Freitag, 17. Juni 2022

CD-Review: Crisis Benoit "El culto de la muerte"

 

Manchmal ist es ein besonderer Bandname, der mich dazu bewegt, mir eine digitale Promo genauer anzuschauen. So war es auch bei den italenischen Deathgrindern von CRISIS BENOIT. Denn jeder, der Ende der 1990er Jahre oder in den frühen 2000er Jahren Wrestling geschaut hat, sollte die tragische Anspielung sofort verstehen. Allen, bei denen jetzt nur Fragezeichen über der Schädeldecke aufploppen, erkläre ich gerne, was es damit auf sich hat und verrate euch auch noch ganz nebenbei ob es sich lohnt in das Debütalbum "El culto de la muerte" reinzuhören.
Der Bandname ist natürlich ziemlich offensichtlich eine Anspielung auf den kanadischen Wrestler Chris Benoit, der deutschen Fans vor allem aus seiner Zeit bei der WCW beziehungsweise WWF/WWE bekannt sein dürfte. Er galt in seiner aktiven Zeit als ein großartiger Techniker und wurde von Kollegen wie auch Fans für sein Können im Ring bewundert. Allerdings ging er auch nicht sonderlich zimperlich mit sich selbst um und schädigte sein Gehirn durch unzählige Gehirnerschütterungen, die er sich durch seinen Kampfstil zuzog, so sehr, dass sein Hirn mit 40 Jahren bereits dem eines 85-jährigen
Alzheimer-Patienten glich. Ob das letztendlich der ausschlagende Grund war, wieso es im Juli 2007 zu der Familientragödie kam, bei der Benoit seine Frau und seinen Sohn sowie schließlich auch sich selbst tötete, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. So viel zum Hintergrund des  Bandnamen! Allerdings merkt man auch an den Musikvideos, Band-Outfits und Kollaborationen, dass die Musiker hinter diesem Projekt große Wrestling-Fans sind. So haben sie auch schon Einzugsmelodien für verschiedene Indie-Wrestler gestellt (also Wrestler abseits der großen amerikanischen oder japanischen Ligen im Untergrund der Szene) und bauen auch in so manche Komposition Samples aus dem Wrestling-Kosmos ein. Wem das jetzt alles zu sehr nach Gimmickband klingt, den kann ich beruhigen. Denn der Dreier geht tatsächlich sehr traditionell zur Sache und orientiert sich stärker am Earache-Sound der 1980er Jahre. Mit dem sehr quatschigen und pitchshiftigen Ansatz des typischen Obscene-Extreme-Acts hat man erstaunlich wenig zu tun. Hier steckt eine Menge Proto-Death Metal und Crustcore mit drinnen. Das Wrestling-Thema schlägt sich dabei natürlich auch in einigen Liednamen nieder. So ist zum Beispiel "
Tornado of Thousand Broken Light Tubes" eine Ode an die Neonröhre, die vor allem in Deathmachtes gerne eingesetzt wird, um dem Gegner eindrucksvoll und scherbenreich eines auf die Birne zu geben, während 'Kneeling Reverse Piledriver But Your Skull Exploded in Fragments' einen Finishing Move beschreibt, den unter anderem der Undertaker unter dem Namen "Tombstone" bekannt gemacht hat. Sound-technisch fällt auf, dass die Jungs untypisch fürs Grindcore-Genre sehr gerne (verhältnismäßig) lange Songs schreiben (so ist der Titeltrack beispielsweise fast fünf Minuten lang) und im Rahmen dessen auch in niedrige Mid-Tempo-Bereiche abdriften. Wenn man das alles in der Summe betrachtet, ist der Death-Metal-Anteil sogar deutlich höher als der beigemischte Grindcore, was dem Album aber auch absolut zum Vorteil gereicht. Es ist gerade so viel Grind enthalten, dass man einen dezenten Punk-Vibe wahrnehmen kann beziehungsweise die Songs auch mal unter 120 Sekunden kurz sein dürfen und die tiefen Growls gelegentlich durch manische Sounds ersetzt werden dürfen.
Alles in allem hat es mehr als einen Durchgang gebraucht bis "El culto de la muerte" bei mir gezündet hat, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich bei den Outfits und dem Thema der Truppe einfach etwas anderes erwartet habe als überwiegend sehr traditionsbewussten Deathgrind, der mit einer dezenten Crust-Schlagseite aufwartet. Nichtsdestotrotz machen mir CRISIS BENOIT mittlerweile eine Menge Spaß. Auch weil sie deutlich vielschichtiger und abwechslungsreicher sind, als man es im ersten Augenblick erwarten würde. Gerade die Tempowechsel und die unterschiedlichen stark dosierten Grind-Bestandteile halten diesen Dreher (fast) immer spannend. Natürlich ist aber auch hier nicht alles perfekt. Gerade der Titeltrack weißt einige Längen auf und ist eigentlich kein gutes Aushängeschild, dem man ein Video hätte widmen müssen (der Song mit den Neonröhren hätte da direkt viel besser gepasst). Nichtsdestotrotz haben die Italiener ein schönes Debüt abgeliefert, das man auch ganz ohne Wrestling-Vorwissen genießen kann. Allerdings schadet es auch nicht, wenn man die entsprechenden Anspielungen versteht. Kurzum, wenn ihr NAPALM DEATH und Deathmatches mögt, dann seid ihr hier genau richtig.
Seit dem 10.06.2022 gibt es das Album als CD oder digitale Version bei Slaughterhouse Records.

8 von 10 Punkten

[Adrian]

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