longdrinks und Essen dazu ein im nächsten Jahr wiederzukommen, auch wenn es dann an einem anderen Ort stattfinden soll. Das schlechte Wetter hat zwar etwas genervt, trotzdem kann man dieses Open Air mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Es wäre nur nett, wenn man 2018 eine größere Speisekarte und einen Zigarettenautomat anbieten könnte - dann würde ich dem Festival eine glatte 1 geben.

[Adrian]

3 Kommentare:

  1. Zigaretten sind total überbewertet.
    Und Flüssignahrung gab es doch genug und das für absolut angemessene Preise wie auch das gesamte Festival. BESSER geht es echt nicht und auch die Größe war einfach nur ein Traum
    Gruss
    Stefan Goetting
    Somewhere in time

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    1. Es hat sich wirklich gelohnt die einzig kritischen Worte im letzten Satz unterzubringen, so können wir überprüfen ob unsere User auch die Artikel bis zum Ende lesen ;-) Danke fürs Feedback, Stefan!

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  2. Das Wochenende war ein Traum man kann den Leuten die es organisiert haben nur danken das der Untergrund lebt und man nicht auf Festivals fahren braucht wo es 100.000 Leute hin zieht. Ich hoffe echt das es nächstes Jahr diese Größe behält und mit den neuen Platz genau so interessant wird.
    Gruss Dieter der Retter

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