Donnerstag, 26. Mai 2022

Unerhört: Von Kultureller Aneignung und Anti-Black Metal



Es ist beinahe schon fast eine Tradition geworden. Seit 2020 kommt Host of Cinder, der seit etlichen Jahren selbst im Black-Metal-Underground aktiv ist, mit einem Gastbeitrag auf mich zu. Die Beiträge über BEYOND THE BLACK und Boomer Metal kamen bei euch in der Vergangenheit schon ausgesprochen gut an und mit diesem Beitrag wird das Triple vollgemacht. Es geht heute um Black Metal und wie gewisse Menschen damit umgehen beziehungsweise dieses Genre für ihre eigenen Zwecke versuchen zu vereinnahmen.

Ein kleiner Disclaimer bevor es losgeht: es handelt sich bei diesem Beitrag ausschließlich um die Meinung des Gastautors. Seine Ansichten zu erwähnten Bands, Musikern, Kollegen oder Labels teilen wir als Redaktion nicht zwangsläufig nur weil sie hier zu lesen sind. Unsere eigenen Meinungen können in einigen Punkten stark von den Aussagen des Gastautors abweichen. An einigen Stellen haben wir deswegen ergänzende Anmerkungen sowie Bildunterschriften eingefügt, die sich optisch gut erkennbar vom Fließtext abheben, um Missverständnissen und potentiellen Irritationen vorzubeugen. Dieser Artikel könnte von einigen Lesern kontrovers aufgenommen werden und das soll er auch. Ich lade jeden Leser dazu ein, die angesprochenen Punkte sachlich in den Kommentaren oder auf Social Media zu diskutieren (ich weiß, dass dies ein Widerspruch in sich ist). Bevor ihr dies tut lest aber bitte folgenden Beitrag bis zum Ende fertig. 

Kulturelle Aneignung. Dieses Thema beschäftigt seit einiger Zeit eine Gruppe von Menschen, die sich soziale Gerechtigkeit und Gleichschaltung, äh, Gleichstellung auf die Fahnen geschrieben haben. Ja, ich bin der ganzen Thematik etwas skeptisch gegenüber und habe oft nicht mehr als ein zynisches Augenrollen dafür übrig. Für diejenigen, denen der Begriff so gar nichts sagt, zitiere ich ganz kurz aus dem Wikipedia-Artikel:
»Die ethische Dimension kultureller Aneignung wird in der Regel nur dann kritisiert, wenn die angeeignete Kultur einer Minderheit angehört, die als sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch benachteiligt gilt«
Nun, da wird ein Fass aufgemacht, in das sich Journalist:innen, Sozialkunde-Student:innen und irgendwelche Twitter-Aktivist:innen mehrfach pro Woche übergeben. Weswegen mir auch ehrlich gesagt hier an dieser Stelle die Lust fehlt, mich dazu in voller Länge zu äußern. In aller Kürze: dass sich die vermeintliche intellektuelle Elite herausnimmt zu bewerten, wer eine Minderheit sein, wer "da Oben" und "da Unten" mitspielen darf und wer nicht, ist perfide genug. Man hebt sich durch den Satz "die da Unten, hat man nicht zu treten" doch selbst in die Schublade von "die da Oben", und erreicht damit exakt das Gegenteil. Man degradiert vermeintliche Minderheiten, zu geringeren Menschen die unbedingt Hilfe der herrschenden Kaste brauchen, weil sie zu unfähig sind, sich selbst zu schützen. Ob meine Meinung dazu zynisch, toxisch, menschenfeindlich oder gerechtfertigt ist, überlasse ich euch.

Aber, mal ehrlich: "Was faselt der alte Mann da? Kulturelle Aneignung? Hä? Hast du Lack gesoffen? Erzähl mal was über Musik, du Kasper". Kann ich nachvollziehen, den Gedanken. Ich missbrauche den Begriff der kulturellen Aneignung heute für mich. Denn genau das passiert im Black Metal. Fremde eignen sich der Kultur an, missbrauchen sie für ihre Zwecke, um dann gleichzeitig alles zu diffamieren, was ihnen nicht an dieser Kultur passt. Und obwohl sie kein Teil davon sein wollen, soll sich alles ihren Wünschen nach ändern, und wehe eine Minderheit wird beleidigt! Alles etwas schwammig formuliert, also nehmen wir das ganze Konstrukt auseinander.

Ich weiß genug, um meine Unwissenheit zu verbreiten

Es gibt Dinge, die kann ich mir nicht objektiv erklären, da ich zu sehr im Thema stecke. Mir fällt es schwer zu bewerten, wieso man Black Metal nicht mag, aber unbedingt darüber reden will oder Content dafür erstellen. Gibt's nicht? Gibt's doch, aber nur bei Roller, äh nein, ich meine, nur bei einer ganz merkwürdigen Internet/YouTube-Metal-Bubble. Reactions, zum Beispiel, in denen auf mutmaßliche Black Metal-Bands reagiert und diskutiert wird. Na gut, bis hierhin wohl alles irgendwie seltsam, aber nicht schlimm. Denkste. Setzt man sich dann mit den Reagierenden auseinander, merkt man schnell, Black Metal findet man gar nicht bis selten. Wenn man das Genre kennenlernen möchte, dann finde ich das völlig in Ordnung. Zeiten haben sich geändert und so auch die Art Musik für sich zu entdecken, auch Black Metal. Was stört mich denn daran genau? Ich wünsche mir in dem Bereich einfach mehr Inhalt, mehr Recherche. Ich würde mir wünschen, mehr den Kern von Black Metal dort zu sehen, also den Underground. Nicht irgendwelche Gurkentruppen, die wirken, als hätten diese noch nie Black Metal gehört. Aber es gibt auch ganz andere Video-Essays, die mich stören. Es ärgert mich, inzwischen zwei Top 10-Videos zu "Verbrechen im Black Metal" auf YouTube zu finden. 
Diese beiden Videos triefen geradezu von Unwissen und Falschbehauptungen. Ich glaube kaum, dass in irgendeinem der Videos wirklich geprüft wurde, ob das alles so stimmt. Eher habe ich das Gefühl, es wird hier auf billigste Art und Weise Sensations-"Journalismus" abgerufen, um Aufrufe zu erzeugen, Clickbait. Ich finde es ehrlich gesagt ermüdend, lächerlich und unkreativ immer wieder auf die gleichen Dinge einzugehen und zu bewerten, die seit 30 Jahren in Teilen jeglicher Diskussion um Black Metal hervorkommen, wenn man sonst nichts zu sagen hat. Die Ziele, die so eine Diskussion hat, liegen mir auch eindeutig zu fern, um diese zu (be)greifen. Ich möchte niemanden verbieten Black Metal kennenzulernen, egal wie das vonstattengeht. Aber wenn dann Videos oder Podcasts darüber entstehen, dann kann man sich doch einfach etwas mehr Mühe geben. Vielleicht wäre es dann von Vorteil, vorher Leute zu fragen, die sich mit der Materie auskennen. Alben Empfehlungen einholen, die anhören und dann erst den Mund öffnen. Dazu zählt auch die ewige Diskussion um NSBM. Wirklich gut mit dem Thema auseinandergesetzt hat sich bisher niemand. Die einen zeigen wild mit Finger auf alles und jeden, die anderen stecken sich die Finger in die Ohren und halten beide Augen zu und der Rest zuckt mit den Achseln. Sich mit NSBM auseinanderzusetzen kann sehr interessant sein, Pro- und Contra-Parteien an einen Tisch zu bekommen sogar noch mehr. Doch seien wir ehrlich, wenn man über Black Metal redet, landen viele immer genau dort, und das ist meistens einfach nur plump und falsch. Und manchmal wird es auch noch persönlich, beleidigend.

EVERYTHING IS RACIST!

Grauzone ist ein Begriff, der nur in der Metal-Szene Sinn ergibt. Wurde dieser doch eigens ins Leben gerufen, um Bands, deren politische Neigungen undurchsichtig erscheinen, dort zu platzieren. Dabei ist "Grauzone" ein unendlich schlechter Begriff dafür. Denn "Grau" beinhaltet viele Schattierungen, und gilt eigentlich deswegen als so vielschichtig. Mir fällt es manchmal schwer da nicht zu denken, dass es sich dabei um einen bösen Scherz handelt. Denn wenn man die Szene in Schwarz und Weiß aufteilen möchte, also in Gute und Böse, und dabei aber "Grau" schon als wahrscheinlich Böse gilt, kann das nur schiefgehen. Für mich hat sich der Begriff Grauzone in ein Instrument verwandelt, um jede unbeliebte Band direkt als "politisch bedenklich" und damit böse einzustufen. So kann man ganz leicht Bands einordnen und kommt erst gar nicht in die Verlegenheit, sich damit zu beschäftigen. Es scheint die Regel zu sein, jede Band, die nicht Goebbels auf dem Cover hat und in jedem Song Antisemitismus verbreitet, aber dafür auch keine klare politische Neigung in einem öffentlichen Statement abgibt, ist erstmal Grauzone. Das gilt merkwürdigerweise fast ausschließlich für Black Metal-Bands. Von Neutralität und Unvoreingenommenheit kann also nicht die Rede sein. Wenn ich Sätze lese oder höre, die die Meinung wiedergeben, man könne kein Black Metal mehr hören, ohne vorher nach den politischen Meinungen der Bandmitglieder zu Googeln, zieht sich bei mir alles zusammen. Dabei wiegen getroffene Aussagen manchmal nicht so schwer, wie das Schweigen der Bandmitglieder. Eine Band möchte sich generell nicht zum Thema Politik äußern, für einige ist das schon Grund genug hier ein Verschweigen der Rechtsradikalen Neigungen zu vermuten. Verlangen die Leute, die solche Aussagen möchten und so viel Zeit mit dem Privatleben von Bandmitgliedern er-Googeln verbringen, das gleiche eigentlich in jedem anderen Bereich ebenfalls? Bevor ich einen Film gucke, zuerst noch Regisseur:innen und Schauspieler:innen auf ihre Gesinnung prüfen. Bücher kaufen von Autor:innen, die sich noch nie
Daniel Vávra wurde für dieses Shirt
bei einem Messeauftritt heftig kritisiert

politisch geäußert haben, puh schwierig. Ist wahrscheinlich Grauzone. Eine:r der Entwickler:innen dieses neuen Videospiels hat sich nicht klar und deutlich auf Twitter zu Thema X distanziert, am besten boykottieren. Alles Nazis. Ist dieses Produkt im Supermarkt von Nestlé? Erst mal das iPhone zücken und auf Reddit informieren, ob dieses Produkt Kinder tötet. Ihr denkt, es ist unsinnig sich wegen jeder Kleinigkeit so eine Arbeit zu machen? Finde ich nicht! Konsequent ist hier das Zauberwort. Wenn ich von jeder Black Metal-Band einen politischen Kompass verlange, dann muss ich das von jeder anderen Metal-Band auch. Egal welcher. Auch von jedem anderen Kunst-Medium beziehungsweise deren Macher. Von jedem Verlag, Handel, Hundefutter. Egal, wer, wann, wo. Wenn das ausschließlich bei Black Metal passiert, dann ist das einfach nur eine heuchlerische Hexenjagd. Ja, ich weiß, bei SODOM und dem Steelfest wurde auch hingeguckt. Zwar erst 1,5 Jahre nach dem Booking, und bei ihrem ersten Konzert 2013 beim Steelfest hat das keinen interessiert, aber ist auch egal. Der bunte Hund wurde durch das Dorf getrieben, und jetzt steckt er wieder im Käfig und wird vergessen. Was ist eigentlich mit jeder anderen Band, die jemals beim Steelfest zu Besuch war, außer Sodom? Machen wir einen kleinen Ausflug:
  • WATAIN
  • DARK FUNERAL
  • MOONSORROW
  • HAVUKURUUNU
  • ENTOMBED
  • ASPHYX
  • MAYHEM
  • NIFELHEIM
  • DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT
  • GORGOROTH
  • BATUSHKA
  • 1349
  • ENTHRONED
  • VADER
  • URFAUST
  • DENIAL OF GOD
  • PRIMORDIAL
  • THE RUINS OF BEVERAST
  • POSSESSED
  • DESTRUCTION
  • HAIL OF BULLETS
  • MARDUK
  • … AND OCEANS
  • GAAHLS WYRD
  • NAGLFAR
  • EINHERJER
  • VITAL REMAINS
  • ANTIMATERIA
  • BELPHEGOR
Und viele, viele mehr...

Wohin eine solche einseitige Hexenjagd führt, ist ziemlich deutlich bei einem Kommentar eines Videos auf YouTube zu begutachten. Das Video ist ein Meinungs-Vlog darüber, wie weit das Fanherz gehen darf. Man sollte bei eindeutig rechtsradikalen Bands den Schlussstrich ziehen, ist das Fazit des Videos. Darunter findet man dann folgendes:


Ihr Lest richtig, Black Metal wird mit dem Holocaust verglichen. Eines der schrecklichsten Verbrechen der Menschheit, die Vernichtung von Millionen von Juden, wird gleichgestellt mit Black Metal. Im Ernst: was für eine kaputte Psyche muss man haben, um überhaupt zu so einem Gedanken zu kommen? Nicht nur werden Black Metal-Musiker hier mit den KZ-Angestellten des Dritten Reichs gleichgestellt, auch werden die Schandtaten der NSDAP im Zweiten Weltkrieg völlig ins Lächerliche gezogen. Natürlich! Juden im KZ zu vergasen ist offensichtlich das gleiche, wie SATANIC WARMASTER hören! Das ist quasi die exakt gleiche Tat! Ich kann mich gar nicht so wirklich entscheiden, was davon weltfremder ist. Du, mein Freund, hast beim Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Setzen, 6. Noch dazu würde ich gerne wissen, woher sein immens großes Wissen an Black-Metal-Texten kommt. Es geht also um Stärke, sich besser fühlen als der andere. Ist das so? Und geht es nicht bei Metal-Bands irgendwie sehr oft um Stärke? Noch nie Power Metal gehört, hm? Aber ja klar, Black Metal ist furchtbar, weil es Texte über Stärke und "anders sein" – was auch immer das heißen soll – gibt.

Durchgefallen ist dann im Übrigen auch der YouTuber, der den Kommentar nicht ins rechte Licht rückt, und dem Kommentator verbal den Hintern versohlt. Nein, hier wird munter und fröhlich zugestimmt.


Black Metal führt also schnell in diese Richtung. Welche Richtung denn genau? Reden wir hier immer noch von den KZ-Angestellten und dem Holocaust? Und was für "tolerante Hörer" sollen, wozu nicht oft genug "Nein" sagen? Wie wäre es, diese Gedanken etwas weiter auszuführen?

Was ist nur bei euch falsch verkabelt, eine ganze Musik-Kultur wegen des fragwürdigen Umganges einiger mit Politik direkt als Nächstes neben dem Mord an 6 Millionen Juden hinzustellen?! Habt ihr euch da selbst hinterfragt und gelesen, was ihr da für völlig desaströse Scheiße schreibt? "Wie mit den stillen Profiteuren von 1940", wie bitte? Nein, ich weiß nicht wie viel Lack man gesoffen haben muss, um solche Aussagen unironisch zu treffen. Und genau solche Leute sind es dann auch, die sich beschweren, wenn Gatekeeper ihnen den Eintritt versperren und warum sich Black Metal nicht mit zum allgemeinen Metal-Kosmos zählt und in Ruhe gelassen werden will. Ratet mal, warum dem so sein könnte.


Wenn man völlig ziellos hinter jeder Black Metal-Band erstmal Nazis vermutet, egal ob man dafür Gründe hat oder nicht, führt es dazu, dass unbeteiligte das Bild bekommen, Black Metal wird beherrscht von Neonazis und ein paar Widerständlern aus dem Internet stellen sich mutig und ganz allein dagegen. So ist es aber nicht. Dabei ist der Punkt, keine rechtsradikale Musik zu hören oder zu unterstützen, absolut valide. Daraus dann aber "ich höre keine rechtsradikale Musik, deswegen auch kein Black Metal" zu machen, halte ich für zu weit hergeholt, zu einfach und weltfremd. Wenn du denkst, dass Black Metal zum überwiegenden Großteil aus Nazis besteht, hast du irgendwas nicht verstanden. Wenn für dich der Satz: "Alle Black Metal-Musiker sind für mich Grauzone/Nazis/Rechts offen, bis man mir das Gegenteil beweist" in Ordnung ist, dann hast du in so einer Diskussion absolut nichts verloren. Ach ja, und falls du eine Band, die du magst in meiner Steelfest Auflistung gefunden hast und du einer derjenigen warst, die SODOM dafür verteufelt haben, ist deine Plattensammlung hoffentlich gerade geschrumpft, denn sonst bist du wohl leider Nazi-Sympathisant. Und wenn man als Magazin, Blog, YouTuber eifrig reißerisch darüber berichtet hat und ganze Kolumnen dazu veröffentlicht, sollte man dann den eigenen Review-Katalog doch etwas genauer prüfen. Sonst könnte es passieren, dass man "Schmuddelkindern" eine Plattform bietet. Da sollte man sich "kurz die Augen reiben, und dann schnell – sehr schnell – handeln". Sonst wirkt das doch alles etwas widersprüchlich, wenn diese Bands auch noch beworben werden mit "Album des Monats".


Louis Cachet: Musiker, Familienvater, Ehemann, Brandstifter, Mörder, Rechtsradikaler und DU bist Schuld!

Das Leben von Louis Cachet ist jedem bekannt. Geboren und aufgewachsen in Norwegen, Teil einer Jugendbewegung, Mitbegründer einer der einflussreichsten Musik-Genre, Brandstifter, verurteilter Mörder (er besteht heute noch auf die
Fun Fact: Louis Cachet war im frühen
20. Jahrhundert ein französischer
Parlamentarier für sowohl 
konservative als auch offen
rechte Parteien

'Notwehr'), jahrelang im Gefängnis, Ausbruchsversuch, Freilassung, Umzug nach Frankreich, YouTube, und nun Rente. Kurz zusammengefasst ist das ein sehr ereignisreiches Leben. Dass Louis ein Gesprächsthema war, ist und bleibt, das sieht man ziemlich eindeutig. Louis selber hat dazu aber augenscheinlich gar keine Lust mehr. Er lebt zurückgezogen auf irgendeiner Farm, hat seine Gitarre an den Nagel gehängt und lebt inzwischen eher wie der kauzige Einsiedler, dem er im Gesicht immer ähnlicher wurde. Die Frage stellt sich dann dabei, wie geht man mit ihm um? Ich glaube, eine wirklich eindeutige Antwort gibt es dazu nicht, weil jeder die … "Karriere" von Louis anders bewertet und anders betrachtet. Manche sehen nur seine Taten und Aussagen, andere nur seine Musik und wieder andere lachen herzlichst über Erinnerungen zahlreicher Fremdscham-Videos. Das Thema ist so vielschichtig zu betrachten, dass es keinen Konsens geben kann. Wenn man sich kritisch mit Louis' Werken auseinandersetzen möchte, kommt man immer auch an seinen Taten und Aussagen vorbei. Das eine kann ohne das andere in den Köpfen nicht existieren. Was denke ich darüber? Nun. Louis ist ein interessanter Charakter, im Sinne von seltsam und gefährlich. Er ist zu intelligent, um nicht zu wissen, was er tat und sagt. Ich halte es auch für falsch, nicht daran zu erinnern, dass er ein verurteilter Mörder ist, mit einem neo-rassistischen Weltbild. Ist er verrückt? Vielleicht. Ich habe mich nie mit ihm persönlich unterhalten, würde das aber gerne. Einfach so aus Interesse. Ihm Fragen stellen, deren Antworten mich wirklich interessieren. Glaube ich ehrliche Antworten von ihm zu bekommen, einen ganz und gar natürlichen Louis, fernab von berüchtigter Bekanntheit? Da bin ich eher so bei 50/50. Auf der einen Seite halte ich ihn für jemanden, der es nicht nötig hat, mich anzulügen. Er hat oft genug bewiesen, dazu zustehen, was er sagt. Auf der anderen Seite ist er manipulativ und will immer, dass er im besten Licht steht. Seine Musik bewerte ich aber weiterhin als genial. Bis heute gibt es kaum Musiker, die an sein Schaffen heranreichen. Das "vor dem Knast"-Schaffen ist dabei meistens höher angesehen, als das währenddessen oder danach. Ich kann mich mit den Alben nach dem Bau aber sehr gut anfreunden. Haben sich einige Songs auf diesen Alben auch in meine Hirnwindungen gedrückt. Nicht so sehr wie auf seinen Frühwerken, aber dennoch einprägsam genug. Doch da beginnt schon oft die Diskussion. Darf man die Musik von Louis hören? Ich finde schon. Ich finde es eher seltsam und frech anderen vorzuschreiben, was sie hören dürfen und was nicht. Letztendlich schadet das niemanden, was man zu Hause im CD-Player hat. Schadet es wirklich niemanden? Nun, da ist man gespaltener Meinung, würde ich behaupten. In einigen Meinungs-Vlogs und Podcasts kam mir schon öfter zu Ohren, dass man das böse B-Wort am besten gar nicht erwähnt. Alleine schon die Erwähnung wäre zu schlimm und würde zu viele Leute triggern. Am besten gar keine Bühne bieten, und trotzdem irgendwie immer darüber reden. Über Black Metal intensiv zu sprechen bedeutet eben auch, sich mit den Leuten dahinter zu beschäftigen. Vorbei kommt man da an Louis keinesfalls. Man kann sich natürlich dazu entscheiden, Louis gänzlich aus der Diskussion auszuschließen, aber dann schließt man gleichzeitig auch einen der wichtigsten Punkte im Black Metal aus, nämlich den Einfluss seiner Musik auf das ganze Genre. Ein schmaler Grat, auf dem man da wandelt. Ein anderes Argument ist, man würde durch das Erwähnen von Louis Louis unterstützen. Das sehe ich nicht so. Aufklärung kann ohne das punktuelle Nennen der wichtigsten Punkte nicht funktionieren. Wie soll man also über Louis' Taten und Aussagen aufklären, ohne seinen Namen in den Mund zu nehmen? Ist eine wichtige Frage. Eine andere Art der Unterstützung ist das Tragen von Merchandise, heißt es. Man unterstützt dabei Louis direkt und macht Werbung für ihn. Wie direkt die Unterstützung stattfindet, ist nicht bekannt. Weil Louis gar kein Merch verkauft oder verschickt. Das machen verschiedene Labels oder es passiert privat über Discogs. Ein Video-Blogger ging sogar so weit, die These in den Raum zu stellen, man finanziert dadurch einen wohlmöglichen Terroranschlag von Louis. Ich finde das etwas sehr weit hergeholt und möchte auf den letzten Punkt nicht lange eingehen. Es ist eine billige Unterstellung und noch dazu manipulativ. Den Leuten einreden zu wollen, Louis plant Terroranschläge ist doch sehr vermessen und bar jeder Logik und Beweise. "Du trägst Shirts von Louis' Band? Du Mörder!!". Irgendwie nicht sinnvoll, so eine Ad Hominem-Argumentation. Widmen wir uns also de- Argument der Werbung für Louis. Nehmen wir an, ich schlender mit einem Shirt von Louis (was ich tatsächlich öfter mache) durch die Stadt. Jetzt gibt es verschiedene Menschen, die dieses Shirt sehen und dazu Situationen:

  • Mein Gegenüber hat keine Ahnung, wer Louis ist. Interessiert das Gegenüber auch nicht. Jeder geht seiner Wege, keine Beachtung findet statt.

  • Mein Gegenüber hat schon mal irgendwo was von Louis gehört, aber sich nicht weiter damit beschäftigt. Vielleicht geht mein Gegenüber dann nach Hause und guckt, was an diesem Louis dran ist. Oder das Gegenüber macht gar nichts, weil nicht wichtig.

  • Mein Gegenüber kennt Louis und findet den Scheiße. Mein Gegenüber nimmt das Handy aus der Tasche und Twittert, dass man heute einen Typen im Louis Shirt gesehen hat. Muss ein Hurensohn-Nazi sein. Kein normaler Mensch trägt sowas.

  • Mein Gegenüber kennt Louis und findet seine Musik richtig geil. Das Handy wird gezückt und noch schnell einer von Louis' Songs angemacht und man freut sich, dass man in diesem Moment nicht so alleine ist.

Ich gehe davon aus, dass es hier noch einen weiteren Punkt geben muss, weil sonst was fehlt. Und ich will mich nicht der Argumentation versperren, man beeinflusst dadurch junge Metal Fans und Anfänger.

Mein Gegenüber ist Metal Neuling. Man tastet sich noch vor. Hat eifrig irgendwas auf YouTube und Spotify gehört. Die ersten paar CDs wurden gekauft und man präsentiert stolz das erste Metal-Shirt. Louis ist zwar ein Begriff, aber kein bekannter. Man hat viel Böses gehört. Soll Nazi sein, Mörder, keine Ahnung? Aber der Typ da trägt ein Shirt, kann dann Louis so schlimm sein? Mein Gegenüber geht nach Hause und googelt nach Louis. Er hört die Musik, liest Meinungen, und macht sich nun einen Kopf.

Welche Meinung mein imaginäres Gegenüber letztendlich entwickelt, ist unbekannt. Aber kann sich irgendwer wirklich vorstellen, dass daraus der nächste NSU-Täter wird? Jemand, der sich Louis' Videos anguckt und sich denkt: "Joa, das klingt plausibel. Heil Hitler«? Ich denke nicht. Vielleicht interessiert man sich danach mehr für Black Metal, vielleicht weniger. Hier so eine große Gefahr zu sehen, dass man direkt in den »Wehret den Anfängen«-Modus schaltet, ist schon deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Über Louis und seine Taten aufklären, ist etwas anderes als es gutzuheißen. Seine Musik zu hören, ist etwas anderes, als seine Taten zu feiern. Sein Merch zu tragen, ist etwas anderes, als ihm zuzustimmen. Wenn man diese Art der Argumentation führt, muss man mehr abdecken als nur Louis. Man muss auch mal in die eigene Bubble gucken, und nicht nur von außen in eine andere über den Zaun schielen.
Louis Cachet 
alias Varg Vikernes | Quelle: Wikimedia

Wie, ihr kennt Louis nicht? Doch, doch, jeder kennt Louis. Er hat seinen Namen geändert. Geboren wurde er als Kristian Vikernes. Sich selbst gab er am Anfang das Pseudonym Count Grishnakh. Bekannt wurde er aber als Varg Vikernes. Und seine Band BURZUM ist eine der einflussreichsten und erfolgreichsten Black-Metal -Bands, in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Die Versuche BURZUM gänzlich aus der Historie und damit aus den Köpfen verschwinden zu lassen, wird nicht funktionieren. Die Reichweite einer solchen Diskussion ist sehr überschaubar. Getroffen werden eigentlich nur diejenigen, die Black Metal sowieso abgeneigt sind oder dessen Horizont bei DARKTHRONE und IMMORTAL endet. Echte Black Metal-Fans interessiert das entweder gar nicht oder haben dafür nicht mehr als ein müdes Schmunzeln übrig. BURZUM wird immer ein Bestandteil in der Black Metal-Szene bleiben. Egal ob mit oder ohne Louis. [Anmerkung der Redaktion: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels gilt BURZUM als aufgelöst und Vikernes als musikalisch inaktiv] 


"Ja, das ist die HiFi-Anlage, mit der wir immer Probleme haben. Vielleicht können Sie sich die mal angucken?"

- "Ja gern, aber … Wieso liegt hier eigentlich schlechte Musik?"


"Warum hast du Corpsepaint im Gesicht?"


- "Hm... ja dann, blas mich doch weg"


Worin die Faszination für Black Metal liegt, ist eine sehr persönliche Frage. Jeder, der dem Genre mit Herzblut verschworen ist, hat darauf eine andere Antwort. Es ist genau das, was Black Metal über 30 Jahre getragen hat. Egal ob als Fan, Musiker, Veranstalter, Fanzine-Betreiber, oder als was-weiß-ich noch alles, jeder macht es aus Liebe zur Musik. Und das aus ganz eigenen Gründen, die manchmal simpel und manchmal ganz persönlich vielschichtig sind. Nicht verstehen kann ich es, wenn Musiker, die, mal mehr mal weniger offensichtlich, Black Metal nicht verstehen oder mögen, es trotzdem damit versuchen. Black Metal nicht zu mögen, ist völlig in Ordnung. Aber Black Metal vollkommen auseinander zu nehmen, um es dann den eigenen Ansprüchen nach wieder neu
Watain laufen mittlerweile auch auf Arte

zusammenzusetzen, ist nicht in Ordnung. Was das bewirken soll, erschließt sich mir nicht. Was es stattdessen bewirkt, ist deutlich zu erkennen: Ablehnung. Da kann man noch so wild mit verschiedenen angeblichen Lieblingsbands um sich werfen, und in Interviews Interesse an der Szene heucheln, es wirkt gestellt. Man mag DISSECTION, WATAIN, DARKTHRONE… ja ja, alles schon gehört, und zwar bei Neulingen. Nein, ich mache mich hier über niemanden lustig, der diese Bands mag. Da gibt es nichts Verwerfliches dran, ich würde meine DIMMU-BORGIR-Vinyls auch vermissen. Der Verdacht, dass es sich dabei um die einzigen Bands handelt, die man kennt, liegt aber trotzdem sehr nahe. Und damit hat man kaum die erste Kruste des gesamten Universums angekratzt. Ich finde es schwierig, auf diesem wackeligen Gerüst eine Band aufzubauen. Keine Ahnung von irgendwas, aber Hauptsache mit Kindergarten-Corpsepaint auf dicke Hose machen. Erste unbeholfenen Schritte hat jeder gemacht, bin ich bei euch. Wenn man sich aber schmückt mit etwaigen Vergleichen mit den großen Größen, sollte man sich bewusst sein, dass das nicht klappt. Wenn du Teil davon sein willst, gehört dazu mehr als Farbe im Gesicht und schnelle Riffs. Black Metal hat heutzutage ein Überangebot an Bands und Alben, die alle gehört und Aufmerksamkeit wollen. Schenken kann man das den wenigsten davon, da sucht man sich sehr genau aus, welcher man sein Gehör für 45 Minuten ausleihen wird. Ich finde es daher bedenklich, wenn manche Bands glauben, mit Mittelmäßigkeit ist es getan. Klar, über Geschmack lässt sich streiten, erlebe ich bei Konzerten auch im Publikum gerne. Sind mitunter interessante fachliche Gespräche von Connaisseuren. Aber nicht streitbar ist die gebotene Qualität, und die hinkt mehr als nur hinterher. Ob es dann was bringt, der Black Metal Szene quasi zu sagen, alles was sie machen sei verwerflich und falsch? Jeder der einen nicht unterstützt ist entweder toxisch maskulin oder Nazi? Fraglich. Ich finde es faszinierend, wie manche ganz offensichtlich Black Metal als Vehikel benutzen, obwohl sie gar nicht wissen, was das heißt. Ich habe früher bei Unterhaltungen den Satz verwendet, es gäbe einen Unterschied zwischen Black Metal-Bands und Bands, die Black Metal spielen. Das sehe ich bis heute so, auch wenn das vielleicht zuerst paradox klingt. Lasst es
Quelle: Instagram | Dark Funeral 

mich so ausdrücken: Black Metal-Bands verstehen, was Black Metal ist. Musik und Attitüde fließt in deren Adern. Man will Teil davon sein, teilhaben, mitwirken am Geschehen. Die Besucher mit dem geilen Underground-Shirt sollen angesprochen werden. Man findet statt bei Veranstaltungen, Fanzines und Labels, die für 100 % Black Metal ausgelegt sind. Bands die Black Metal spielen sind das andere Kaliber. Man kennt Black Metal nur oberflächlich. Das letzte besuchte Black Metal Konzert war irgendwas Bekanntes aus Norwegen oder Schweden auf dem Wacken (wie zum Beispiel WATAIN. Ihr wisst schon, die, die auch beim Steelfest waren) oder Summer Breeze (wie zum Beispiel DARK FUNERAL. Ihr wisst schon, die, die auch beim Steelfest waren). Vom Underground ist eigentlich gar nichts bekannt. Will man auch gar nicht wissen. Man findet gänzlich statt bei Veranstaltungen, Fanzines und Labels, die irgendwie alles machen, manchmal sogar Black Metal, aber eher wenig. Man will im Publikum die Typen ansprechen, die alles hören und alles mögen. Die Besucher mit Underground Shirt sind egal, die können ruhig zu Hause bleiben. Man nennt sich trotzdem Black Metal, obwohl man nur Leute anspricht, die das im Grunde gar nicht mögen. So ganz verstehe ich die Logik dahinter nicht. Aber vielleicht muss ich das auch gar nicht.




Rund ist das neue Eckig

Kalt, bissig, roh, düster: das alles sind Beschreibungen, die man allerorts über Black Metal findet. Black Metal hat nicht nur Mut, um kantig plump jedem einen Mittelfinger ins Gesicht zu drücken, es wird verlangt, dass sowas passiert. Die Attitüde ist eine wichtige Rolle, die man nicht herunterspielen sollte. TRVE zu sein ist dabei keine Belustigung, es ist ein Gütesiegel. Nicht jede Band zielt darauf ab, für ewig die Zweite Welle über den grünen Klee zu erheben und zum Sein aller Dinge zu verkünden. Aber selbst manche moderne Bands sind sich ihren Wurzeln bewusst, und können diese auch gut mit modernen Ansätzen verbinden. Aber dennoch braucht es Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen kann. Black Metal ohne Messer, die sich wetzen, ist vergebene Müh. Ich lege mir kein Vinyl auf, oder stecke eine Kassette in den Player, um am Ende Freude grinsend und ein wohliges Gefühl im Magen in den Sonnenuntergang zu schlendern. Ich möchte von Gänsehaut erzeugenden Riffs und Melodien überrollt werden, Drums, die mir ins Gesicht schlagen und Gekreische, das mir den Tinnitus verschlimmert. Antarktische Eiswüste statt tropischen Beachflair. Mehr Blashyrkh, weniger Los Angeles. Obwohl mein Vergleich etwas hinkt, denn Los Angeles Strände werden gar nicht bedient. Ziel sind eher Studenten Cafés in gentrifizierten Stadtteilen einer eh schon viel zu vollen Metropole. Da gehört Black Metal aber nicht hin. (Ja ja, ok! Bleib locker, Björn-Markus, ich gebe zu: Post-Black Metal passt da sehr wohl hin, und will da auch ganz oft hingehören. Zufrieden?! Verschluck dich nicht am Fairtrade Vegan Brötchen) Langeweile kommt dann auf, wenn es gefällig wird, so ganz ohne Kanten. Rund, leicht bekömmlich, nicht zu scharf im Auftreten. Ganz wichtig, keine "Trigger", die irgendwem gegen den Strich gehen könnten. Passende, weichgespülte Agenda, die zu den Sozialkunde Student:innen im Café "Sommersonne" passt, versehen mit Hashtags, die man sonst nur auf Twitter findet.
Quelle: Instagram.com/Daemonseq.official

Inklusiv sein, jeden einladen, für alle was bieten. Satanismus ist ja auch letztendlich nur eine andere Form des Feminismus. Alle sollen sich lieb haben, es passiert nichts Böses auf der Welt, ich als Band bin das Opfer, wenn mich Kritik erreicht. Huldigt meiner Minus-Attitüde, Heil Philanthropie! Das passt nicht zusammen? Joa, stimmt. Gemacht wird es trotzdem, Black Metal meine ich. Das klingt nicht nach Black Metal? Auch da stimme ich voll und ganz zu. Man nennt seine völlig belanglose Musik trotzdem so. Ich weiß nicht, wem damit geholfen ist, den Bands jedenfalls nicht. Und Black Metal-Fans hören sich das auch nicht an, die haben besseres zur Auswahl. Aber was kann man auch erwarten von einer Band, der es wichtiger ist, deutlich darzustellen, welchem Geschlecht die Bandmitglieder angehören, als sich um ihre Musik zu kümmern. Vielleicht weniger Agenda und mehr Talent, weniger Fassade und mehr Inhalt, weniger Hashtags und mehr TRVE. Und wenn die Band das nicht sein will, dann will sie auch kein Black Metal sein. Frage ist dann: Was wollen sie dann sein? Pausenclowns haben wir genug. In Oberösterreich werden KIRCHEN in BRAND gesteckt, in Hamburg SCHATTET der HERBST. Ja gut, gesellt sich halt noch ein feministischer möchtegern Dämon dazu. Soll mir recht sein, die Krabbelgruppe hat noch genug Platz.

Wenn Hexen zu Inquisitoren werden

Im Journalismus gibt es einen schönen Euphemismus für "etwas Dummes tun" und zwar: Unterkomplex Agieren. Leider muss ich meiner eigenen Szene so ein Verhalten in Teilen unterstellen. Denn wenn man die Inquisitoren, die mit Fackeln und Mistgabeln vor den Gatekeepern stehen, loswerden will, ist selbst zum Inquisitor werden vielleicht nicht die beste Antwort. Man gibt dadurch ganz anderen Menschen ganz andere Waffen und Möglichkeiten Black Metal als Vehikel dafür zu benutzen, um ihre Weltanschauung zu verbreiten. Ich persönlich möchte keine politische Musik hören. Ich will es einfach nicht. Das Lager ist mir egal, die Aussagen auch, und wer es sagt ebenfalls. Ich möchte Musik hören, um mich abzumelden von der Welt und einzutauchen, in meine Katharsis. Es ist ein Grund, warum NSBM bei mir keinen Platz findet. Dass Rechtsnationale massiv die Szene unterwandern, um damit mehr »Soldaten« für sich zu gewinnen, ist leider Realität. Ich habe dazu einen sehr ambivalenten Gedankengang, weil ich die Reife habe, um mir ganz sicher zu sein, wer ich bin und was ich denke. Ich kann sehr gut unterscheiden, wem ich folge und wem nicht. Ich weiß, dass mein Hang zum Galaktischen Imperium aus Star Wars nicht bedeutet, dass ich mir die NSDAP zurückwünsche. Wenn mein Wecker mich morgens mit dem Imperial March weckt (ja, das ist wirklich so), dann bin ich mir bewusst, dass Darth Vader und Imperator Palpatine keine tatsächlichen Entitäten sind, die es gilt zu stürzen. Was mir aber ebenfalls bewusst ist, ist die Tatsache, dass es eine wirkliche Rechte
Selbst wenn es nur Inszenierung ist,
bieten Satanic Warmaster eine breite
Angriffsfläche für Kritik

Strömung im Black Metal gibt, und das schon seit den 90ern. Auch wenn es selbst bei den Rechten umstritten ist, ob Black Metal wirklich zu ihnen passt. Der Satz: "Black Metal ist entartete Kunst" fällt dabei oft. Ich finde es daher wichtig darauf, aufmerksam zu machen, wenn einem etwas auffällt. Allerdings hat das auch seine Grenzen und Anfänge. Die Grenze sollte man da ziehen, wo es keine eindeutigen Nachweise gibt. Und anfangen sollte man bei echten NSBM-Bands und nicht bei BURZUM oder SATANIC WARMASTER
[Anmerkung der Redaktion: für mehr als problematisch darf man diese Bands dennoch halten]. Und wem ich erklären muss, dass gerade diese beiden Bands nicht zu NSBM zählen, der muss komplett zum Anfang zurück. Es hilft nämlich nicht darauf, aufmerksam zu machen, wenn man sich an sowas aufhält. Dass Black Metal auch ein Problemkind durch einige Akteure innerhalb der Szene geworden ist, kann man in vielen Interviews nachlesen, oder in Lyrics oder auf Video sehen. Was kann man als Szene als ganzes dagegen machen? Nicht viel. Die Szene ist zu groß und zu vielschichtig, als dass es möglich wäre, einen für alle gängigen Konsens zu formulieren. Ich persönlich handhabe das so: habe ich ein flaues Gefühl im Magen, lasse ich die Finger davon. Von Konzerten, Alben, Bands, Shirts, Patches. Ist da irgendwas dran, was ich nicht mit mir persönlich vereinbaren kann, bleibt es vor der Tür. Ich glaube, der beste Umgang ist, das mit sich persönlich zu klären und seine Meinungen ständig zu hinterfragen, und auch keine Angst haben, dass diese angegriffen und möglicherweise umformuliert werden müssen. Außerdem gibt es auch das Phänomen der Cancel Culture im Black Metal. Hier wurde, besonders letztes Jahr, mit KANONENFIEBER auf Papageien geschossen, oder wie das Sprichwort heißt. Ich habe damals live und ganz nah miterlebt, wie viele Akteure im Black Metal sich an KANONENFIBER, und dem Mann dahinter
Quelle: Metal-Archives/Kanonenfieber

, aufgerieben haben. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich nicht unschuldig an so einem Verhalten bin. Wer meine Tiraden über eine ganz bestimmte Band kennt, wird wissen, was ich meine. Die Unterstellungen und Beleidigungen, die der KANONENFIEBER-Mann bekommen hat, waren mitunter weit über dem Ziel oder weit unter der Gürtellinie – was einem hier besser passt. Eine Bewertung der Situation kann ich aber anschließend nicht geben, da ich mich sehr schnell und sehr früh, von all dem entfernt habe. Ich will und werde den Mann hinter KANONENFIEBER hier nicht in Schutz nehmen, denn auch dieser hat sich selbst keinen Gefallen getan. Genauso wenig werde ich aber die Kritiker verteufeln, und werde diese auch nicht mit Nazis in eine Ecke stellen. Dennoch müssen wir uns hier im Klaren sein, dass die Aktionen gegen Black Metal erst dazu geführt haben, dass sich die Szene neue Waffen, und vor allen Dingen, neue Werte und neue Verbündete gesucht hat. Und wenn dann eben der braune Rand wittert, hier kann man Beute machen, funktioniert das umso besser. Es ist also an manchen Ecken Vorsicht und Einhalt geboten. Aber einen generellen Verdacht aufzustellen, immer wieder nur die Bands anzusprechen, die sowieso jeder kennt, hilft nicht. Das macht es eher immer schlimmer. Hier wird von beiden Seiten unterkomplex agiert, und daran müssen alle Beteiligten arbeiten.



Der Versuch eines Fazit

Zurzeit als ich dieses Fazit schreibe, sind DARK FUNERAL und WATAIN mit ihren neuen Alben in aller Munde. Auch bei denen, die eifrig gegen SODOM gewettert haben, als es um den Steelfest Auftritt ging. Warum dann gerade jetzt das Thema wieder ad Acta gelegt wird, verstehe ich nicht. Sollte man dann nicht auch bei diesen beiden Bands das Thema wieder aufgreifen? Etwas dürftig, da gar keine Erwähnung zu finden. 

Man praktiziert Ignoranz und verhält sich so, wie man es der Black Metal-Szene gerne vorwirft. Sollten Black-Metal-Fans etwas kritischer sein? Ja, ich denke schon. Sollten Black-Metal-Unkundige weniger kritisch sein? Ja, ich denke schon. Was aber auch passieren sollte ist, dass sich jeder an die eigene Nase fasst, bevor man mit dem Zeigefinger Behauptungen verteilt. Ich erinnere mich gut daran, dass von MGLA damals zur Tour mit DEUS MORTEM mehrere Konzerte gezielt bis zur Absage ins Visier genommen wurden. Ein Statement wurde von MGLA verlangt, das eindeutig aussagt, dass man keine Nazis sei. Als dann so ein Statement kam, bei dem sich MGLA eindeutig dazu geäußert haben, keine Rechtsradikalen zu sein, wurde dieses Statement aber nicht angenommen . Das seien nur "Lippenbekenntnisse", hieß es. [Anmerkung der Redaktion: Es ist richtig, dass sich MGLA grundsätzlich vom Rechtsextremismus distanziert haben, aber sie konnten nicht vernünftig darlegen wieso man die Zusammenarbeit mit einer eindeutig rechtsradikalen Persönlichkeit wie Mikko Aspa und seinem Label Northern Heritage Records weiterführt] Wenn also von einigen lauten aufgeregten Betrachtern, ein Statement verlangt wird, in der Folge dann ein Statement kommt, was exakt das aussagt, was verlangt wird und dann dieselben Betrachter dieses Statement ablehnen, wem hat das dann irgendwas gebracht? Zu welchem Ergebnis sollte das alles führen? Offensichtlich war ja die Schuld schon klar und eine Verteidigung unnötig. Man ist schuldig, solange man nicht seine Unschuld bewiesen hat. Warum das nicht funktioniert, sollte aber doch jedem ganz logisch sein. MGLA hingegen
Quelle: Faceboo.com | Mgla

hat das nur kurzzeitig geschadet. Die Polen sind weiterhin großer Bestandteil bei großen Metal-Magazinen und Festivals auf der ganzen Welt. Generell verstehe ich vieles nicht, bei solchen Diskussionen. Man scheint sich immer die Rosinen herauszusuchen. Es wird immer nur auf den exakt gleichen Bands und Themen aufmerksam gemacht. Tatsächliche rechtsradikale Bands, mit eindeutiger Symbolik tauchen so gut wie gar nicht auf. Es ist letztendlich sehr einfach auf BURZUM mit dem Finger zu zeigen, weil das jeder macht und jeder weiß warum. Bisschen Gratismut für die eigene Metal-Bubble abstauben, und so. Ansonsten ist es oft der Zeitgeist, der bestimmt, auf welcher Band als Nächstes mit der Nazi-Keule eingeprügelt wird. Wenn sich ein Mob zusammen gefunden hat, feuern alle gleichzeitig aus ihren Rohren, nur um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden. Man kann sich suhlen im eigenen Wohlbefinden, hier für die gute Sache gehandelt zu haben. Cancel Culture gibt es ja auch gar nicht. Es ist völlig normal und in Ordnung Bandmitglieder zu Doxen, deren Karriere unbegründet zu zerstören und ihr Privatleben komplett auf den Kopf zu stellen. Die Suche nach der ewigen Kontaktschuld ist dabei die schlimmste Art der "Aufklärung". Was ist zum Beispiel, wenn ich euch sage, dass NIGHTWISH Verbindungen zu SATANIC WARMASTER haben? Da ihr so gut darin seid, in der Vergangenheit von Musikern zu stochern, könnt ihr ja mal gucken,
Noch Einfacher kann man auch über
Tuomas Holopainen selbst eine schräge
Querverbindung zu Peste Noire aufbauen

was Kai Hahto damit zu tun hat. Auf der anderen Seite stehen dann Leute wie ich, die vielleicht ein Auge mehr aufmachen sollten und sich nicht bei jedem Kommentar, bei jeder Gurkentruppe, persönlich angegriffen fühlen. Nur weil man sich jetzt damit zurechtzufinden muss, dass man womöglich Platten zu Hause hat, die dem eigenen politischen Weltbild entgegenstehen könnten. Sich selbst hinterfragen, ob das für einen in Ordnung ist oder nicht, halte ich für eine extrem wichtige Eigenschaft. Trotzdem stehe ich zu meiner Meinung, dass Black Metal, mal mehr mal weniger, im Fokus einer Bubble steht, die das Genre zerstören will, um es dann nach ihren Wünschen zu entfremden und wieder aufzubauen. Wenn ihr das doch alle nicht mögt, warum redet ihr dann immer wieder darüber? Warum macht ihr 'bei uns' mit? Macht doch eure eigene Musik und nennt das Anti-Black Metal.
[Anmerkung der Redaktion: Christen machen das ja zum Beispiel schon und nennen ihre Version von Black Metal einfach "Unblack Metal"] Dann weiß zumindest jeder, wo ihr steht. Deswegen gibt es auch den Begriff NSBM, weil dann jeder weiß, was er da gerade in den CD-Player legt. Ausreden sind da ausgeschlossen. Ansonsten empfehle ich ebenfalls damit aufzuhören, oberlehrerhaft Leuten Black Metal zu erklären oder madig zu machen, die die Musik länger hören, als ihr alt seid. Black Metal hat sich nicht trotz der Anfeindungen stur gehalten, sondern exakt deswegen. Black Metal war immer Anti, und wird es auch bleiben. Black Metal bietet für fast jeden etwas, was einem gefallen kann. So viel musikalische Diversität wie bei Black Metal, gibt es sonst nirgends im Metal zu finden. Nicht im Thrash, Death oder Power Metal. Die Bandbreite an Subgenres ist so vielfältig, dass sich ganze eigene Szenen darum bilden. Die Grenzen von Black Metal weiten sich gefühlt jedes Jahr neu aus, neue Entdeckungen werden mit in das Genre eingewoben. Das neuste Black Metal Baby ist eine Verbindung mit Dungeon Synth. Mal Dungeon Synth und Thrash Metal gehört? Ich nicht. So verkrustet und steif kann die Black Metal-Szene also gar nicht sein, die Protagonisten sind oft wesentlich offener für neues, als so mancher Kritiker aus anderen Metal-Genre das wahrhaben will. Und klar gibt es auch merkwürdige Black Metal Subgenre, wie zum Beispiel Space- oder Vampiric-Black Metal. Aber trotzdem sind diese Teil der Szene, und wenn man sich mit denen auseinandergesetzt hat, versteht man auch, warum und wie gut diese Genrebezeichnungen passen. Ein paar von euch kennen vielleicht HANS LAZER ALIEN SLAM


Ist nicht mein Ding, kann ich nichts mit anfangen, aber es ist ein sehr interessantes Beispiel. Hier verbindet sich Death Metal mit Synthwave. Das ist etwas völlig Neues, trotzdem wird das nicht beachtet und von der Death Metal Szene quasi abgelehnt. Warum? Warum ist die Band nicht größer, bekannter, wird mehr ernst genommen? Wo sind die weltoffenen Death-Metal-Fans, wenn es darum geht, ihre eigenen Grenzen zu sprengen? Ich finde das schade, weil es mir zeigt, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Black Metal soll nämlich nicht musikalisch inklusiv sein, sondern menschlich. Man soll nicht die Musik bewerten, sondern die Menschen. Es geht nicht darum, jedem Fan Musik zu bieten, sondern jedem Menschen einen Safe Space. Dafür ist Black Metal aber nicht da. Wenn du nicht verstehst, dass der Mensch nur Beiwerk zur Musik ist, bist du nicht bereit für Black Metal. Wenn BURZUM auf dem Plattenteller liegt, ertönt nicht Varg Vikernes, sondern nur Burzum. Wenn man es nicht schafft, das voneinander zu trennen, dann höre kein BURZUM. Es ist so einfach. Und wenn Black Metal jemals untergeht, dann mit erhobenem Mittelfinger. Aber es wird erst untergehen, wenn wir es dazu kommen lassen. Nicht, weil ihr danach verlangt.



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