Montag, 25. August 2014

Live-Review: Party.San Open Air 2014 (Part II)



Nach dem wir bereits Impressionen und einen Bericht vom ersten Festival-Tag geliefert haben. Geht unsere Rezension zum Party.San Open Air 2014 in die nächste Runde! In diesem Teil beschäftigen wir uns mit den Bands, die am Freitag den Flugplatz gerockt haben, aber werfen auch einen Blick auf die Zeltbühne, die an diesem zweiten Festivaltag die Pforten zum ersten Mal in diesem Jahr geöffnet hat.


Der Freitagvormittag hält ein Grindcore-Frühstück für uns bereit. Die perversen Tschechen von JIG-AI versorgen die zur Mittagszeit Anwesenden mit einer deftigen Portion harter Klänge. Leider ist das Set etwas beschnitten, da aufgrund technischer Probleme erst zehn Minuten später als geplant losgelegt werden kann. Trotzdem lassen sich die Grinder die Laune nicht verhageln und begrüßen ihre "deutschen Freunde" sogar auf Deutsch. Die Unterstützer sind sogar recht zahlreich erschienen und beantworten diese Freundlichkeit mit "JIG-AI, JIG-AI"-Rufen (die teilweise aber eher nach "Sieg Heil' klingen). Der Gig an sich ist super und die Musiker sehr dynamisch. Dennoch ist leider bereits nach 20 Minuten schon wieder Schluss, dennoch hat sich das frühe Aufstehen gelohnt.




Ebenfalls viel Aufmerksamkeit erhalten die Amis von HAVOK. Die Jungs aus Colorado kommen mit ihrem traditionellen Thrash mit tödlichem Einschlag sehr gut an und überraschen viele Besucher, die bisher keinen Kontakt mit den Jungs hatten. Anzumerken ist aber, dass die Ansagen in bester S.O.D.-Manier mit jeder Menge "Fucks" angereichert sind und auch bei der Performance der Nordamerikaner mächtig herumgealbert wird. Humor ist halt wenn man trotzdem lacht.

Die Finnen von LOST SOCIETY dagegen sind wesentlich netter bei ihren Ansprachen und spielen lieber authentisch ihren 80s Thrash herunter. Dabei dürften die noch recht jungen Mitglieder diese Dekade kaum bewusst wahrgenommen haben. Die Performance wiederum ist sehr bewegungsfreudig und vor allem der Frontmann wirbelt sehr engagiert über die Bühne. Allerdings ist auch die Saitenfraktion nicht faul und so duellieren sich die Gitarristen geradezu mit ihren Soli. Eine ausgiebige Interaktion mit dem Publikum sorgt außerdem dafür, dass die Zuschauerreaktionen über das übliche Höflichkeitsgeklatsche hinausgehen.



Bei AHAB ist das Interesse dann aber noch mal eine Ecke größer. Die nautischen Doom-Metaller verzaubern mit ihrem Downtempo-Sound das Party.San-Publikum und bieten bei den hohen Temperaturen die nötige Verschnaufpause. Die vier überlangen Songs sind epische Monolithen, deren Wirkung man sich nur schwer entziehen kann. Songs wie 'Deliverance' oder 'The Hunt' sind zwar auch auf Platte bärenstark, aber gehen heute besonders gut runter und das obwohl der Klargesang etwas zu leise ist. Das alles überstrahlende Highlight des Gigs ist aber das OMEGA-MASSIF-Tribut. Erst adeln die Süddeutschen die Post-Doomer als eine der besten deutschen Kapellen und spielen dann ein atemberaubendes Cover des Songs 'Wölfe'. Insgesamt ein mitreißender Auftritt.


Zu INQUISITION im Anschluss muss eigentlich gar nicht mehr so viel gesagt werden. Leute, die mich kennen, wissen, dass ich nie so ganz mit dem amerikanisch-kolumbianischen Knüppel-Duo warm geworden bin. Dennoch muss ich zugeben, dass diese Zwei-Mann-Band einiges aus ihren Verstärkern herausholt und so klingt als stünde eine ganze Armee auf der Bühne. Außerdem wirken Drummer und Gitarrist alles andere als verloren und beweisen, dass sie auch großen Open-Air-Bühnen gewachsen sind.
Mit 'Nefarious Dismal Orations' oder 'Those Of The Night' werden auch einige "Hits" ausgepackt, die vom Publikum gebührend abgefeiert werden. Mit 'Astral Path To Supreme Majesties' wählt man außerdem ein starken Rauswerfer. Insgesamt muss ich zugeben, dass diese beiden Krawallbrüder zwar niemals meine Lieblinge sein werden, ich ihnen aber neidlos zu gestehen muss, dass sie eine gute Live-Kapelle bilden.


Bei INQUISITION kann ich noch einigermaßen objektiv bleiben, bei ABORTED gelingt mir das nicht. Ich verstehe die Faszination hinter dieser brutalen, belgischen Todesblei-Kapelle einfach nicht. Bei mir zieht das chaotisch vertrackte Blast-Gewitter überhaupt nicht. Ich bekomme davon lediglich Kopfweh. Da kann sich die Kapelle noch so sehr den Arsch abspielen oder der Klang noch so ur-gewaltig sein. Das hilft alles nichts wenn das Gesamtpaket stinklangweilig ist. Auch geht es mir persönlich tierisch auf den Sack, dass Schreihals Svencho am Mikro bei jedem Gig irgendwas von Old-School Death Metal faseln muss. ABORTED haben in etwa so viel mit klassischem Todesblei zu tun, wie Helene Fischer mit Grindcore. Diese Band ist in meinen Augen völlig überbewertet und uninteressant.


Da lohnt sich der Gang zur Zeltbühne wesentlich mehr. Mit INCARCERATION tritt ein Act auf die Bühne, der mich mit der ersten Demo (die ich mir zufälligerweise 2013 auf dem Party.San geholt hab) völlig aus den Latschen gehauen hat.


Auch live funktioniert das brutale und gleichzeitig traditionelle Todesblei-Konzept wunderbar. Die Songs der Demo 'Cemetery Of Lies' (das den Gig eröffnet)  und 'Sacrifice' (direkt der zweite Song des Sets) sind richtig starke Wellenbrecher, die immer mehr Zuschauer ins Zelt locken. Weitere neue Tracks wie 'Obsessed By Death' oder 'Infernal Suffering' machen ebenfalls sehr viel Spaß und verbreiten schon jetzt eine Menge Vorfreude auf das Debütalbum. Einen eindrucksvollen Abschluss findet der Auftritt mit dem geheimen Hit der Demo 'Forsaken And Forgotten'. Zu diesem Zeitpunkt hat man aber bereits die Zuschauer auf seine Seite gezogen, die Tentstage vollgemacht und viele neue Fans für sich gewonnen.  Also alles richtig gemacht!

Es ist immer wieder ein Genuss sich die schlecht-gelaunten Briten BENEDICTION anzuschauen. Seit 2001 waren die Engländer nicht mehr auf dem Party.San Open Air und werden allein deswegen von vielen Todesblei-Fans schwer abgefeiert. Klassiker wie 'Unfound Mortality' von "Transcend The Rubicon" werden dabei genauso begeistert aufgenommen wie auch 'They Must Die Screming' vom  (eigentlich gar nicht mehr so jungen) aktuellen Album "Killing Music". Das gefällt auch Sänger Dave Hunt, der sich viel mit dem Publikum auseinandersetzt und in Ansagen eine Menge F-Worte einbaut. 'Suffering Feeds Me' ist dann ein weiterer Hit, der aus den Boxen dröhnt und die Menge in Verzückung versetzt. 'Jumping At Shadows' sorgt dann gegen Ende auch noch mal für viel Bewegung auf dem Flugplatz bevor 'Subconscious Terror' heute das Set beenden darf. Wie immer ein sehr guter Gig der Death-Metal-Legende aus Birmingham.

Irgendwie kann einem MISERY INDEX schon leid tun, denn direkt nach Hunt und
Co auf die Bühne zu müssen ist keine leichte Aufgabe. Vor allem da der Deathgrind der Amis etwas schwer zugänglicher ist als der groovige Old-School-Death der europäischen Kollegen. Mich persönlich stört es immer wieder, wenn ich den DYING-FETUS-Gegenentwurf live sehe, dass die Männer aus Maryland nicht einen Song vom starken 2003er Album "Retaliate" zocken. Dennoch hat die Setlist mit 'The Carrion Call' oder dem neuen 'The Weakener' ein paar nette Titel zu bieten. Trotzdem ziehen es viele Besucher vor den Gig der US-Amerikaner für eine Verschnaufpause am Zelt oder an den Fressständen zu nutzen und verpassen so weitere gute Lieder wie 'Thrown Into The Sun'. Alles in allem kann ich aber viele Besucher verstehen, die auf das etwas klinische Geratter verzichten. MISERY INDEX sind nicht jedermanns Sache und eigentlich auch nur für wahre Fans essentiell.

Von allgemeiner, musikal-historischer Bedeutung ist da schon eher die Show von REPULSION. Die Mitglieder gelten zwar als Geburtshelfer von Death Metal und Grindcore, aber haben neben einigen Demos, Splits und Singles nur ein Album namens "Horrified" herausgebracht. Diese Scheibe genießt wiederum Legendenstatus und bildet den Mittelpunkt des Sets. Trotzdem muss die Band die Ungeduld einiger Die-Hard-Fans zügeln und beschwichtigt diese damit, dass die Favoriten des Publikums noch kommen werden. Die rotzigen, kurzen Nummern 'The Stench Of Burning Death' oder 'Six Feet Under' sorgen für einiges an Begeisterung und darüber hinaus gibt es mit dem VENOM-Cover 'Schizo' auch noch eine interessante Tribut-Version auf die Ohren. Dafür dass die Amerikaner immer wieder betonen wie alt sie sind, haben sie immer noch eine Menge Feuer im Hintern und erhalten auch die verdienten Reaktionen vom Publikum. Nach eigener Definition ist ihre Musik verrottet und stinkt nach Scheiße (im positiven Sinne), aber gehört heute zu den Perlen in der Running Order, auch wenn die Band darauf verzichtet die Bühne mit einem Backdrop zu dekorieren oder sich selbst übermäßig in Szene zu setzen. Sehr bodenständig!

Mit CARNAL GHOUL kommt danach eine noch recht junge Band auf die Zeltbühne, die mit Tormentor (dem Drummer von ASPHX und DESASTER) und Mett-God (Häuptling von MILKING THE GOATMACHINE, der ehemals bei LAY DOWN ROTTEN tätig war) gleich zwei Größen der Extreme-Metal-Szene vorweisen kann. Die bisher einzige EP der Westdeutschen hat vergangenes Jahr einiges an Staub aufgewirbelt und auch im Party.San-Zelt klingen Songs  wie 'Unleash The Forsaken' richtig ordentlich. Der Sound ist gut abgemischt und die Performance ist sehr professionell. Viele Besucher nutzen den Auftritt zum ausgiebigen Nackentraining und zur Präsentation ihrer Pommesgabeln. Besondere Erwähnung verdient auch das Intro, das mit Karl Dalls 'Heute schütte ich mich zu' den Nerv der bierseligen Crowd trifft.

Im Gegensatz zu REPULSION, haben THE HAUNTED einen riesigen Backdrop und nutzen eindrucksvolle Pyro-Effekte. Macht das die Performance für die meisten Besucher relevanter? Die klare Antwort lautet: Nein. Auch wenn die Modern-Thrasher einige coole Songs wie 'D.O.A. ', 'All Against All' oder den obligatorischen 'Hate Song' im Gepäck haben, hält sich das Interesse am Gig der Schweden eher in Grenzen. Einerseits ist ihr zeitgenössischer Stil nicht ganz so kompatibel mit dem traditionsbewussten Death- und Black-Metal-Publikum des Party.Sans und zum anderen ist der Sound der Kapelle etwas eintönig. Die Skandinavier sind zwar technisch sauber und liefern eine professionelle Vorstellung ab, aber der Funke will einfach nicht überspringen. Schade!

SUFFOCATION ist eine Legende. Das ist Fakt! Neben den CANNIBAL CORPSE gehören sie zu den wichtigsten Einflüssen der brutalen Death-Metal-Szene. Dass so eine Band zum 20. Jubiläum des Festivals auf das Battle Field nach Schlotheim gehört, muss nicht lange diskutiert werden. Allein Fronter Frank Mullen, der mit seinen 44 Lenzen immer noch recht zackig auf der Bühne unterwegs ist, präsentiert sich heute gut gelaunt und zeigt, dass er auch immer noch ein mächtiges Organ hat.

Klassiker wie 'Pierced From Within' oder 'Dismal Dream' sind mächtig wie eh und je. Allerdings muss man auch sagen, dass dieser sehr extreme Death Metal, mit einigen Technik-Raffinessen nicht bei jedem Besucher auf fruchtbaren Boden fällt. Viele Zuschauer zeigen sich schon während des Gigs etwas gelangweilt und suchen sich ein ruhigeres Plätzchen. Die treuen Fans allerdings bangen und feiern die Amis gnadenlos bis zum Ende ab und sind auch noch beim letzten Song voll dabei. Trotzdem bleibt SUFFOCATION Geschmackssache.

Die finale Schwarzmetallschlacht eröffnet eine schwedische Panzerdivision. Die Mannen von MARDUK lassen sich etwas bitten, aber legen dann ab der ersten Note mit aller Gewalt los. Bei diesem kompromisslosen Quartett kann man nur eines erwarten: 'Christ Raping Black Metal'! Knapp 50 Minuten versprühen die Skandinavier Hass und Chaos in Schlotheim. Viele Fans vermissen zwar Hits wie 'Wolves', aber erhalten dafür so rabiate Abrissbirnen wie 'Serpent Sermon' oder '502'. Gewohnt schweigsam präsentiert sich Fronter Mortuus und macht nur dann Ansagen wenn es unbedingt sein muss. Lieber lässt er und sein Team brachiale Blasts und ein Maschinengewehr-Riffing für sich sprechen, was von einer ausgiebigen Feuershow begleitet wird. Mit 'Those Of The Unlight' erreicht das Set seinen Höhepunkt und in bester Black-Metal-Manier verzichtet die Band auf Zugaben.

Mortuus lässt am Ende des Rauswerfers einfach das Mikro fallen und verschwindet mit seinen Kollegen von der Bühne. MARDUK zeigen sich damit mal wieder so, wie man es von ihnen erwartet. Sie sind halt einfach wie ein Whopper, man weiß was man bekommt. Allerdings stets mit Qualität auf einem hohem Niveau.

SATYRICON stellen für mich das persönliche Highlight des Festivals dar. Immer schon mal wollte ich Satyr und Frost live in Aktion sehen, hatte es aber bisher irgendwie nie auf die Reihe bekommen, die Jungs mal zu erwischen. Hier und heute dürfen sie sich aber in ganzer Headliner-Herrlichkeit auf der Bühne breit machen und schaffen es fast eine ebenso lange Umbaupause wie WATAIN zu zelebrieren. Dafür ist die musikalische Entschädigung gleich zu Beginn mehr als ordentlich und mit 'Now Diabolical' und 'The Messenger' werden gleich zwei bärenstarke Nummern der Norweger ausgepackt. Darüber hinaus kann man dem unterkühlten Frontmann attestieren, dass er ein unheimliches Charisma und eine geradezu beängstigende Bühnenpräsenz besitzt. Ähnlich wie Nergal von BEHEMOTH schafft er es die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Der Nordmann verhält sich zwar stellenweise wie ein Rockstar der 80er Jahre, aber irgendwie stört das hier und heute nicht. im Gegenteil, durch dieses Stage-Acting gewinnt die Performance umso mehr an Erhabenheit. Allerdings beweisen auch die Mitmusiker an den Saiteninstrumenten, dass sie professionelle Performer sind und liefern eine komplett durchchoreografierte Vorstellung ab. Ihr synchrones Banging kann problemlos mit dem Helikopterköpfen von AMON AMARTH mithalten.

Natürlich ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt vor allem in der Mitte des Gigs einige Hänger. Besonders ein neuer Song wie 'The Infinity Of Time And Space' weist extreme Längen auf und führt fast dazu, dass man im Stehen einschläft. Zum Glück gibt es auch Nummern wie 'Possessed', die das Publikum wieder aufhorchen lassen und die gute Stimmung des Anfangs zurückbringen.
Gegen Ende erreicht die gute Laune dann aber erst so richtig ihren Klimax als die treibenden Hymnen 'Fuel For Hatred', 'The Pentagram Burns' und die beiden unsterblichen Zusagen 'Mother North' (was lauthals mitgesungen wird) und 'K.I.N.G.' (was sich schon lange als der Band-Hit schlechthin etabliert hat) entfesselt werden. Alles in allem ein brutal-starker Gig, der alle meine Erwartungen übertroffen hat. SATYRICON hätten im Grunde den Platz ganz oben auf dem Flyer verdient gehabt.





[Bericht: Adrian / Fotos: Linda]

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