Freitag, 19. November 2021

Live-Review: Guardians Gate (Live im Schützenhaus)


In diesen Zeiten muss man jedes Konzert mitnehmen, das sich anbietet, da man nicht weiß, ob es vielleicht das letzte Event für die nächsten Wochen oder Monate sein könnte. Deswegen nimmt man auch gerne weite Strecken auf sich und sucht Orte auf, die man normalerweise gar nicht auf dem Schirm hätte. So führte mich der Drang nach Live-Musik von den äußeren Stadtteilen Frankfurts über die Hügel des Taunus bis (fast) hin an die Pforten des Westerwaldes in ein Dörfchen im Weilburger Land, wo GUARDIANS GATE nach längerer Abstinenz endlich mal wieder die Bühne entern.
Als jemand, der in Limburg aufgewachsen ist, gebe ich es nicht gerne zu, aber wirklich oft habe ich mich nicht in den nördlichen Teil des Landkreises vorgewagt. Weilburg, Weilmünster und Co sind mir eher von der Durchreise bekannt, weswegen mir der Weg zur Location auch kaum vertraut ist. Es ist dunkel, kalt und für den November typisch sehr trist. Die verschlungenen Landstraßen durch kleine Wälder und scheinbar menschenleere Dörfer, lassen ein mulmiges Gefühl in
meinem Magen aufkommen. Sollte ich hier wirklich sein? Wo bin ich eigentlich genau? Und wird mich ein Axtmörder erwarten, wenn ich aus dem Wagen steige? Solche Gedanken schießen mir durch den Kopf als das Navi anzeigt, ich sei in zwei Minuten am Ziel, obwohl ich kein Anzeichen von Zivilisation um mich herum erkennen kann. Erst wenige hundert Meter vor der Ankunft erkenne ich das Ortsschild von Weinbach und soll laut Wegbeschreibung direkt rechts abbiegen. Das Schild "Schützenhaus" macht mir Hoffnung, dass mich Google wohl doch nicht in die Irre geführt hat. Die Anreise ist fast geschafft, aber es bleibt bis zum Ende abenteuerlich. Gegen eine Steigung von gefühlt 60° peitsche ich das Auto einen Hang hoch und erreiche meine Destination: das besagte Schützenhaus, welches mit einem großzügigen Balkon an der Stirnseite ausgestattet ist und von Bäumen
eingerahmt ist. Der Veranstaltungsort sieht malerischer aus als ich es vorab vermutet hätte. Während wir einen Parkplatz suchen, kommt neben uns gerade auch ein kleiner Reisebus an und erbricht eine Wagenladung mittelalter Herren, die scheinbar sehr durstig sind, da sie sofort ziemlich zielstrebig ins Gebäude und an die Theke drängen, nachdem sie am Eingang die entsprechenden Getränkemarken erworben haben, die heute die einzige Einnahmequelle der Veranstalter darstellen, da der Konzertabend an sich kostenlos ist und alle Besucher von den Bands persönlich eingeladen wurden.
Die erste Band des Abends hat entweder einen sehr großen Freundes- und Familienkreis oder besitzt tatsächlich sehr viele Unterstützer in der Umgebung, die sich OUT OF PLAN gerne live anschauen möchten. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich die musikalische Ausrichtung der Jungs aus den Socken haut. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass sich ihr Mix aus Deutschrock, Alternative Rock
und Pop-Punk auch ganz bestimmt nicht an verbitterte Metal-Puristen wie mich richtet. Die meisten Besucher haben viel Spaß mit den Eigenkompositionen der vier jungen Herren aus Weilmünster und wippen etwas mit wenn unanstößige Rock-Songs gespielt werden, die so auch auf einer Fetenhits von 2002 hätten stehen können. Mehr Begeisterung kommt auf, als man rüber zu den Cover-Versionen wechselt und alte Gassenhauer wie 'Elke', 'Auf gute Freunde' und irgendwas von BLINK182 zum Besten gibt. Es werden auch noch mehr Tributversionen gespielt, die ich mir nicht alle merken kann, aber es sind jene Titel, die ein gemischtes Publikum, dass im Durchschnitt über 30 Jahre alt ist, in Verzückung versetzen. Mein Fall ist so ein Mix nicht (mehr) wirklich, aber wenn die Zuschauer ansonsten Spaß haben, obliegt es mir nicht darüber zu richten, wie andere Musiker ihren Job zu machen haben. Wobei ich zumindest noch erwähnt haben will, dass der Sound anfangs nicht besonders differenziert gewesen ist und man aus dem allgemeinen Sound-Brei nur schwer die Ansagen heraushören konnte, wodurch ich ewig gebraucht habe, um in Erfahrung zu bringen wie diese Kapelle überhaupt heißt. Dass auch ihr Backdrop zur Hälfte vom Drumset der zweiten Band des Abends verdeckt wurde, hat da natürlich auch nicht geholfen. Alles in allem tut der Gig niemandem wirklich weh und als Vorband war diese lokale Kapelle sicherlich die beste Wahl, um zusätzliche Besucher ins Schützenhaus zu locken.
Nach einer kurzen Umbaupause geht es weiter mit der Band, wegen der ich heute hier aufgeschlagen bin. GUARDIANS GATE stammen ebenfalls aus dem Landkreis, aber schon zu Anfang fällt auf, dass viele Besucher vor allem wegen den OUT OF
PLAN da gewesen sind. Aber auch wenn es im Publikum ein paar Lücken gibt, legen die Guardians energetisch los und fackeln nicht lange. Besonders Sänger Flo zeigt, dass er so richtig Bock hat. Er wirbelt von Anfang an engagiert über die Bühne und zeigt die ganze Brandbreite seiner Stimme, die von hochmelodischen Hardrock-Vocals ('Guardians Tale') über G'N'R-artige Gesangslinien ('I Know What I Want') bis hin zu extremen Shouts ('Human Lies') alles zu bieten hat. Ich war schon auf mehreren Auftritten der Truppe und über die Jahre hinweg hat sich ihre Performance enorm gesteigert. Mittlerweile kann die Präsentation auch mit der Musik mithalten, die schon immer außerordentlich hörenswert gewesen ist. Frontmann Flo kommuniziert auch zwischen den Tracks verstärkt mit dem Publikum und schafft es, dass sich einige zögerliche Zuschauer dazu bewegen lassen näher an die Bühne heranzutreten (die eigentlich keine richtige Bühne ist, sondern lediglich ein abgetrennter, ebenerdiger Bereich des Saals). Die Teile des Publikums, die mitgerissen werden, verfolgen den Auftritt auch über seine gesamte Dauer hinweg mit viel Leidenschaft. Das ist bei einer Spielzeit jenseits der 100 Minuten auch gar nicht so selbstverständlich, denn die  Guardians spielen im Gegensatz zum Opener vor allem eigene Stücke, die irgendwo zwischen Hardrock, klassischem Heavy Metal und aggressiven Thrash liegen und definitiv weniger
tanzbar sind als leichtverdauliche Pop-Punk-Hits. Trotz des Härtegrads schafft es das Quintett das lokale Publikum bei der Stange zu halten und sogar einige davon im weiteren Verlauf zum moshen zu animieren. Es gibt sogar optische Akzente zu bestaunen. So hat man zum Beispiel einen bärtigen Druiden am Start um 'Welcome To The Dark Age' gebührend einzuleiten und zeigt damit, dass man auch bereit ist die Extrameile zu gehen, um dem Publikum etwas besonderes zu bieten. Im umfangreichen Zugabenblock wird es dann noch einmal richtig unterhaltsam, denn hier werden Coverversionen von unter anderem JUDAS PRIEST, TWISTED SISTER und AC/DC zum Besten gegeben, bei denen alle mitmachen können und viele auch genau das tun. Das Gesangsmikro wird mehr als nur einmal in die Menge gehalten und dankend von den Zuschauern in die Mangel genommen. Natürlich geht auch irgendwann der schönste Auftritt einmal zu Ende und trotz der Länge des Sets hört man auch nach fast zwei Stunden immer noch Rufe nach noch mehr Zugaben, was ein eindeutiges Indiz dafür ist, dass die Band eine ganze Menge richtig gemacht hat und vor allem durch ihr abwechslungsreiches Song-Writing und ihr Gespür für die richtigen Cover-Versionen das Publikum für sich gewinnen konnte. Dass die Sechssaiter einen tollen Job sowohl bei Rhythmik als auch bei den Soli gemacht haben, versteht sich schon fast von selbst, wenn man die Band schon einmal live erleben durfte. Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal anmerken, dass ich GUARDIANS GATE noch nie so stark wie an diesem Abend erlebt habe und die Entwicklung der Kapelle beachtlich ist. Das kann gerne so weitergehen und ich wünsche den Jungs, dass sie noch viele solcher Auftritte haben werden, damit auch die Menschen jenseits von Westerwald und Taunus in den Genuss ihrer Live-Darbietungen kommen dürfen. 

Nach dem Konzert geht es wieder zurück durch die dunkeln Wälder des Weilburger Lands. Sehr zufrieden und bei guter Laune fahre ich über die verschlungenen Landstraßen in der Gewissheit, dass es trotz aller gesellschaftlicher und pandemischer Widrigkeiten immer noch einen gesunden Underground gibt, der versucht Konzerte und Veranstaltungen auch in einem kleinen Kreis umzusetzen.
Eine tröstende Vorstellung, die uns hoffentlich durch diesen erneut tristen und ereignisarmen Winter bringen wird.

[Adrian]
 

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