Samstag, 20. April 2019

Live-Review: Heidelberg Deathfest 2019 (Teil 2)

In unserem zweiten Teil über das Heidelberg Deathfest sezieren wir die Filetstücke des Tagesfestivals und besprechen die Auftritte jener Bands, die für viele Besucher den Grund bildeten, sich in die Halle 02 zu begeben. Mit dabei sind dieses Mal unter anderem ILLDISPOSED, SPASM, VOMITORY und die altehrwürdigen UNLEASHED.

Mit einem epischen Intro ziehen die Bayern von FLESHCRAWL ein und lassen
Fleshcrawl
sich zu Recht ordentlich abfeiern. Immerhin sind die Illertissener bereits seit knapp 30 Jahren Teil der deutschen Death-Metal-Szene und gehören zu den wenigen Urgesteinen unseres Landes, die bereits seit den 1990ern existieren und auch international wahrgenommen werden. Seit 2007 warten zwar Fans auf ein neues Album der Truppe, aber live tut das der Begeisterung keinen Abbruch. Sänger Sven Gross ist unheimlich gut darin mit der Menge zu kommunizieren und stachelt auch abseits seiner tiefen Grunts die Zuschauer immer wieder an mehr und mehr abzugehen. Mit Songs wie 'Hellspawn' oder 'Written In Blood' trifft man auch stets den Geschmack der Anwesenden und macht nicht nur mir eine besonders große Freude als gegen Ende 'As Blood Rains From The Sky' aus den Boxen tönt. Dieser Gig auf jeden Fall eines meiner Top drei Highlights an diesem Tag.

Mit SPASM geht es im Anschluss weiter und hier fällt vor allem mal wieder die nackte Haut auf, die die Band uns offenbart. Besonders Sänger Radim lässt sich
Spasm
nicht lumpen und schlüpft wie so oft in seinen knappen Borat-Bikini und wirbelt darin über die Bühne, während er grunzt wie eine Hängebauchschwein auf Meth. Der Grindcore der Tschechen ist sehr simpel gehalten und verzichtet sogar völlig auf eine Gitarre - man sorgt aber mit ordentlich Distortion dafür, dass der Bass dieses Vakuum ausfüllen kann. Ähnlich wie auch schon bei RECTAL SMEGMA gilt auch hier das Motto: Hauptsache ihr habt Spaß. Denn anspruchsvoll ist das Material der Porngrinder in keinem Fall und würde bei mir eher selten im heimischen Player landen. Dafür unterhält das Trio on stage umso besser, was nicht zuletzt auch an der sympathischen Art der Mitglieder liegt, die zum Beispiel einen Song all jenen widmen, die sich an die Zeit erinnern können als man noch nicht jede Form der Pornographie im Internet bekommen konnte und auf andere Medien ausweichen musste. Das ist alles irgendwie geisteskrank, aber macht auch extrem viel Laune.

Illdisposed
Wem das eben zu lustig war, der wird auch bei ILLDISPOSED nicht viel mehr Glück haben. Denn auch wenn die Dänen ziemlichen knackigen Groove Death Metal zocken, der in sich oftmals nur subtilen Spaß versteht, sind die Ansagen von Frontmann (sowie dem letzten Gründungsmitglied in Personalunion)  Bo Summer dafür umso komischer. Es ist Tradition, dass der Nordeuropäer mit seinen begrenzten Deutschkenntnissen das Publikum unterhält. Besonders oft fällt in diesem Zusammenhang das Wort "schwul". So sind VOMITORY und UNLEASHED genauso schwul wie auch die Dänen selbst. Langweilig wird es definitiv nicht mit dem Quartett. Insgesamt betrachtet ist  der dänische Vierer wohl einer der melodischsten Acts des heutigen Abends, aber durch das Subwoofer-Organ von Bo, das alles zum Beben bringen kann,  fällt das nur bedingt auf, durch die recht eingängigen Gitarren können sich wiederum viele Zuschauer auf diese Truppe einigen. Vor allem von Kollege FilmElf gibt es für den Auftritt ganz viel liebe Worte und auch noch Stunden später ist er von diesem Auftritt ganz verzaubert. Kurz gesagt, alles richtig gemacht! 

 So, jetzt reicht es aber genug mit Humor! Kommen wir zu den dicken Brettern, die sozialkritisch gebohrt werden wollen. MISERY INDEX ist eine Deathgrind-
Misery Index
Combo, die 2001 als Abspaltung ehemaliger DYING-FETUS-Mitglieder entstanden ist, und spielt inzwischen locker auf Augenhöhe mit den alten Weggefährten. Die Show zeichnet sich durch einen unheimlich energiegeladenen Deathgrind Mix aus, was sich auch in der Performance niederschlägt. Die Mitglieder stehen nur selten starr herum, sondern sind alle immer irgendwie in Bewegung (was nur für Fotografen ein Problem darstellt). Völlig entgangen ist mir derweil, dass etwa zwei Wochen vor dem Heidelberg Deathfest gerade das erste neue Album der Band in fünf Jahren erschienen ist. Ich gebe es offen zu, auch die Amerikaner sind auf der Bühne spannender als auf Platte. Aber die Songs vom neuen Dreher "Rituals Of Power" gehen live so richtig ab und lüften die Gehörgänge der Anwesenden mal so richtig durch. Viel mehr kann man zu den Auftritten der Marylander aber nicht sagen (ohne vollends in Plattitüden abzurutschen). "Auf die Bühne und auf die Schnauze" ist im Grunde das einzige, was man über MISERY INDEX wissen muss - oder wie Andi sagen würde: "Death Metal muss ballern!"

Ballern kann auch unsere erste Legende aus Schweden. Nach der Auflösung
Vomitory
2013 treten die Elchtod-Urgesteine von VOMITORY seit kurzer Zeit wieder regelmäßiger live auf und machen dabei nicht den Eindruck je weg gewesen zu sein. Ähnlich wie auch schon FLESHCRAWL hat man seit Langem kein neues Studioalbum mehr veröffentlicht und wird trotzdem frenetisch abgefeiert. Kein Wunder, der Schwedentod der Karlstader ist unheimlich rockig und rhythmisch und man kann sich diesem Mix nur schwer entziehen. Auch wenn das Sideproject CUT UP  der Nordmänner nicht bei jedem Fan auf Gegenliebe stößt (wie man in unserem Vlog feststellt), ist die Zustimmung für VOMITORY ungebrochen. Das liegt auch daran, dass diese Reunion kein billiger Cash Grab zu sein scheint und die Mitglieder richtig Bock haben ihre alten Hymnen wieder live zu präsentieren, was sich auch in den gut gelaunten Ansagen niederschlägt. Deswegen kann ich mich mit den Fans, mit denen ich gesprochen habe, auch darauf einigen, dass ich die Schweden selten so stark erlebt habe wie heute in Heidelberg. Kurzum, so muss ein würdiger Co-Headliner aussehen.

[Adrian]

Was soll man sagen? Die schwedischen Death Metal Wikinger haben mit ihren Drachenbooten endlich die Halle betreten! UNLEASHED habe ich auf dem Party.San leider aufgrund von diversen Camping-Gesprächen verpasst und
Unleashed
konnte sie nur aus der Ferne grollen hören. Deshalb freue ich mich jetzt umso mehr. Der bittere Nachgeschmack des (Wieder-)Einlassverbots nach 22 Uhr wurde weitestgehend mit Bier weggespült und ich mache mich bereit für diese letzte, finale Death-Metal-Schlacht. Die erste Hälfte des Konzerts genieße ich allerdings von weiter hinten. Ich wollte wissen, ob mich diese Männer auch so abholen, ohne den Schwarmfaktor vieler mitgröhlender Metaller und ohne "direkten Kontakt". Und ja, tatsächlich macht die Band auch so Spaß. Die Akustik in der Heidelberger Halle 02 gilt es hier nochmal besonders zu nennen. In dieser Hinsicht gibt es überhaupt keine Probleme, bei keiner der Bands! 
Ich bin wirklich kaputt vom Tag, doch das donnernde Geballer von Gitarre, Schlagzeug und Bass kombiniert mit den heidnischen Texten hat mich wie magisch nach vorne gezogen. Dort herrscht mittlerweile bei jedem Lied absolute Eskalation, wie es bei solcher Musik eben sein muss. Es ist unglaublich was die Band für eine Energie überträgt und wie sie einen dazu antreibt, weiterzumachen, vorwärts zu gehen. Mit dieser Begrifflichkeit beschreibe ich auch gerne ihren Death Metal : Als "Vorwärts-Musik". 
Und obwohl ich eigentlich verhältnismäßig eher weniger Death Metal als Black-
Johnny Hedlund
oder Thrash-Fan bin: UNLEASHED hat es mir angetan! Das ist genau das auf was ich Bock habe! Jeder Song treibt die Leute weiter, irgendwann bin ich dann auch im Moshpit versunken. Am Rande anzumerken ist ebenfalls, dass die Pits ebenso allererste Klasse waren. Keine Spacken, die unnötig Stress suchen, keine "Karate Kämpfer der zehnten Stufe". 

Einfach nur pure Entladung. Sei es eben moshend, headbangend oder mitgröhlend bei Klassikern wie 'The Longships are Coming'  aber auch neueren Songs, zum Beispiel 'Hunt for the White Christ'. Gegen Ende werden wir noch mit einer kleinen Bierfontäne aus dem riesigen  Trinkhorn Johnny Hedlunds belohnt. So ganz "Wikinger" eben. Nachdem die Band von der Bühne gegangen ist, löst sich die Menschenmasse recht schnell auf. Einige tanzen noch nostalgisch zum aufgelegten 'September' von EARTH, WIND & FIRE, was therapeutisch wirkt, nach 70 Minuten Todesgeschieße. Trotzdem war ich der Band nie überdrüssig. Ich wollte immer mehr hören, nach jedem Song und das obwohl ich kein Die-Hard Fan von UNLEASHED bin. Das schafft auch nicht jede Kapelle. Deshalb komme ich auch zu meinem endgültigen Fazit und sage: “GEIL!” 
Wenn ihr UNLEASHED irgendwo sehen könnt und auch nur geringste Emotionen für extreme Metal Musik hegt, tut sie euch an! Sie tun ich gut! 

[Ehrenandy] 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen