Sonntag, 10. Januar 2021

CD-Review: Lacrima Mortis "Posthumous"


Mir fällt gerade auf, wie lange ich keinen Doom Death Metal mehr gehört habe. Anfang der letzten Dekade, war dieses Subgenre mein Soundtrack für einsame Abendstunden - und damals gab es weder Pandemie noch staatsgefährdende Krawalle. In Anbetracht der Weltlage wäre es also gar nicht so unpassend sich wieder einmal den schleichenden Todesgrunzern und Downtempo-Beats hinzugeben. Zum Glück liegt aktuell ein entsprechendes Machwerk auf meinem Schreibtisch: "Posthumous" von LACRIMA MORTIS aus dem brasilianischen Blumenau (auch wenn der Ortsname so klingt als würde die Kapelle aus dem Bergischen Land stammen, liegt die Stadt tatsächlich am Zuckerhut). Die CD umfasst neun Tracks verteilt auf knapp 48 Minuten, was für ein Doom-Death-Album erst einmal sportlich ist. Immerhin durchbricht nur ein Song die Zehn-Minuten-Schallmauer (dazu weiter unten mehr). Abseits vom Intermezzo

'Saudade' und dem Outro 'Dereliquit Deum' bewegen sich die allermeisten Songs in einem Korridor von fünf bis sieben Minuten. Das finde ich gar nicht schlecht. Denn nur weil man Doom Metal macht, muss man den Hörer nicht durchgängig mit 15-Minuten-Mammutwerken einschläfern. Die Südamerikaner haben es außerdem verstanden, dass ein Kontrast aus mahlendem Funeral Doom und angeschwärzten Blasts (wie stellenweise bei 'Distress & Decadence') deutlich besser zum Aufbau einer dichten Klangkulisse geeignet ist, als Monotonie und eine zu orthodoxe Versteifung auf möglichst wenig BPM. Wenn sie nämlich genau das tun, kommt das bereits angesprochene Epochalwerk 'Words Of Blood' dabei raus, das mit seinen fast elf Minuten sehr stark an meinen Nerven zerrt. Vor allem im Vergleich zum folgenden 'Imprisoned in Death' merkt man, dass dem Quintett kürzere Lieder besser zu Gesicht stehen als solche mit Überlänge. Auch bei 'Optare Mortem' sieht man deutlich, dass der Mut zur Experimentierfreudigkeit sich lohnt! Dieser subtile Symphonic-Einwurf in der Mitte lockert das monolithische Klangbild herrlich auf und hält den Hörer davon ab, geistig abzuschweifen. 'Shades Of Destiny' treibt den Gedanken sogar noch weiter und bewegt sich mit seinem melodischen Rock-Riffing und unaufdringlichen Keyboards geradezu in Old-School Gothic Metal Sphären! Wieso können CREMATORY nicht einfach mal wieder so klingen?  

Insgesamt gibt es bei LACRIMA MORTIS einiges zu entdecken, was man bei den ersten Durchläufen übersehen kann. Ich habe "Posthumous" zuerst im Auto gehört und war beim Fahren etwas unbeeindruckt gewesen, da es sich zuallererst wie handelsüblicher Funeral Doom Metal anhört: langsam, monoton und gleichförmig. Zu Hause mit Kopfhörern allerdings ist mir aufgefallen, dass hier von leicht-angeschwärzten Nuancen, über jede Menge Old-School Death bis hin zu traditionellem Gothic Metal ganz am Ende eine Menge rauszuholen ist. Zugegeben, gerade in der Mitte hat die Platte einige Längen. Das kann man bei einer Doom-Platte aber noch verschmerzen, da man sie ohnehin nicht auflegt, um die Birne zu schütteln, sondern sich eher darin zu verlieren. Kurzum, wer sowohl alten PARADISE LOST als auch EVOKEN einiges abgewinnen kann, wird hier seinen Spaß haben.
Seit 27.05.2020 gibt es die CD bei Talheim Records zu erwerben.

7,5 von 10 Punkten

[Adrian]  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen