Dienstag, 12. September 2017

Live-Review: Party.San Open Air 2017 (Tag 2: Freitag)

"Das Wetter wird bestimmt besser!" - diese Hoffnung hatten viele am zweiten Tag des Party.San Open Airs. Pessimisten und Realisten wussten allerdings bereits, dass auch der Freitag sehr feucht beziehungsweise noch nasser werden sollte als der erste Festivaltag. Auch wenn der Tag in Obermehler recht harmlos beginnt, sollte das nicht lange so bleiben.

Frühstückszeit ist Grindcore-Zeit. Auch das mittlerweile auf Nieselregen
Gut (Foto: Adrian)
heruntergefahrene Unwetter kann dieser Tradition anscheinend nichts anhaben; anstelle der üblichen Chaotenbands á la SPASM oder RECTAL SMEGMA haben sich dieses Jahr allerdings die, im Rahmen des Genres, seriöseren Germanen von GUT zur Hauptbühne begeben, um uns den morgen zu versüßen. Auch wenn die Musik frei von den üblichen Tangaträgern auf der Bühne ist, so ist das Publikum trotz allem voll davon. Niemand weiß wann im Grindcore Bananenkostüme im Circle Pit aufgekommen sind, aber offensichtlich gibt es einige die dies immer noch für unterhaltsam halten. GUT selbst beginnen dementsprechend etwas verdrossen: "Wir sind GUT. Ihr seid scheiße." Die Band ist es zum Glück nicht. Heavy und zwischen rollendem Sound und dem aggressiven Artillerietakt wechselnd prügelt sich die Band in der gewohnt kurzen Zeit durch gewohnt kurze, aber heftige Songs. Auf einem dieses Jahr sehr Black Metal-lastigen Festival scheint das tiefe Gebrumme bei den Death-Metal-Liebhabern gut anzukommen; und natürlich ebenso bei den Pömpel-schwingenden Leuten direkt vor der Bühne. Tatsächlich scheint zu diesem Zeitpunkt schon der Techniker seine innere Mitte gefunden zu haben, denn der Sound drückt selbst neben der Bühne den Riffs angemessen. Insgesamt ein sehr starker Auftritt der Band, auch wenn diesem das übliche Bravado der ansonsten Anwesenden etwas fehlt.
[Sunny]

Nach dem traditionellen Grindcore-Frühstück am Freitag geht es weiter mit Tradition der anderen Art, nämlich ursprünglichstem Old-School-Death-Metal aus Finnland. Die Herren von DEMILICH lassen dem Party.San die Ehre eines Live-Auftritts zuteil werden und auch wenn die Stimme von Antti Boman sicher nicht jedermanns Geschmack trifft findet sich doch eine ordentliche Menge vor der Bühne ein um die brachiale Gewalt von Klassikern wie 'The Echo (Replacement)' oder '(Within) The Chamber Of Whispering Eyes' gebührend zu feiern. Sehr starker und außerordentlich sympathischer Auftritt der Finnen!
Demolition Hammer (Foto: Adrian)
Brachial geht es direkt weiter mit DEMOLITION HAMMER, die mit ihrer brutalen Interpretation des Thrash Metals auch ein etwas größeres Publikum anlocken können. Songs wie 'Hydrophobia' und 'Infectious Hospital Waste' bringen dann auch Bewegung ins Publikum, etwas das beim (ebenfalls starken) Auftritt der Band beim Keep It True ein wenig vermisst wurde. Macht Bock und trotz nach wie vor tristem Wetter viel Lust auf Bier.
[Nezyrael]

Danach kommt KALMAH und was soll ich sagen? Die Herren aus Oulu mögen ihre Daseinberechtigung haben, aber auf dem Party.San Open Air wirkt ihr heftig melodischer Finnenstahl leicht deplatziert. Die Schnittmenge aus NORTHER, CHILDREN OF BODOM und ENSIFERUM hätte ich mit 18 Jahren noch schwer abgefeiert, aber Mitte der 2010er Jahre lockt man damit nur noch wenige Metaller hinter dem Ofen hervor. Vom Zelt aus klingt der Mix ganz nett, aber zu mehr als zur Hintergrundmusik zum Ravioli kochen taugt die Band für mich nicht.
Danach ist der Gang vor die Bühne allerdings Pflicht, denn die Death-Metal-
Vital Remains (Foto: Linda)
Veteranen von VITAL REMAINS schicken sich an ein Inferno zu entfachen und selbiges erwarten sie auch vom Publikum. Vokalist Brian Werner motiviert das Publikum durchweg sich zu bewegen und ist sich auch nicht zu schade selbst in den Mosh Pit zu springen, auch wenn dort sein Todfeind auf ihn wartet: eine Frühlingszwiebel. Die einzige Sache in der Welt gegen, die er ziemlich allergisch ist, wie er nach seine Rückkehr auf die Bühne gesteht. Kein Gemüse aber dafür schwarze Banner und Ziegenschädel finden sich auf der Stage, die Werner gerne als Requisiten benutzt um 'Scorned' oder auch 'In A World Without God' optisch zu untermalen. Ab Mitte des Auftritts wird von den Fans vehement 'Dechristianize' gefordert und letztendlich auch gespielt, womit dieser rundum perfekte Gig endet. Die Interaktionen mit den Zuschauern wirken ehrlich und nicht einstudiert, die Songs werden brachial gespielt, sind gut arrangiert worden und auch der Sound klingt heute auf dem Airfield ganz ordentlich. Für mich eine glatte Eins!
[Adrian]

UADA sind ein interessanter Fall im kontemporären Black Metal. Obwohl erst seit
UADA (Foto: Linda)
zwei Jahren existierend hat sich diese Band bereits auf die Hauptbühne des Party.San hochgearbeitet um ihr bisher einziges Album 'Devoid of Light' zum besten zu geben. Böse Zungen behaupten UADA wirke etwas künstlich aus den letzten Trends des Black Metal geschaffen: Keinerlei Einführung sondern bloßer Sound, die gesichtslosen Bandmitglieder standhaft am selben Orte stehend und ein dichter, drückender Gitarrenwall durchzogen von simplen Melodien und extremen Drums; das alles klingt schwer nach der aktuellsten Strömung erfolgreicher Black Metal Bands der letzten Jahre.  Vor allem vergleiche zu THE COMMITTE oder den aktuell gefeierten MGLA werden immer wieder laut und das nicht zu unrecht: Songkomposition und Klang ähneln sich doch etwas zu stark um als Zufall gelten zu können. Allerdings muss auch absolut zugestanden werden, dass UADA die Formel mehr in den amerikanischen, melodiösen Stil abändern und durchaus etwas eigenes schaffen. Vor allem die immer wieder aufkommenden Breaks mit starken Gitarrenmelodien, welche leider in der Abmischung vor der Bühne stark verloren gehen und einigen ohne Kenntnis des Albums vielleicht verborgen bleiben, sind ebenso gut geschrieben wie mitreißend. UADA reiten ganz klar die Welle aus melodiösem, aber wenig ätherischem Black Metal und dies auch offensichtlich mit Bravour. Wer über den erdrückten Sound und die doch recht statischen Musiker hinweg sieht, erlebt hier einen der stärksten musikalischen Auftritte des gesamten Festivals.
[Sunny]

Nachdem sich UADA als aufgehender Stern am Schwarzheimer Himmel präsentieren konnten, zeigt das Interesse an MOONSORROW steil nach unten. Im Vergleich zum 2009er Auftritt der Nordmänner auf dem Party.San, findet sich heute nur eine überschaubare Menge an Besuchern ein, um sich den Gig der Finnen anzuschauen. Das liegt sicher nicht an der Qualität der Songs oder den Fähigkeiten der Musiker. Vielmehr hat sich ihr Stilmix einfach stark abgenutzt und zum anderen haben die Wolken mal wieder den Hahn aufgedreht.
Aura Noir (Foto: Adrian)
Bei AURA NOIR wird es glücklicherweise etwas trockener und der extrem lässige Blackened Thrash der Norweger ist nicht dazu verdammt hinfort gespült zu werden. Im Gegenteil, die 'Sons Of Hades' trotzen dem Wetter mit unverhohlener Hybris, indem sie direkt am Anfang ihren Herrschaftsanspruch proklamieren. "We are AURA NOIR. We are the best band in the world", ruft das Trio von der Bühne und lässt der steilen These mit 'Fed To The Flames' und 'Hades Rise' auch entsprechende Taten folgen. Ob Sie nun die allerbesten Musiker der Welt sind, darf bezweifelt werden, aber eine hervorragende Live-Kapelle sind sie auf jeden Fall.
Danach beschließt der Himmel sich gegen VADER zu verbünden. Der so ziemlich heftigste Platzregen des Wochenendes kommt während der Show der Polen herunter und zwingt sehr viele Besucher zur Flucht ins Partyzelt oder an andere Unterstände, die mit steigender Intensität immer weniger werden. Wirklich hart-gesottene Fans bleiben bis zum Schluss vor der Stage und feiern die eigenen Helden nach aller Regeln der Kunst ab. Hier gilt die Regel, dass man erst nass ist, wenn auch die Unterhose trieft.
Nile (Kack-Foto: Adrian)
Das Wetter bleibt auch weiterhin bescheiden und jetzt spielt auch noch NILE! Auch wenn es unfair ist, kann ich hier nicht neutral bleiben. Ich kann diese Tech-Frickel-Deather nicht ausstehen. Der Sound ist mechanisch und stinklangweilig. Die Growls sind generisch und  eintönig. Es geht mir nicht in den Kopf rein, wieso so eine  Mischung so viele Menschen (auch noch bei Regen) vor die Bühne holen kann. Wenn ihr Spaß habt an ägyptischen Mythen und Riffbrettgewichse, dann stellt euch bei Songs wie 'In The Name Of Amun' in die erste Reihe, ich suche mir nach einer Weile lieber ein trockenes Plätzchen, denn die Licht- und Wetterverhältnisse lassen mich nicht einmal gute Fotos von den Amis schießen.
[Adrian]

Candlemass (Foto: Adrian)
Bei CANDLEMASS hat man einigen Zuschauern dann durchaus angemerkt, dass das Wetter den ganzen Tag über eher auf der unangenehmen Seite angesiedelt war, aber weder das noch die Equipmentprobleme (hust, der Lufthansa, hust) konnten der Spielfreude der Mannen etwas anhaben [Anmerkung von Adrian: Equipmentprobleme, die von einer skandinavischen Fluglinie verursacht wurden, nicht der Lufthansa - aber zum Glück waren auch GUT zur Stelle um den Schweden ihre Ausstattung zur Verfügung zu stellen] . Die Band zählt nicht umsonst seit etwa 30 Jahren zu den größeren Ihrer Zunft, aber man hat auch das Problem derart langlebiger Bands schnell auf den Punkt gebracht – keine Setlist kann jemals alle zufrieden stellen. So spielt man zum Beispiel zum großen Unverständnis des Autors keinen einzigen Song der herausragenden "King Of The Grey Islands" [Anmerkung von Adrian: ja verdammt, das fand ich auch skandalös!], aber Songs wie 'Mirror, Mirror', 'Bewitched' und 'Solitude' können durchaus darüber hinwegtrösten.
[Nezyrael]

"Darf ich jetzt zurück ans Zelt?", denke ich mir kurz vor 24 Uhr und betrachte meine völlig durchnässten Schuhe (bereits das zweite Paar in zwei Tagen). Aber noch sind wir nicht fertig. Denn der Headliner des Tages steht noch aus! AUTOPSY sieht man nicht an jeder Tankstelle und deswegen ist das Interesse bei den Zuschauern entsprechend riesig. Es könnte Blut regnen und trotzdem wäre
Autopsy (Foto: Adrian)
der Andrang bei Chris Reifert und Co wahrscheinlich ungebrochen. Mit den Klassikern 'Twisted Mass Of Burnt Decay' und 'Severed Survival' beginnt das Set kraftvoll und energetisch. Der Tacho ist direkt am Anschlag und die Kalifornier machen auch im weiteren Verlauf keine Gefangenen. Man bedient sich fast ausschließlich am Material der ersten vier Alben und spielt nur vereinzelt neuere Lieder. Das freut die Maniacs in den ersten Reihen, die ihre Birnen fast durchgängig schütteln, während der Altmeister hinter den

Chris Reifert (Foto: Adrian)
Drums spielfreudig vor sich hin grollt. Da kann man auch schon mal eine Bierzeltgarnitur durch die Menge surfen lassen! Als Dank für so viel Enthusiasmus, spielt AUTOPSY ein Cover von BLOODBATH zum Ende hin. Allerdings betont Reifert, dass es hier nicht um die Schweden, sondern um die Kalifornier von BLOODBATH geht, die Mitte der 80er Jahre einige Demos veröffentlicht haben. Darunter auch ein Song names 'Fuck You', den man inbrünstig intoniert.
Alles in allem ein super Abschluss für einen an sich starken zweiten Festivaltag, der leider durch das nass, kalte Wetter massiv sabotiert wurde. Wenn es einen Ort gibt, an dem man sich eine Möglichkeit wünscht das Wetter zu steuern, dann ist es in Schlotheim! Jedoch sollte auch von alleine der Wettergott am Folgetag ein Einsehen haben. Dazu aber mehr in unserem letzten Teil der Party.San-Reihe.


[Adrian]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen