Freitag, 5. Oktober 2018

Unerhört: Die Bild berichtet über einen "Satansmord" in Sachsen

Laut Bild.de kam es in Sachsen Anfang des Jahres zu einem "Satansmord" unter Brüdern. Der bekennende Black-Metaller Clemens E. soll seinen älteren Bruder Christian K. ermordet haben. Seit dieser Woche steht Clemens mit seinem Komplizen Christian G. in Görlitz wegen Totschlags vor Gericht. 

Der Hauptverdächtige Clemens E. (Foto: Bild.de)
Laut dem Axel-Springer-Blatt hat sich das Verbrechen in der Nacht zum 26.01.2018 ereignet. Die beiden Angeklagten sollen in die Wohnung des 37-Jährigen gekommen sein und das Opfer niedergeprügelt haben. Der mutmaßliche Täter soll sich dann auf den Hals seines Bruder gekniet haben bis das Zungenbein brach. Danach soll dem Opfer dann eine Henkerschlinge umgelegt und zugezogen worden sein. Laut Staatsanwaltschaft rief der Täter beim Betreten der Wohnung: "Wir machen dich kalt. Da weißt du, was Black Metal ist" und soll dabei auch Corpsepaint getragen haben. Vor dem Görlitzer Gericht, wo der Prozess noch fortgesetzt wird, schweigt der Hauptverdächtige bislang, während sein mutmaßlicher Mittäter angibt sich an nichts erinnern zu können. 

Soweit zum Inhalt der Meldung, kommen wir nun dazu, was mich persönlich an der Berichterstattung stört. Beginnen wir beim journalistischen Handwerkszeug. Man mag sich bei der Bild.de daran gewöhnt haben, aber es ist einfach kein guter Journalismus die Anklageschrift ohne Konjunktiv und als Tatsache in einem Artikel zu präsentieren. Auch ist es falsch bereits von einem "Täter" zu sprechen, wenn noch keine richterliche Verurteilung erfolgt ist, bis dahin sollte man die Formulierung "mutmaßlichen Täter" nutzen oder von einem "Verdächtigen" reden - auch wenn das nicht so "catchy" ist.  Egal wie offensichtlich der Tathergang zu sein scheint, ohne Richterspruch sollte man die Neutralität wahren. Allerdings erwarte ich nicht allzu viel von einer Redaktion die bereits grobe sprachliche Fehler in die Überschrift verbaut: "FRATZEN-MANN SOLL IHN MIT EINEM KOMPLIZEN HABEN" - hier fehlt gegen Ende das Partizip "getötet". Ich könnte mich auch über den Umgang mit den Bildern der Beteiligten echauffieren, aber inzwischen ist es mehr eine Glaubensfrage ab wann wer wie unkenntlich gemacht werden muss als eine feste Regel. Ob es allerdings notwendig ist die Adresse des Opfers (!) abzudrucken, bezweifle ich sehr.  
Da hat wohl der Redakteur gepennt (Quelle: Bild.de)

Die verwendeten Zitate derweil erfordern allerdings ein wenig mehr Kontext als jener, der im Bild-Bericht zu finden ist - kryptisch bleibt vor allem das finale Zitat des Vaters des Opfers und des Hauptangeklagten: "Wir haben gehört, dass Clemens Satanist sein soll. Er hat uns immer nur belogen, uns Krankheiten vorgespielt. Wir wollten mit ihm nichts mehr zu tun haben, sein Bruder war ganz anders."  - allein für sich liefert dieser Satz nur wenig Nährwert. Was genau ist zwischen Angeklagtem und Eltern vorgefallen? Was für Krankheiten sind hier gemeint? Und inwiefern waren die Brüder jeweils "ganz anders". Das ergibt viel Raum für wilde Spekulationen, aber wenig Chancen für eine fakten-basierte Einordnung. Dem Ganzen also die Überschrift "Satansmord" zu verleihen ist im besten Fall als gewagt zu bezeichnen. 
Für alle Bild-Leser, die nichts mit dem Genre "Black Metal" anfangen können, gibt es dann auch eine kleine Infobox: "Die Musikrichtung Black Metal zeichnet sich u. a. durch satanistische [sic] Texte aus, bei Konzerten sieht man viele Satanisten-Symbole, weiß bemalte Gesichter, die an Leichen erinnern sollen. Der englische Begriff "Corpsepaint" heißt übersetzt Leichenbemalung."
Zugegeben, ich habe schon haarsträubendere Definitionen dieser Stilrichtung gelesen, jedoch vereinfacht man hier das Subgenre auf etwas, das so nicht einmal vor 25 Jahren (in der Frühphase der Bewegung) ganz gestimmt hat. Allerdings ist das ein Fass, das an dieser Stelle nicht aufgemacht werden soll. 
Abschließend will ich mit meiner Kritik den Mord an sich gar nicht verharmlosen oder gar die Verdächtigen in Schutz nehmen. Es ist furchtbar wenn Menschen sich völlig sinnlos gegenseitig umbringen und dass es immer wieder zu solchen Tragödien kommen muss. Auch hoffe ich dass die Verantwortlichen entsprechend bestraft werden, dennoch gilt es trotz aller Sensationsgier die journalistische Sorgfaltspflicht nicht zu vernachlässigen. 

[Adrian]

3 Kommentare:

  1. Die Frage stellt sich doch: Hat der angeklagte eine Band, die er durch so etwas promoten möchte? Dann hätte man ein WIRKLICHES Motiv! Hahahaha! Ansonsten... Bild? Echt? Liest das überhaupt noch jemand oder widmet sich den Staatsmedien? Uff!

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  2. Aufrichtiges Beileid den Eltern und den Angehörigen des Verstorbenen. Möge seine Seele Frieden finden. --<--@

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  3. Das Gericht spricht dann vom Täter wenn der zweifelsfrei ermittelt wurde !!! Es hat niemand niemand außer uns die schrecklichen Bilder von Christian gesehen wie er nach dem Tod aussah welches Leid er ertragen hat, welcher unendliche Schmerz meine Eltern meine Geschwister und mich aufsuchte !

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