Das Besetzungskarussell drehte sich schon immer schnell bei der Augsburger Black-Metal-Kapelle SCHRAT. Laut Metal-Archives hat man sechs feste und drei Live-Mitglieder in fast zwei Jahrzehnten Bandbestehen kommen und gehen sehen. So saß für "Seelenfresser" das einzig verbliebene Gründungsmitglied Gråin allein mit Drummer Tomasz "Nefastus" Helberg (der auch erst 2021 in die Band eingestiegen ist) im Studio herum und kümmerte sich dieses Mal abseits vom Schlagzeug um alles selbst. Ob das Multitasking geglückt ist oder die Mehrfachbelastung zu groß gewesen ist, wollen wir gemeinsam herausfinden.
Elf Songs und fast 54 Minuten Spielzeit sind die groben Eckpunkte des vierten Full-Length-Albums, das erneut von Folter Records veröffentlicht wurde.
Für beide Seiten scheint diese Zusammenarbeit sehr fruchtbar zu sein. So war nämlich bereits der letzte Dreher "Alptraumgänger" bei mir sehr gut angekommen. Und im Vergleich zum Vorgänger bekommt man hier viel neues Material geboten und prügelt sich ziemlich schnörkellos durch die Botanik. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen SCHRAT sei mittlerweile nach Schweden umgezogen, denn was urgewaltigen Extreme Black Metal mit viel Double Bass angeht, steht man SETHERIAL oder MARDUK zu ihren Hochzeiten in nichts nach. Dadurch fällt es zwar auf Anhieb auch deutlich schwerer klare Unterschiede zwischen den einzelnen Songs auszumachen. Wenn man jedoch das Album nicht nur nebenbei konsumiert, fallen schnell die durchdachten Melodien und subtilen Schattierungen bei den Gitarren auf, die allerdings nur selten so kontrastreich wie bei "Donnerhagel - Gaias Folter" aufblitzen (was mit den vereinzelten Flöten im Hintergrund dezente Pagan-Metal-Querverweise zulässt). Man muss in der Summe die Platte schon zwei- bis dreimal hören, um alles zu erfassen. Es gibt jedoch auch Umstände, die den Song-Differenzierungsprozess deutlich erleichtern. Denn viele Tracks auf "Seelenfresser" werden durch atmosphärische Klänge und "Geisterbahn-Samples" ('Wolfsklage'! ich schaue dabei insbesondere in deine Richtung!) entweder eingeleitet oder beendet. Es ist Geschmackssache ob man so etwas so ausgiebig braucht, aber übermäßig gestört fühle ich mich davon auch nicht. Das kann ich allerdings nicht über den Snare-Sound sagen. Dieser klingt nämlich nicht nur etwas blechernen, sondern sticht vereinzelt zu dominant aus dem wabernden Soundteppich hervor.
Ich will insgesamt aber nicht zu sehr auf "Seelenfresser" rumhacken. Denn SCHRAT besticht einmal mehr durch sein sehr ausgereiftes Song-Writing, dem es gelingt auch klassische Schwarzmetallraserei noch frisch und interessant klingen zu lassen. Denn was im ersten Drittel noch Szene-Standard zu sein scheint, entfaltet sich im weiteren Verlauf immer mehr zu einem Feuerwerk verschiedenster Facetten und Einflüsse, die von Schweden über Finnland bis in den ehemaligen Ostblock reichen. Meine Kritikpunkte sind jeder für sich überschaubar, aber zusammengenommen lassen sie nur eine etwas schlechtere Note als beim Vorgänger zu. Nichtsdestotrotz bewegen wir uns hier immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Kurzum, wer traditionellen und brutalen Black Metal mag, sollte sich diese Platte mehr als nur einmal anhören.
Seit 20.01.2022 ist die CD-Version bei Folter Records erhältlich.
8 von 10 Punkten
[Adrian]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen