Dienstag, 24. August 2021

Interview: Goatblood von Ghul

GHUL ist ein Bandname, der laut Metal-Archives (mit oder ohne O in der Mitte) etwa 38 Bands zugeschrieben werden kann. Diese Inkarnation sticht allerdings heraus. Denn der mittlerweile in Hessen lebende Goatblood beschäftigt sich bei seinem Black-Metal-Solo-Projekt mit seiner Heimat Siegen und dessen Geschichte.Wann entstanden die ersten Song-Ideen und was war der erste fertige Song der EP?

Die ersten Songideen und Riffs sind so 2006 entstanden damals hatten wir eine Demo mit drei Songs fertig, aber nie released oder vernünftig aufgenommen. Es hat nur ein Song ('Der Eisenwald') auf die EP geschafft. Bei diesem habe ich aber nur ein paar Kernriffs übernommen und zu 90% das Songwriting neu geschrieben. Die Texte waren auch früher auf Englisch und die Musik war auch eher in die Richtung Schweden Death/Black Metal der 90er Jahre. Der erste fertige Song der EP "Verblasste Erinnerungen" ist also erst im Frühjahr 2021 fertig geworden, als ich mit dem Songwriting und den Aufnahmen begonnen habe. In den ganzen Jahren dazwischen aber ich eigentlich nicht sehr viel selbst Musik gemacht und hatte nur ein paar keine Projekte bei denen ich mitgewirkt habe.

Du hast es ja gerade selbst gesagt von der ersten Idee bis zur fertigen EP ist einiges an Zeit ins Land gegangen, wieso verging so viel Zeit und wieso ist der Release gerade jetzt fertig geworden?

Das Projekt haben wir damals eingestampft, da sich kein vernünftiger Drummer
im Raum Siegen gefunden hatte beziehungsweise wir nicht die Leute gefunden haben mit denen wir ernsthaft Musik machen wollten. Damals waren wir noch sehr jung, elitär und true. Es blieb bei einem Zwei-Mann-Projekt und zwei Jahre später trennten sich leider die Wege durch meinen Umzug nach Frankfurt. Anschließend ist das Projekt irgendwie in Vergessenheit geraten und ich habe mich anderen Dingen gewidmet. Im Winter 2020 während des Lockdowns habe ich mich öfters mit einem guten Bekannten zur privaten Musik- und Bier-Session getroffen und ich glaube ich habe in den folgenden Monaten noch nie so viel Musik in so kurzer Zeit aufgesogen. Mit der Zeit habe ich immer mehr Interesse gehabt selbst wieder Musik zu machen und ein Kumpel von mir - Abdiroth, unter anderem aktiv bei (SPHAERIA | TOTENSTURM) - hat schon zwei Projekte in Eigenproduktion geschaffen, die mich sehr überzeugt haben. Durch den heutigen Fortschritt in Sachen Home-Recording und meiner Motivation habe ich mich dann dazu entschlossen mir Equipment zu besorgen und mit dem Songwriting zu beginnen.

Wie kamst Du auf die Idee Black Metal mit der Geschichte und Kultur deiner Heimat Siegen zu verbinden?

Black Metal ist einer der Musikrichtungen, die ich schon in jungen Jahren gehört habe - die mich bis heute begleitet und geprägt hat in all ihren Facetten. Die Region um das Siegerland ist sehr industriell, regnerisch und auch etwas trist. Dort gibt es sehr schöne Wälder und Wanderpfade, die leider in den letzten Jahren durch starke Stürme und dem Borkenkäfer sehr mitgenommen wurden. Die lange Tradition der Berg,- und Hüttenmänner hat mich geschichtlich schon immer interessiert. Sie repräsentiert eine gewisse Härte und Rohheit, gepaart mit dem verregneten Wetter und dem rauen Umgangston finde ich diese Kombination am Besten mit Black Metal Musik auszudrücken.
Was kannst Du zum Inhalt und Hintergrund des Gedichts 'Der Gott der Eisen wachsen ließ' sagen?

"Der Gott der Eisen wachsen ließ" ist im Originaltext ein patriotisches Gedicht und ein deutsches Vaterlandslied von Ernst Moritz Arndt von 1812. Darauf hat mein Großvater auf der Melodie basierend (welche unter anderem auch Heino 1977 gecovert hatte) dem Titel ein eigenes Gedicht mit anderem Text 1974 verfasst. In unserem Familienbuch, welches mein Urgroßvater 1979 fertiggestellt hatte ist dieses Gedicht mit Textinterpretation meines Großvaters abgedruckt. Ich denke, dass die Überschrift ihm so gut gefallen hatte, da das Siegerland jahrhundertelang bis zur ersten keltischen Besiedlung von vor fast 2.000 Jahren reich an Erzvorkommen war und er deshalb den Titel nutzte. Textlich gesehen geht es um den ehemaligen Siegener Stadtteil Klafeld und dessen "Fürsten". Diese Fürsten waren zuerst ein kleiner Kreis junger Burschen, der kurz vor dem ersten Weltkrieg entstand. Mit viel Sonntagsgeld in der Tasche waren diese vornehm angezogenen, wie die Fürsten verkleidet, in den lokalen Gaststätten unterwegs, in denen junge Leute zu Tanz und Unterhaltung zusammen kamen und machten diese unsicher. 
Diese "Tradition" weitete sich über angrenzende Stadtteile aus und auch auf die Spiele der Klafelder Fußballmannschaft. Die Medien nahmen das natürlich sofort auf und es dauerte nicht mehr lange, bis für diese alle Siegerländer Klafelder "Fürsten" waren. Mein Vater meinte einmal, dass diese Klafelder Fürsten eher unangenehm, habgierig und angeberisch wirkten und die einheimischen eher abgezogen als bereichert haben. Dieses Bild ist ihm noch aus seiner Kindheit und Jugend Ende der 60er/70er Jahre in Erinnerung geblieben. Textlich gesehen geht es auch in dem Gedicht um die alte Vergangenheit des Stadtteils, der sich nach dem zweiten Weltkrieg stark verändert hatte. Beide Weltkriege brachten Hungersnöte und Elend. Der Stadtteil wurde in den 50er Jahren mit anderen zusammengelegt, umbenannt und es gab einen großen Wirtschaftszuzug infolge des Wirtschaftsaufschwungs der 60er Jahre. Aus dem ehemaligen Ort entstand eine Kleinstadt mit Nachkriegsbauten der 50er/60er die bis heute das Stadtbild prägen. Diese Veränderungen passte den originalen Klafeldern weitesgehend nicht.
Das Gedicht wurde komplett in Siegerländer Platt von mir geschrieben. In der Version von '74 betraf das nur den Refrain. Das Siegerländer Platt ist ein moselfränkischer Dialekt, der sehr markant ist und sich vor allem durch das rollende, texanische und gutturale "R" auszeichnet. Von Stadtteil zu Stadtteil variieren sogar dieser Dialekt in seinen Begrifflichkeiten. Man versteht jetzt auch aufgrund der "geographischen abgeschotteten Lage" des Siegerlandes, dass sich über die Jahrhunderte dort ein eigener Dialekt entwickelt hat. Das macht diese Region auch zu etwas besonderem.

Wie sehr ist die Bergbau-Vergangenheit des Siegerlands heute noch in der Region präsent und was zeichnet Siegen 2021 aus?

Der Bergbau und die Eisenverhüttung wurde schon nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach und nach stillgelegt. Es gibt weiterhin noch viel Industrie und Metallverarbeitung aber keine klassischen Hochöfen beziehungsweise Fördertürme wie im Ruhrgebiet. Das Siegerland war für die Rüstungsindustrie im Deutschen Reich mit ca. 30% Anteil der größte Eisenlieferant weit und breit im gesamten Staatsgebiet. Diese Mengen sind wirklich beachtlich. Dadurch kam es in dieser Region auch zum Wohlstand. Heute sieht es ganz anders - auch ähnlich dem Ruhrgebiets. Siegen hatte in den 80ern und Ende der 90er Jahren einen starken Bevölkerungsrückgang. Viele meiner Freunden und Klassenkameraden haben die Region verlassen, da sie etwas perspektivlos ist. Die Universität Siegen warb auf Antwort darauf ab den 2000ern um NC-freie Studienplätze. Es folgte ein regelrechter Boom mit mittlerweile 17.000 Studenten. Ein anderer Grund ist auch, dass die Mieten in dieser Region äußerst attraktiv sind.


Du hast im finalen Track einer deiner Lieblingsbands Tribut gezollt. Wonach hast Du den Track ausgesucht, den Du hier neu interpretiert hast?

Ich habe mich für den Track "Soldiers of Hell" von Running Wild von dem ersten Album "Gates to Purgatory" von 1984 entschieden, da ich schon immer ein RUNNING WILD Cover machen wollte. Diese Band favorisiere ich schon seit meiner Jugend. Ich hätte es für nicht repräsentativ gefunden einfach irgendeine Black Metal Gruppe zu covern, weil es gerade passt. Ich denke, dass gerade dieser Song einen guten Kontrast musikalisch den anderen Songs bietet aber trotzdem immer noch mit der Rohheit und Härte der anderen Songs mithalten kann. Die Ursprünge des Black Metal liegen etwas im Punk und im Speed Metal. Ich denke, dass der Song diese EP ganz gut verkörpert und ergänzt und mein Wesen widerspiegelt.

GHUL ist ein Do-It-Yourself-Projekt, wo Du alles selbst gemacht hast. Wer hat Dich aber sonst noch bei der EP unterstützt vor allem was Artwork, Logo etc angeht?

Do-It-Yourself-Projekt ist eine für mich etwas schwammige und seltsam moderne Bezeichnung. Ich habe quasi alles alleine gemacht, also quasi ein Soloprojekt wenn man es so nennen will. Dies hat durchaus seine Vorteile: beim Song-Writing zum Beispiel - bei der Aufnahme über den Mix und das Master macht es aber immens viel mehr Arbeit. Für mich war das auch ein erster Versuch, mit dem ich ganz zufrieden geworden bin. Ganz nach dem Motto probieren geht über studieren. Ein paar enge Freunde haben mir Empfehlungen und Tipps für das

Recording und abmischen gegeben. Beispielsweise Rob (Schlagzeuger von EPICEDIUM) für den Mix und die Drums, Abdiroth (SPHAERIA | TOTENSTURM) für die Vocals. Vielen Dank nochmal an dich für die geilen Vocals bei den drei Songs [Anmerkung: Adrian (BLAKYLLE-Sänger und Interviewer) hat bei drei Songs der EP Gast-Vocals beigesteuert]

Ist diese Demo eine einmalige Sache oder wird es in Zukunft noch mehr von diesem Projekt zu hören geben?

Ich habe geplant zukünftig noch ein volles Album von GHUL zu produzieren, da es ziemlich gut geklappt hat. Ideen oder in welche Richtung es geht habe ich aber leider noch nicht. Ich finde die Wintermonate eignen sich für mich persönlich emotional am besten dazu diese Musik vorzuführen. Eventuell habe ich auch wieder ein paar Gastmusiker dabei.

Gibt es noch etwas was unbedingt erwähnt werden sollte?

"Unbedingt erwähnt" nicht, aber vielleich noch etwas an die Leute, die Musik gerne machen möchten aber es nicht können oder sich nicht sicher sind. Die Konkurrenz ist groß, aber im Endeffekt macht man diese Arbeit nur für sich selbst und für wenige, die die Musik mit einem teilen möchten. Ein bisschen Eigeninitiative und Kreativität schadet nie. Gerade heutzutage wo man meinen könnte, es wurde schon alles erschaffen und es zuhauf Bands gibt, die einfach Musik seelenlos kopieren - gerade in bestimmten extremen Genres bleibt immer noch etwas Luft für ein bisschen Kreativität und was Neues.

[Adrian]

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