Sonntag, 7. Mai 2023

Reingehört: Horn "20 Jahre"

 

Der Name der Platte könnte kaum unscheinbarer sein: "20 Jahre". So heißt nämlich die neuste Veröffentlichung aus dem Hause HORN, deren Titel dennoch genau das beschreibt, was den Hörer erwartet. Nämlich eine Neuinterpretation alter Songs, die teilweise knapp zwei Dekaden auf dem Buckel haben. Ob das Experiment geglückt ist, wollen wir in der Folge zusammen klären. Aber wer ist eigentlich HORN? Leider kann man ja nicht davon ausgehen, dass jeder dieses großartige Soloprojekt um den Ostwestfalen Niklas kennt. Auch wenn es die
musikalische Qualität definitiv rechtfertigen würde. HORN ist, wie bereits gesagt, ein Ein-Mann-Projekt und wurde mit dem Ziel gegründet Black Metal mit einer regionalen Naturthematik zu verbinden. Auch die Einbindung von folkloristischen Elementen ist dabei ein wichtiger Baustein,
 sollte aber nicht mit dem verwechselt werden, was heutzutage landläufig als "Folk Metal" verstanden wird. Persönlich würde ich den Begriff "Folk" hier stärker in die Nähe des Neofolk-Terminus rücken wollen. Bei Metal-Archives wird als Genrebezeichnung wiederum (etwas missverständlich) die Schublade "Pagan Black Metal" verwendet. Aber auch das könnte falsche Assoziationen im thematischen Sinne aufwerfen, denn um Odin und Thor geht es hier nicht, sondern wirklich sehr orthodox um eine persönliche Kontextualisierung von Mensch und Umwelt (zumindest wenn ich die Selbstbeschreibung der Band korrekt verstanden habe). Musikalisch wiederum würde ich dafür schon Parallelen zu Größen des oben genannten Genres sehen und besonders HELRUNAR oder NAGELFAR als Referenz heranziehen wollen. Zumindest für gilt dies weite Teile des Albums, die einen eher klassischen Schwarzmetallansatz verfolgen, der erfreulicherweise sehr kreative und abwechslungsreiche Song-Writing-Kniffe verwendet und sich nicht in abgedroschenen Norwegenklischees verliert. Aber es gibt auch Songs wie 'Spätherbst', die nicht unter den Tisch fallen sollten. Denn hier kommen vor allem doomige Musikliebhaber auf ihre Kosten, die nichts gegen einen prominenten Einsatz von Baritongesang und Streichern einzuwenden haben. Kenner der Band bekommen übrigens eine sehr interessante Auswahl an Tracks geboten, die sich sowohl aus den Alben "Kraft der Szenarien", "Distanz" und "Jahreszeiten" rekrutiert als auch um eine Abwandlung von 'Wo alte Fichten aus grünen Höhen ragten' vom 2004er "Der Frost im Frühjahr"-Demo ergänzt wurde, was in einer stark veränderten Version als 'Höhen' nun hier zu finden ist. Auch das finale 'Fahrwasser' stellt etwas besonderes dar, da es bisher unveröffentlicht geblieben war und einen Tribut an eine verstorbene Person darstellt. 


Insgesamt ist "20 Jahre" aber ein mehr als ein Liebhaberstück für alte HORN-Fans. Es erreicht sehr gut das angestrebte Ziel des Solokünstlers und erschafft eine Brücke zwischen den Anfangstagen der Band und ihrem jetztigen Stand. Versteht mich aber nicht falsch. So sehr ich selbst auch den rauen und unpolierten Sound von 1990er und 2000er Black-Metal-Produktionen schätze, so sehr freut es mich gleichermaßen das großartige Song-Writing von Niklas in einer gereiften Form serviert zu bekommen, um alle Facetten dieser herrlichen Hymnen genießen zu können. Ich hoffe zugleich, dass es nicht nur mir so geht und dieser Release dazu beiträgt die Musik für ein breiteres Extreme-Metal-Publikum zugänglich zu machen, die bisher noch keinen Kontakt mit HORN gehabt haben. Zu wünschen wäre es diesem großartigen Projekt definitiv!
Seit dem 05.05.2023 bekommt man die Compilation in allen gängigen Formaten bei Northern Silence Productions.

[Adrian]
    


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