Montag, 11. April 2022

CD-Review: Feaces Christ "Gimme Morgue!"

 

Sagen wir doch einfach mal wie es ist! Die meisten Underground-Death-Metal-Bands klingen alle gleich. Gerade gegen Ende der 2010er kam für jede herausragende Scheibe, die die Grenzen des Genres neu ausgelotet hat, mindestens ein Dutzend Alben auf den Markt, die schlichtweg generisch waren und wahlweise "Leprosy", "Left Hand Path" oder "The Rack" kopiert haben. Umso mehr freut es mich, dass es Bands wie FEACES CHRIST gibt. Die Regensburger verbinden auf "Gimme Morgue!" feinsten Old-School Death Metal mit rabiatem Crustpunk. 

13 Songs verteilt auf 33 Minuten ist hier der formale Rahmen, der ein breites Spektrum an stilistischer Entfaltung zulässt. Während nämlich 'The Goatse And The Goat' noch relativ konventionell extrem-metallisch einsteigt, ist 'Fulci Lives' ein munterer Punkrocksong geschmiedet aus feinstem Todesstahl. Mit sowas kriegt man mich. Da muss ich direkt an MACABRE denken (die gehen zwar etwas mehr in Richtung Grind, aber die Punk-Attitüde ist hier das verbindende Element). Auch 'Menstrual Cup' hat einen
ähnlichen Vibe und gerade das Main Riff geht so gut ins Ohr, so dass man hier direkt auf Repeat drücken will. Natürlich gibt es auch immer wieder Songs, die ein genreübliches Kompositionsmuster offenbaren, das man schon hunderte Male im Death Metal gehört hat. Aber selbst bei einem Track, auf den diese Beschreibung augenscheinlich passt, wie 'Rancid Romance', der instrumental alles abhakt, was der typische Old-School Death Metal Song enthält, schafft man es mit der rotzigen Produktion, dem scheppernden Drum Sound  und den völlig abgedrehten Growl-Shouts, selbst diese einfache Formel interessant zu gestalten. Außerdem folgt mit 'People Piss Me Off' erneut ein weiterer extremer Punk-Hit, der verdammt heftigen Ohrwurmcharakter hat. Im Grunde hat man hier aber auch gar keine Zeit sich zu langweilen oder diesen einfachen Song-Strukturen überdrüssig zu werden. Viele Tracks enden bereits vor der zwei Minuten Marke und man muss aufpassen um keine Facette zu verpassen. 'Two Wheels Are Better Than Four' zum Beispiel bringt es auf gerade einmal 105 Sekunden und schafft es in dieser kurzen Zeit einen höllisch geilen Ritt durch die krustigen Niederungen des Death'n'Roll abzuliefern. Dagegen wirkt 'Melted To Slime' in der Folge schon fast wieder konventionell, obwohl er das eigentlich gar nicht ist und wunderbare Querverweise zu "Wolverine Blues" liefert. Ganz am Ende im längsten Song '
Embalmed In Vomit' bricht man dann doch noch einmal mit allen vorher gesetzten Standards und haut eine langsame Walze heraus, die am härtesten all jenen Demos huldigt, die in einer nach Urin stinkenden Tiefgarage beziehungsweise auf einem eiernden Kassettendeck aus dem lokalen Discounter entstandenen sind.
Alles in allem kann man "Gimme Morgue!" nur lieben oder hassen. Wenn ihr Death Metal wollt, der sich an den bekannten Pfaden orientiert und eine gutproduzierte 90er-Jahre-Huldigung darstellt, dann werdet ihr hier schnell frustriert sein. Denn  auch wenn FEACES CHRIST in erster Linie eine Death-Metal-Band ist, ist diese bayrische Kapelle eben auch so viel mehr als das. Das süddeutsche Trio mischt neben Punk, auch immer wieder Rock'n'Roll und 80s Grind ihren Kompositionen bei und verfolgt damit in meinen Augen eine noch sehr unverbrauchte Abzweigung im Extreme Metal! Denn wir brauchen nicht noch mehr Bands, die lediglich alten Helden Tribut leistet ohne eigene Akzente zu setzen. Wir verdienen mehr Interpreten, die stilistisch über den Metal-Rand hinausschauen und wilde Bastarde erschaffen, die länger als einen Durchlauf im Ohr bleiben. Kurzum, was "The Cult Is Alive" für den Black Metal in den 2000ern gewesen ist, ist "Gimme Morgue!" für den Death-Metal-Underground 2022: ein dicker Stinkefinger in Richtung Konformität und das ist auch verdammt gut so!
Seit 11.03.2022 gibt es die CD bei F.D.A. Records (die Vinyl wird ebenfalls dort im Juni nachgereicht).

8,5 von 10 Punkten

[Adrian]

        

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