Montag, 16. August 2021

Reingehört: Thy Light EP s/t

THY LIGHT? Es ist selten, dass mich eine Promo von einer Band erreicht, mit der ich mich auch schon vor meiner Zeit bei Totgehört auseinandergesetzt habe. Das Projekt um die beiden Brasilianer Alex Witchfinder und Paolo Bruno habe ich bereits in den späten 2000ern durch Kumpels kennengelernt, die sehr stark von der damaligen DSBM-Szene angefixt waren und da war ein Kontakt mit der vorliegenden Band unvermeidlich. Die erste Demo "Suici.De.Depression" gehört zu den Releases dieser Bewegung, die man sich auch heute noch sehr gut anhören kann, was nicht für alle depressiven BM-Platten von damals gilt. 2013, nach dem Release des Debütalbums "No Morrow Shall Dawn", wurde es etwas stiller um die beiden Musiker, die mittlerweile auch in Europa wohnen (einer in Schottland, der andere in Deutschland). Umso mehr freut es mich, dass es nun endlich ein neues Lebenszeichen aus dem Studio gibt! Die selbst-betitelte EP ist seit Juni auf dem Markt  und ich verstehe nicht, wieso nicht mehr Menschen darüber sprechen.
Im Ernst, als ich das Paket ausgepackt habe, dachte ich zuerst an einen Re-Release oder eine neue Compilation, aber die schlicht "Thy Light" betitelte CD, die in einem festen Digipak mit Papschuber und Poster daherkommt, hat zwei neue Tracks im Gepäck. Wer jetzt befürchtet, dass man bei zwei Tracks nicht viel geboten bekommt, der irrt gewaltig. Denn auch wenn die beiden São-Paulaner nie dafür bekannt waren sich kurz zu fassen, meldet man sich 2021 in geradezu biblischer Überlänge zurück. Allein der erste Track 'Infinite Stars Thereof' dauert fast 20
Minuten (!) und 'The Crossing Of The Great White Bear' ist mit etwas mehr als 17 Minuten auch länger als viele EPs in Gänze, die mich sonst so erreichen. Zusammen kommt man so auf eine Länge, die andere Kapellen als Album verkaufen würden. Dafür wiederum nimmt man sich auch eine Menge Zeit und belässt es zu Anfang bei einer einsamen, sphärischen Melodie, die viereinhalb Minuten lang die Platte einleiten darf bevor Gitarren und Gesang überhaupt mitmachen dürfen. Die einsetzende Black-Metal-Raserei beweist dann auch, dass man nichts von seinem können eingebüßt hat und es noch immer schafft emotionalen Schwarzmetall zu kreieren, dem es gelingt Wut und Härte mit viel Gefühl und Atmosphäre zu verbinden. Auch die postigen Anleihen, in der zweiten Hälfte des ersten Titels zeigen, dass THY LIGHT nicht stehen geblieben ist und die allgemeine musikalische Bewegung um sich herum registriert hat. Der Einleitung entsprechend nimmt man sich auch mehrere Minuten Zeit um den Song ausklingen zu lassen. 'The Crossing Of The Great White Bear' braucht ebenfalls lange (fast dreieinhalb Minuten) um die Gitarren zu einzubinden und setzt dann im weiteren Verlauf auch erst einmal stärker auf die klassischen Trademarks des depressiven Black Metal. Das wird vor allem die älteren THY-LIGHT-Fans freuen, die diesen beklemmenden, wabernden Grabesklang mögen. Auch wenn mir die Gitarrenmotive hier sehr positiv auffallen, muss ich doch sagen, dass mir der erste Track besser gefällt als der zweite, da es dort mehr zu entdecken gibt und mit mehr Abwechslung gearbeitet wird. Andererseits ist die zweite Hälfte der CD besser geeignet um sich fallen zu lassen und sich in ebendiesem dem Lied zu verlieren. Es sei übrigens angemerkt, dass Paolo Bruno diese beiden Songs alleine geschrieben und eingespielt hat, da es sich um sehr persönliche Stücke für einen guten Freund und ehemaligen DREAMSTATE-Bandkollegen handelt, der 2019 viel zu früh verstorben ist. 

Wie dem auch sei, in jedem Fall ist es großartig, dass wir in diesem Jahr wieder ein Lebenszeichen von einer Band erhalten haben, die ich doch mehr vermisst habe, als ich gedacht hätte. Die neue THY-LIGHT-EP ist eine tolle Verbindung aus dem Spirit der alten Glanztaten und einer intelligenten Weiterentwicklung, die so umgesetzt wurde, dass die eigene Identität nicht verloren geht. So klingt THY LIGHT auch in den 2020er Jahren noch zeitgemäß und relevant, ohne dass man dabei das Gefühl hat etwas von der gewachsenen Vertrautheit aufgeben zu müssen. Wer auch nur etwas mit atmosphärischen Black Metal anfangen kann, sollte hier unbedingt reinhören.
Seit dem 06.06.2021 kann man sich die hochwertig aufgemachte CD bei Talheim Records sichern.


[Adrian]  

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