Donnerstag, 14. September 2017

Live-Review: Party.San Open Air 2017 (Tag 3: Samstag)


Der letzte Tag auf dem Party.San Open Air in Schlotheim beginnt ungewohnt - nämlich trocken. Nachdem am Donnerstagabend der erste größere Schutt herunterkam und der Freitag so ziemlich komplett ins Wasser gefallen war, sorgen ein paar Sonnenstrahlen dafür, dass man sich ein stückweit mit dem Wetter am letzten Tag versöhnen kann. Allerdings ist auch an diesem Tag nicht alles Eitelsonnenschein.


Gruesome Stuff Relish (Foto: Adrian)
Gewohnt Brutal geht es am Samstag zugange: GRUESOME STUFF RELISH vertreten mit ihrem Deathgrind / Brutal Death Mix ein etwas unterrepräsentiertes Genre auf dem Party.San. Obwohl der Sound eindeutig mehr Richtung des klassischen Death Metal geht, lässt sich ein deutlicher Einschlag in Richtung  Grind nicht verleugnen: vor allem in den Stakkato Drums und dem nackenbrechenden Taktwechseln lässt sich erkennen, dass hier viel mit den gestrigen Grind-Vorgängern von GUT geliebäugelt wurde. Die Riffs bleiben allerdings deutlich im Death verwurzelt und sorgen zwischen diesen Ausbrüchen immer wieder für den rollenden Sound, der um diese Uhrzeit wohl allen beteiligten noch zu Gute kommt. Es scheint als fügt sich diese Mischung hier etwas besser in die Trägheit der Zuschauer, auch wenn die Menge an verkleideten deutlich nachgelassen hat. Die Spanier ziehen eindeutig einen energetischen, aber auch etwas generischen Auftritt durch, der zwar musikalisch stark, aber ansonsten eher wenig erwähnenswert ist.  
[Sunny]

MOURNING BELOVETH sind dann ein Paradebeispiel dafür, wie viel Einfluss Slot
Mourning Beloveth (Foto: Adrian)
und Umgebung auf die wahrgenommene Performance einer Band haben können. Für mich als Fan der Iren ist es ein hervorragender Auftritt, aber ich kann sehr gut nachvollziehen wenn mir jemand sagen würde, dass diese Musik im Hellen um 13 Uhr mittags keine besondere Wirkung entfaltet. Der langsame, episch angehauchte Doom mit Death Metal Einflüssen kommt nun einmal in einer dunklen Umgebung deutlich besser zur Geltung. Nichtsdestotrotz ein hervorragender Auftritt.
Deutlich besser zu Umgebung und Spielzeit passen dann die Schweden von
Merciless (Foto: Adrian)
MERCILESS. Der Death Thrash bringt gut Bewegung in die Menge, und zum 30-jährigen Jubiläum lassen die Herren sich Ihre Spielfreude nicht nehmen. Die Setlist finde ich persönlich nicht allzu gut gewählt, aber das ist bei der Menge der Hits auch einfach Geschmackssache. Guter Auftritt, aber der letzte Funke wie beispielsweise bei DEMOLITION HAMMER am Vortag springt bei mir einfach nicht über.
[Nezyrael]

HADES ALMIGHTY? Sorry, das klingelt nichts. Ich habe mir nicht einmal Notizen zum nächsten Act gemacht. Das ist kein gutes Zeichen. Allerdings scheinen sie nach anderen Konzertberichten vor Ort gewesen zu sein. Höre ich nachträglich noch einmal in die Black-Metaller hinein, dann weiß ich auch wieder warum diese Herren ausgelassen habe. Ziemlich langweilig und ultra-generisch hinterlassen die Norweger keinerlei Eindruck in meinem Neocortex. Wahrscheinlich war ich auch etwas essen, als diese Herren angefangen haben. Allerdings gibt es keinen Grund dieser Truppe hinterher zu trauern.
Wo wir gerade bei verzichtbar sind, ist auch Technical Death Metal nicht weit.
Cryptopsy (Foto: Adrian)
Allerdings muss ich sagen, dass ich trotz meiner Abscheu gegenüber diesem Genre eigentlich bisher gut klar gekommen bin mit CRYPTOPSY. Die Song-Auswahl ist schnell erklärt: es handelt sich um die Tracklist vom 1996er Album "None So Vile". Für Fans der Frühphase ist das natürlich ein Fest und auch Sänger Matt McGachy heizt die Stimmung mit seiner kreisenden Matte ordentlich an. Vielmehr lässt sich aber auch nicht zum Auftritt sagen - in der Hauptsache werden gelernte Tech- und Old-School-Death-Metal-Riffs runtergezockt, die gut ins Ohr gehen, aber bei einem Gelegenheits-CRYPTOPSY-Hörer (wie mir) nur wenig Nachhall hinterlassen.
[Adrian]

Inquisition (Foto: Adrian)
Auch wenn das Gimmick der zwei Mann Gespanne durch immer häufigere Instanziierungen à la BÖLZER, MANTAR oder BELL WITCH etwas an Spannung verliert, macht es doch kaum jemand besser als INQUISITION. Die mittlerweile zu Klassikern der Szene aufgestiegenen Musiker schaffen es trotz der physischen Leere der massiven Hauptbühne auf der sich nur zwei Personen befinden, doch genug Stimmung aufkommen zu lassen, um eine beachtliche Menge an Menschen vor selbiger aufrollen zu lassen. Mancher Fan vermisst vielleicht einige der Favoriten aus Richtung 'Invoking the Majestic Throne of Satan', aber spezifische Song-Wünsche bleiben natürlich rein subjektiv. INQUISTION rollt mit ihren Riffs durch ihr Programm als sei es Routine und obwohl musikalisch absolut nichts zu meckern ist, fühlt es sich auch sehr nach Déjà vu an. Es muss natürlich etwas Verständnis dafür angebracht werden, dass es schwer ist so starken Black Metal live preis zu geben, sich definitiv nicht verspielen zu können und dennoch versuchen unterhaltsam zu sein, aber den Fans zuliebe muss dann auch fair genug sein anzumerken, dass dieser Auftritt dem letzten, sowie dem davor sehr, sehr ähnelt. Vielleicht ist es der überbordende Platz auf der Bühne oder die Uhrzeit, aber wer diesen Auftritt verpasst hat, kann auch einfach zum nächsten gehen. Gut, aber nichts Aufregendes. 
[Sunny]

Wem INQUISITION zu roh und stumpf ist, der kriegt besser-produzierten
Necrophobic (Foto: Adrian)
Blackened Death Metal bei NECROPHOBIC geboten. Die Schweden sind ähnlich wie die Landsmänner von NIFELHEIM Vertreter der Leder-und-Nieten-Fraktion, was ihre Verbundenheit zur alten Schule verdeutlicht. Wem in der Black-Metal-Szene diese ganze sphärisch-okkulte Beschwörungsmusik der letzten Jahre auf den Sack geht, der kriegt mit 'Revelation 666' oder 'Darkside' die klassische Teufelseintreibung geboten. Mein Highlight kommt natürlich erst gegen Ende - 'Blinded By Light, Enlightened By Darkness' ist in meinen Augen das Magnus Opus der Band und so wie es in Schlotheim abgefeiert wird, scheinen auch andere Zuschauer dieser Meinung zu sein. Insgesamt ein super Auftritt - aber nichts anderes habe ich von diesen Ikonen erwartet. Danach benötige ich auch erst einmal eine Pause und verpasse so leider den Auftritt von INSOMNIUM. Die Melo-Deather sind zwar ohnehin nicht ganz meine Baustelle, aber ich habe mir sagen lassen, dass die live wirklich gut sein sollen. 
Desaster (Foto: Adrian)
Ebenfalls eine Bank auf der Bühne sind DESASTER. Man muss nicht darüber diskutieren, dass die Koblenzer internationales Renommee besitzen und weltweit auf eine breite Fan-Base bauen können. Auf dem Flugplatz Obermehler ist das natürlich nicht anders. Während das letzte spärliche Zwielicht des Tages erstirbt, wird unter amtlichen Pyro-Einsatz eine Best-Of-Show zelebriert, die sich gewaschen hat. Auch nach fast 30 Bandjahren ist die Truppe immer noch spielfreudig und hungrig wie die jungen Kapellen auf der Zeltbühne. Im Grunde ist es dann auch egal, ob neuere Songs wie 'Satan's Soldiers Syndicate' oder alte Klassiker wie 'Metalized Blood' aus den Boxen drängen - die Stimmung ist durchweg gut und provoziert die Zuschauer zum großflächigen Birne schütteln beziehungsweise Crowd surfen -  hier haben die Securities besonders viel zu tun! Aber auch der beste Auftritt muss einmal enden und so beschließt man mit einer zackigen Version von 'Tormentor' den Abend. Für mich einer der besten Auftritte des gesamten Festivals!

Nach gleich zwei bärenstarken Veteranen der alten Schule, liegt die Messlatte sehr hoch. Wie kann man jetzt noch einen Draufsetzen? Die Antwort kann nur
Possessed (Foto: Adrian)
POSSESSED sein! Nennt mich ruhig einen Fanboy, aber ich freue mich auf Jeff Beccerra und seine zusammengesuchten Mitmusiker. Natürlich ist außer dem Rollstuhl-fahrenden Frontmann kein Mitglied mehr aus dem Original-Line-Up übrig, aber ein Hauch von Legende zieht mir trotzdem durch die Nüstern. Beccerra ist einfach ein netter, bodenständiger Kerl und freut sich, dass doch so viele Besucher, den Weg vor die Bühne gefunden haben. Seine Performance ist natürlich durch seine Behinderung eingeschränkt, trotzdem sucht der sympathische Fronter den Kontakt zu allen Zuschauern und rollt immer wieder von einer Seite der Bühne zu anderen (auch wenn er sich dabei häufiger im Mikrofon-Kabel verheddert). Stimmlich macht der Godfather des Death Metal einen immer noch sehr guten Eindruck und sorgt mit 'Swing Of The Axe', 'Abandoned' oder auch 'Shadowcult' für zufriedene Gesichter vor der Bühne. Allgemeine Zufriedenheit stellt sich aber ein, als das stilprägende 'Death Metal' gezockt wird, das von seiner Bedeutung weit über seinen musikalischen Wert hinausragt. Fazit: Muss man mal gesehen haben.
Marduk (Foto: Adrian)
Wir biegen auf die Zielgerade ein und kommen zum Co-Headliner. Diesen Slot besetzen MARDUK und keiner wird bestreiten, dass der Vierer diese Aufgabe auch meistern wird. Inzwischen gibt es dieses Urgestein bereits 27 Jahre und man gehört zu den wichtigsten Schwarzmetallkommandos der Welt. Der Nachteil daran ist auch, dass eigentlich jeder Extreme-Metaller in unseren Breiten den Schweden bereits mehrfach die Ehre erwiesen haben dürfte und sehr gut mit ihrer Show vertraut ist. Wozu auch die elendig langen Ansagen und Unterbrechungen zählen, die dem Fluss der Show nicht gerade gut tun. Dabei sorgen die auf Dauerfeuer-laufenden Flammenwerfer für beste Inferno-Atmosphäre. Mit 'Panzer Division Marduk' findet man übrigens einen idealen Einstieg, der durch das noch recht neue 'Frontschwein' thematisch stimmig ergänzt wird. Zu Ende geht der Auftritt nach einer knappen Stunde dann mit 'Wolves', das für viele Besucher der letzte Live-Track des Open Airs
Triptykon (Foto: Adrian)

gewesen sein dürfte, denn TRIPTYKON ist beim besten Willen kein würdiger Ersatz für die Amis von MORBID ANGEL, die vor einigen Wochen absagen mussten. Tom Warrior hin oder her - CELTIC FROST hin oder her: TRIPTYKON bleibt eine musikalisch kontroverse Band, die man liebt oder hasst. Was andere als monumentale Tiefe und apokalyptische Stimmung empfinden, ist für mich stinklangweilig. Die Eigenproduktionen der Band geben mir nichts und wenn nicht CELTIC-FROST-Cover wie 'Procreation Of The
Tom Warrior / Triptykon (Foto: Adrian)
Wicked', 'Circle Of The Tyrants' oder 'Morbid Tales' die Setlist dominieren würden, gäbe es gar keinen Grund auf dem Festivalgelände zu verbleiben. Allerdings kann nicht mal die Nostalgie viele Besucher halten und die bereits im Laufe des Tages dezimierte Zuschauerschaft, schwindet auch jetzt noch weiter, wodurch das Party.San Open Air 2017 nicht mit einem Höhepunkt endet. Dass allerdings bereits während des Samstags einige Leute Richtung Heimat aufbrechen, ist mehr dem Wetter als dem Festival geschuldet. Auch wenn es heute trocken ist, haben einige Leute nach zwei extrem nassen Tagen den Spaß am Open Air verloren. Das Party.San Open Air an sich war wieder einmal ein gelungenes Klassentreffen der harten Szene. Für den Regen kann natürlich niemand etwas und man kann sich fast sicher sein, dass es im nächsten Jahr nur besser werden kann.
In diesem Sinne: bis 2018 in Schlotheim!

[Adrian]

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