Donnerstag, 7. Oktober 2021

CD-Review: Instinct "Manifesting The Dark Rural Ethos"

INSTINCT ist ein auf den ersten Blick sehr typisches Black-Metal-Soloprojekt. Wir haben hier ein Albumcover mit einem verschneitem Waldmotiv in monochromer Schwarzweissoptik, ein Schriftzug in Frakturschrift und mit "Manifesting The Dark Rural Ethos" hat auch das letzte Album ein überlangen Titel, der nicht mit einem Haufen düsterer Buzzwords geizt. So weit, so unspekatuklär. Doch lasst uns nicht vorschnell urteilen - womöglich steckt hinter diesen Klischees mehr als der übliche Erwartungshorizont.
Vorneweg klären wir aber erst einmal die Rahmenbedingungen. "Manifesting The Dark Rural Ethos" hat eine Spielzeit  von 73 Minuten, die sich auf acht Titel verteilen. Nach eigener Aussage des Masterminds Verst bildet dieses Werk den Abschluss seines Schaffens vom Beginn der Band 2005 bis 2018, als das vorliegende Werk fertiggestellt wurde - "einen ersten Kreis" wie er es selbst nennt habe man vollendet. Da man sich mittlerweile in SENTIESSENCE umbenannt hat, muss da wohl was dran sein. Nun muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich mich mit dem Schaffen des Briten zuvor nicht auseinandergesetzt habe und diese Aussage entsprechend schwer bewerten kann. Ich denke jedoch, dass es nicht notwendig ist die ganze Diskographie von INSTINCT zu kennen, um diese Platte nachvollziehen zu können. Dazu aber gleich mehr. Die Songs sind abseits von Intro, Outro und
Zwischenspiel sowie zwei Ausnahmen mörderlang geworden. Die drei längsten Songs alleine bringen es auf eine Laufzeit von knapp 48 Minuten - bereits das wäre eine akzeptable Full Length gewesen und hätten auch gelangt. Denn in der Hauptsache besteht diese Langrille gar nicht aus "richtigem" Black Metal, sondern ist mehr eine Melange aus Dark Ambient, Noise und experimentellem Avantgarde-Doom. Bereits als mir die CD 
zwecks Review in die Hand gedrückt wurde, wurde ich "gewarnt", dass dieser Tonträger etwas experimenteller werden könnte. Und tatsächlich, man hat mir nicht zu viel versprochen. Leichte Kost ist definitv anders. Es gibt so zum Beispiel nicht viel Gesang oder Text in den vorliegenden Songs. Die paar Zeilen, die es gibt, kann man im durchaus schön aufgemachten Booklet nachverfolgen, wo man auch tatsächlich das "Manifest" nachlesen kann, wovon im Albumtitel die Rede ist. Postulate á la Abscheu gegenüber der modernen (westlichen) Welt, die Ablehnung christlicher Werte und Moralvorstellungen sowie ein Propagieren eines Lebens mit der Natur und seinen Tieren im Einklang, lösen bei mir sowohl dezente Varg Vikernes als auch WOLVES IN THE THRONE ROOM Vibes aus. Diese schräge Kombination kommt auch in anderen Zeilen zum Ausdruck. So ist Vrest  der Meinung, dass die "Demokratie" (er setzt dies bewusst in Anführungszeichen) seine Bürger in ein "Links gegen Rechts"-Denken schubst und künstliche Nationalstaatskontrukte mit Pseudo-Traditionen auferlegt hätte, die sie weiter vom paneuropäischen Gedanken entfremden und in einen Status spiritueller Verwahrlosung drängen würden (sorry, die Sätze sind im Originaltext auch so lang und verschachtelt). Weiter spricht er von einem urbanen Elend mit multikutureller Unterordnung (wo wir wieder beim Vikernes-Aspekt seiner Thesen wären). Persönlich tue ich mich schwer mit solchen Ansichten. Ich gehe defintiv mit, wenn man moderne, kapitalistische Lebensweisen kritisiert, dem Christentum den Stinkefinger zeigt und für einen faireren Umgang mit Flora und Fauna plädiert. Allerdings rollen sich mir die Zehennägel hoch, wenn man einen "paneuropäischen" Geist beschwören will und in einem Nebensatz Mulitkulti mit Unterordnung gleichsetzt. Von dort aus ist es nämlich nicht mehr weit bis zu den Deppen mit den gelb-schwarzen Spartaflaggen. Unterstellen möchte ich Vrest an dieser Stelle natürlich nichts, möchte seine Thesen aber auch nicht unkommentiert stehen lassen - kleiner nachträglicher Disclaimer zu den obrigen Zeilen. 
Während ich den letzten Absatz geschrieben habe, erwacht das Album plötzlich aus seinem noisig-ambienten Dornröschenschlaf (Mitte des vorletzten Tracks nachdem fast eine Stunde de facto nichts passiert ist) und es gibt tatsächlich ein paar Minuten Schwarzmetall. Das hält aber nicht lange an, sondern eiert etwas ziellos herum und geht dann wieder zu der bereits erwähnten Hintergrundmusik über.


Alles in allem bleibt trotz 73 Minuten Beschallung nicht viel hängen. Man wartet nach den ersten beiden Tracks noch auf den großen Twist, der aber nicht kommen will. Denn viel passiert insgesamt nicht und möglicherweise soll die geradezu hypnotische Wiederholung reduzierter Klangmuster das Konzept hinter "Manifesting The Dark Rural Ethos" sein. Mir ist das allerdings zu wenig. Wenn ich meditative Geisterbahnmusik hören will, dann gibt es mir mehr wenn ich COLDWORLD oder BLUT AUS NORD auflege. Hier schweift mein Geist zu oft ab und es fällt mir viel zu schwer in der Musik zu versinken, was der eigentliche Sinn von atmosphärischem Schwarzmetall sein sollte. Wem's gefällt sei es gegönnt. In meinen Augen nimmt sich das Werk wichtiger als es ist, will auf Biegen und Brechen große Kunst sein und verliert dabei den Hörer völlig aus dem Auge. Schade, die Ästhetik und die Aufmachung der CD ist durch Schattenkult wirklich ansprechend geworden und würde sogar einen Blindkauf rechtfertigen. Die Musik wiederum tut dies leider nicht. 
Experimentierfreudige Avangardisten können sich aber bei Schattenkult Produktionen seit 10.12.2018 den genannten Silberling abholen.

4,5 von 10 Punkten

[Adrian]

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