Montag, 25. September 2017

Live-Review: Threatening Shadows im MS Connexion Mannheim


Es ist Mitte September und der Herbst hat bereits Einzug gehalten. Da freut man sich nach einigen nass-kalten Tagen auf den letzten metallischen Open Airs, wieder auf die Annehmlichkeiten der Hallenveranstaltungen. Meinen persönlichen Kick-Off in die Indoor-Saison stellt das Threatening Shadows in Mannheim dar. Hier wird ein dickes Paket mit exzellenten Black Metal und Blackened Thrash Bands geschnürt, welches das ehrwürdige Connexion mit einem akustischen Inferno zu zerlegen vermag.

Warlust (Foto: Adrian)
Los geht es pünktlich um vier Uhr nachmittags. Noch scheint die Sonne und viele Besucher begasen sich mit mitgebrachten Bier auf dem Parkplatz, während in der kleinen Halle des Complexes die War-Metaller von WARLUST die Stage aufwärmen. Der Vierer tritt mit verschmierter, schwarzer Kriegsbemalung auf und kleidet sich in schwarzem Leder - trotz der martialischen Inszenierung wirken die Thüringer irgendwie sympathisch und nicht abgehoben. Sound-technisch ist man bereits auf einem guten Weg und die Tracks der Ilmenauer gehen gut ins Ohr. Natürlich wird das Rad hier auch nicht neu erfunden und ein klein wenig mehr eigene Kante sollte man sich auch noch zulegen, aber die Mitteldeutschen machen schon eine Menge richtig und setzen ein erstes Ausrufezeichen an diesem Tag.
Venenum (Foto: Adrian)
Die Schwabacher von VENENUM sind bereits die nächsten Gäste auf der Mannheimer Bühne und ziehen einen Auftritt runter der nachhaltig im Gedächtnis der Zuschauer bleiben wird. "Verdammt,was eine dichte Wand!", schießt es mir bereits nach den ersten Tönen durch den Kopf und auch die restliche Spielzeit über wird diese geradezu apokalyptische Stimmung lediglich von einer kurzen technischen Pause unterbrochen. Ansagen gibt es keine nennenswerten und die Songs laufen fast nahtlos ineinander über. Bereits vor einigen Jahren habe ich die Süddeutschen live erlebt und war damals ziemlich gelangweilt vom präsentierten Material. Heute ist das komplett anders! Die Songs vom aktuellen Album "Trance Of Death" sind vielfältig und scheuen sich nicht davor in fast schon progressive Regionen vorzupreschen. Darüberhinaus trägt die Beleuchtung auf der Bühne ihren Teil zur Atmosphäre bei und lässt die Musiker die meiste Zeit über lediglich als undefinierbare Silhouetten über die Bühne wandeln. In meinen Augen der beste Auftritt des Abends.
Nocturnal (Foto: Adrian)
Im Anschluss steigt der Andrang vor der Bühne merklich. Auch die Dichte an Turnschuhträgern und Old-School-Kutten nimmt zu. Schuld daran ist NOCTURNAL! Die Mainzer können auf eine reichhaltige Karriere zurückblicken und haben in dieser Zeit schon einige Besetzungswechsel durchgemacht (im Grunde ist nur noch Gitarrist Avenger übrig). Nichtsdestotrotz vermisse ich Tyrannizer. Die Sängerin war eine echte Bereicherung für die Band und hat die Rheinland-Pfälzer deutlich vom Rest der Black-Thrash-Szene abgehoben sowie eine Menge Charakter eingebracht. Ihr Nachfolger Invoker ist auf jeden Fall ein guter Sänger und zieht auch eine tolle Show runter. Aber insgesamt wirkt die Show austauschbarer als früher und fühlt sich nicht mehr zu 100% wie NOCTURNAL an. Das ist allerdings nur meine bescheidene Meinung, den in den vorderen Reihen geht es ordentlich ab und die anwesenden Fans singen mit, schütteln ihre Matten und werfen sich gegenseitig durch die Gegend. Kurzum, Hauptsache ihr habt Spaß!
Als Nächstes erwartet die Besucher der wohl ausgefallenste Auftritt des Tages. ROOT existiert seit 30 Jahren und ähnlich wie bei der Kapelle zuvor, ist auch hier
Root (Foto: Adrian)
nur noch ein Mitglied der Urbesetzung übrig und heißt passenderweise Big Boss - der bürgerlich eigentlich Jiří Valter heißt. Die Tschechen gelten für viele Unterstützer als Paten des Black Metal und ihr älteres Material lässt auch keinen Zweifel daran. Lediglich mit den neueren Songs fällt man aus dem Rahmen. Die Saitenhexer sehen dazu noch aus als hätten sie ihre Bühnen-Garderobe bei XtraX bestellt und der 65-Jährige Valter erscheint mit seinem langen grauen Bart, seinem Gehstock und seiner Robe wie ein Druide aus heidnischen Zeiten (tatsächlich ist er aber der Gründer der tschechischen Abteilung der Church Of Satan). Die aktuelleren Stücke wirken außerdem nicht sehr extrem-metallisch und gehen als reinrassige Industrial-Rocker durch. Das ist aber gar nicht so schlimm. Einerseits haben diese Titel einen guten Rhythmus und zum anderen sind sie eine willkommene Abwechselung zum Black'n'Thrash der anderen Bands. Etwas irritiert bin ich dann aber doch von dem Notenständer, den Valter die meiste Zeit über neben sich stehen hat. Scheinbar ist er bei den neueren Songs noch nicht ganz textsicher oder hat ältere Lyrics einfach vergessen? Man weiß es nicht genau. Sicher ist aber, dass der kahle Frontmann anfangs nicht mit dem Sound des Monitors einverstanden ist und sogar ein Lied unterbricht, weil ihn das Delay stört. Das Problem ist aber schnell zu beheben und bis zum Ende geht es ohne größere Unterbrechungen weiter. Das Fazit ist so auch schnell gezogen:
Urn (Foto: Adrian)
stellenweise ein skuriller Anblick, aber insgesamt ganz großes Kino.
Nachdem es zuvor etwas übersichtlicher vor Bühne geworden war, hat der Großteil der Besucher pünktlich für URN den Weg zurück in den Konzertsaal gefunden. Die Finnen um Bandgründer Sulphur haben ihr Line-Up 2016 runderneuert und treten ziemlich knackig in Mannheim auf. Ihr Sound ist ein Hybrid aus Old-School Black Metal und MOTÖRHEAD. Auf diesen Act können sich sowohl Schwarzheimer als auch Thrasher einigen und stehen so in selten beobachteter Eintracht vor der Bühne. Lieder wie 'Blood Of The Desecrators' oder 'Back From The Dead' sorgen bei beiden Lagern für ähnlich viel Begeisterung. Die lässige Performance der Nordmänner wirkt stellenweise unterkühlt, aber passt gleichzeitig perfekt zur Attitüde, die ihre Musik ausdrückt. Diese Herren werde ich mir definitiv häufiger geben!
Nach einer längeren Umbaupause geht es dann weiter mit den Franzosen von
Arkhon Infaustus (Foto: Adrian)
ARKHON INFAUSTUS, die erst seit letztem Jahr wieder gemeinsam Musik machen, denn zwischen 2009 und 2016 galt die Truppe offiziell als aufgelöst. Im Grunde ist mit Sänger DK Deviant aber ohnehin nur noch ein Originalmitglied am Start. Auch hier haben wir es also mit einem general-überholten Ensemble zu tun, das allerdings wirkt als würde es bereits seit Jahren zusammen auftreten.  Abseits von ein paar kleineren Pausen, die technischen Problemen geschuldet sind, wird dieser Gig vom Fünfer unheimlich tight runtergezockt. Abseits von einem leicht getriggerten Drum-Sound kann man allerdings nichts negatives über den Auftritt sagen, der wie Lawine über die eigene Wahrnehmung hinwegrollt. Die starken Hell-Dunkel-Kontraste mit denen die Lightshow arbeitet verstärken noch einmal das überwältigende Gefühl, das dieser Auftritt ausstrahlt. Wer eine technisch gut gespielte Katharsis haben möchte, ist hier genau richtig.
Desaster (Foto: Adrian)
Am Ende des Abends steht dann ein Headliner, der alles dagewesene dann noch einmal toppen will. DESASTER muss nicht vorgestellt werden und wurde bereits in anderen Artikeln bei uns ausführlich thematisiert. Heute gibt es ein besonderes Klassiker-Set von den Koblenzern und das lohnt sich mal so richtig! Nachdem ich die vier Herren bereits auf dem Party.San Open Air gesehen hatte, hätte ich nicht gedacht, dass sie bei diesem Auftritt noch eine Schippe drauflegen können - aber sie schaffen es! Unvergessliche Hymnen wie 'Teutonic Steel' oder 'Hellbangers' schallen aus den Boxen und die Bandmitglieder scheinen ebenfalls bei bester Laune zu sein, während die Stimmung besonders vorne immer wieder hochkocht. Es ist bereits weit nach Mitternacht, aber auch nach 'Satan's Soilders Syndicate' und 'Metalized Blood' hat die hungrige Menge noch nicht genug und bekommt mit dem VENOM-Überhit 'Countess Bathory' einen besonderen Nachtisch serviert.
Insgesamt war der Abend in Mannheim ein großer Erfolg und hat ein deutlich
(Auch) Desaster (Foto: Adrian)
bunteres Publikum zusammengebracht als die Konzerte in Speyer zuvor. Auch wenn die Sanitäranlagen im Connexion etwas rustikal sind und man den Geruch teilweise bis vor die Bühne riechen konnte, war der Rahmen gut gewählt. In der kleineren sowie niedrigeren Halle ist die Akustik besser als in größeren Venues und auch die Zuschauer stehen enger beieinander, was der Atmosphäre sehr zuträglich ist. Etwas negativ aufgefallen sind eigentlich nur die vermehrten technischen Unterbrechungen, die es fast bei jeder Band gab. Aber welches Konzertdebüt in einer neuen Location kommt schon ohne Kinderkrankheiten aus? Denn bei den wichtigen Dingen punktet das Threatening Shadows. Das Line-Up ist abwechslungsreich gewesen und die Stimmung angenehm entspannt. Wer nach einem lockeren und gleichzeitig denkwürdigen Konzertabend sucht, sollte sich diese Veranstaltungsreihe auf die Merkliste schreiben.

[Adrian]

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