Donnerstag, 28. Februar 2019

Live-Review: Laibach im Mousonturm Frankfurt

Was ein Abend! Die Slowenen von LAIBACH haben Frankfurt besucht und es im Sturm erobert. Diese außergewöhnliche Konzerterfahrung wird dem Frankfurter Publikum noch lange in Erinnerung bleiben. Aber fangen wir vorne an!

Ruhe vor dem Sturm (Foto: Adrian)
Es ist Ende Februar. Ich habe ein paar Tage frei und schaue was ich an meinem vorletzten Urlaubstag noch unternehmen kann. Vormittags stoße ich nach einer kurzen Recherche auf den Auftritt von LAIBACH, den Urvätern der "degenerierten Pop Musik" (wie sie es selbst umschreiben) aus Slowenien. Ich erinnere mich. Bereits vor einigen Monaten hatte ich von dem Konzert gelesen, aber es inzwischen schon wieder völlig vergessen gehabt. Zum Glück gibt es noch Karten im Vorverkauf. Knapp 40 Euro klingt erst einmal nicht günstig, aber bei LAIBACH handelt es sich auch um eine legendäre Band, die in den letzten vier Jahrzehnten so viele Genres und Bands beeinflusst hat, dass es diesen Ticketpreis auch ohne Vorband rechtfertigt. Die Location selbst kenne ich trotz ihrer Lage im Frankfurter Ostend (wo ich eigentlich viel unterwegs bin) bisher nur vom Hörensagen. Als ich etwa zwanzig vor Acht mein Ziel erreiche, bin ich erst einmal erstaunt. Auf den ersten Blick wirkt das Künstlerhaus Mousonturm wie ein reines Theater (was es unter anderem ja auch ist), das von einer mondänen Sterilität geprägt ist, die so gar nicht zum ansonsten eher rustikalen Ambiente herkömmlicher Locations für
Visuell beeindruckend (Foto: Adrian)
alternative Konzerte passen will. Mit 4,50 Euro für den halben Liter Pils wird man diesem ersten Eindruck auch gerecht, aber sobald man in den Konzertsaal im Erdgeschoss eintritt, vergisst man diese Gedanken wieder. Die schlichte schwarze Halle bietet Platz für grob geschätzt 500 Gäste (wovon Zweidrittel ausgelastet sein dürften - diese Angabe ist aber ohne Gewähr). Das Publikum ist komplett durchmischt. Normalos, Goths, ein paar Metaller und vor allem Kultur-Interessierte, die im Schnitt etwas über 40 Jahre alt sein dürften, bevölkern das unbestuhlte Auditorium. Die Höhe und die akustische Ausgestaltung des Raums ist perfekt für die anstehende Show, wie es sich später zeigen sollte. Als Beginn des Konzerts ist 20 Uhr angesetzt aber erst gegen 20:20 startet das Geschehen auf der Bühne, bis dahin ist die Stage in blaue Lichtsäulen getaucht, die man klanglich mit Geräuschen vom Bauernhof untermalt (kein Witz!). Der Gig beginnt mit einer exponiert ausgeleuchteten Mina, die das Hauptthema aus "The Sound Of Music" gefühlvoll
Mina eröffnet das Set (Foto: Adrian)
ins Mikro haucht. Kurz darauf steigt auch Frontmann Milan ein und konterkariert die weiche Damenstimme mit seinen markanten Vocals. Über acht Stücke hinweg beherrscht ihre ureigene Interpretation von "The Sound Of Music" das Programm. In einer schrillen Mischung aus NeoClassic, Dark Pop, Neofolk, Gothic und Wave erschafft man etwas völliges Neues aus dem klassischen Stoff und verbindet die Songs in perfekter Weise mit einer
Für jeden was dabei (Foto: Adrian)
aufwendigen Licht- und Videoshow, die ich in diesem Zusammenspiel noch nicht erlebt habe. Visuell mischt man hier immer wieder Bilder aus verschiedenen Welten. So sind Clips von Bergen und Wäldern genauso dabei, wie ein Ameisenhaufen in Nahaufnahme oder ganz viel nord-koreanische Ästhetik, die sie selbst aufsaugen konnten, als sie 2015 dort gespielt haben. Nach diesem Spannungsfeld aus Heimatfilm und Kommunismus, geht es in eine Pause von 15 Minuten. Bei einer so langen Spielzeit ohne Vorband ist das tatsächlich keine schlechte Idee ein Intermezzo einzulegen. Man kann aufs Klo gehen, eine Rauchen und/oder sich ein neues Getränk beschaffen, ohne etwas zu verpassen. Die zweite Hälfte ist deutlich düsterer geprägt. Die Visualisierung wirkt härter, industrieller und martialischer. 

Die Texte sind von ihr ab auch hauptsächlich slowenisch und die Lieder stammen
fast ausschließlich aus der Frühphase der Band bis 1985. Nach dem großartigen
Milan Fras - eine einmalige Stimme
 (Foto: Adrian)
'Ti, Ki Izzivaš' verlässt die Kapelle abermals die Bühne, dieses Mal aber nur um für eine Zugabe zurückzukommen. Wer nun allerdings auf 'Tanz Mit Laibach' oder 'Opus Dei' gehofft hat, wird leider enttäuscht. Statt der bekannten Hits gibt es mit 'Sympathy For The Devil' von den ROLLING STONES ein weiteres Cover, das (wie in der Videountermalung zu sehen) sehr stark auf Wladimir Putin bezogen wird.  Danach macht man noch ein wenig Werbung für den anstehenden zweiten Teil von "Iron Sky - The Coming Race", wo man auch wieder den Soundtrack für beigesteuert hat. Die Messe schließt man schließlich mit 'Surfing Through The Galaxy', das visuell eine witzige Hommage an alte Videospiele darstellt und musikalisch wie ein Country-Song dargereicht wird (Milan trägt hierfür einen Cowboy-Hut und Mina hat sich die Haare hoch toupiert wie in den Achtzigern). Zu guter Letzt laufen dann noch die Credits ab (was ich ebenfalls so auch noch nicht bei einem Konzert erlebt habe) und die Lichter gehen wieder an. Trotz des etwas schwachen Zugabenblocks konnte der Rest des Sets ausnahmslos überzeugen. Der Abwechslungsreichtum, die Spannungsfelder aus Witz und Brutalität oder den Stimmen von Milan und Mina sowie die kongeniale Visualisierung machen diesen Konzertabend zu einem unvergesslichen Erlebnis und einem der besten Gigs, die ich in einer langen Zeit gesehen habe. Wenn sich die Chance noch einmal ergibt, werde ich mir LAIBACH gerne wieder anschauen - etwas, dass ich auch euch nur wärmsten ans Herz legen kann.


[Adrian]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen