Samstag, 27. August 2016

Live-Review: Party.San Open Air 2016 (Part 1)

"Endlich wieder Party.San Open Air!", denke ich mir, als ich das Gelände endlich erreiche. Der erste Festivaltag ist heute auch gleichzeitig unser Anreisetag - das ist natürlich wesentlich stressiger, aber lässt sich aus beruflichen Zwängen heraus nicht vermeiden. So kommen wir auch erst nachmittags in Schlotheim an und bauen unser Lager auf.
Während wir dies tun, eröffnen gerade die Sachsen von II die große Bühne mit ihrer fiesen Mischung aus Death und Black Metal. Angemalt mit rudimentärer Warpaint, bei der man auf weiße Farbe verzichtet, und mit ordentlich Spielfreude gibt man die Marschrichtung der nächsten drei Tage vor, was sowohl Musik als auch Alkoholkonsum angeht, denn auf die Frage "Seid ihr schon besoffen?" erhalten die Leipziger ein einhelliges Echo, dass man nur mit "Gut für Euch" kommentieren kann. Ein klanglich toller Gig, den ich aber leider nur am Rande mitbekomme. 
bereits als die Pforten öffnen ist
das Festival gut besucht (Foto: Adrian)

Ohne viel Zeit zu verschwenden entern bereits 15 Minuten später MÖRK GRYNING die Bühne. Die Schweden sind das erste Mal auf dem Party.San und Sänger Avatar sucht den Kontakt zum Publikum und überrascht dabei mit ein paar Sätzen Deutsch. Musikalisch gesehen ist diese Vorstellung noch schwarzmetallischer als die Erste und zeichnet sich ebenfalls durch einen guten Sound aus. Auch die symphonischen Keyboard-Anteile werden toll herausgearbeitet - obwohl solches Beiwerk immer Geschmackssache ist. Die einen feiern es, während andere es nervig finden. Insgesamt jedoch geht der Gig in Anbetracht der Slots auf jeden Fall in Ordnung.
Anschließend geht es mit ERED im Zelt weiter. Die spanischen Black-Deather
Nachmittags bietet das Zelt noch
Bewegungsfreiheit (Foto: Adrian)
sind Teil des War-Anthem-Records-Themenabends auf der kleinen Bühne. Seit nunmehr 20 Jahren wüten die Katalanen ungestüm durch die Szene und sorgen auch in Schlotheim für apokalyptische Atmosphäre, auch wenn der Sound heute etwas knarzt. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch und der Vierer sorgt für eine amtliche Eröffnung der Zweitbühne.
Danach geht es wieder rüber zur großen Bühne. Denn hier machen sich gerade die Kalifornier von GRUESOME bereit ihrem großen Vorbild Evil Chuck zu huldigen. Seit 2014 existiert das Quartett bestehend aus gestandenen Musikern, die bereits bei
Gruesome (Foto: Adrian)
großen Acts wie EXHUMED, MALEVOLENT CREATION oder auch POSSESSED in Lohn und Brot standen. Ihr Sound ist unüberhörbar von "Leprosy" und "Scream Bloody Gore" beeinflusst worden und daraus macht man auch in den Ansagen keinen Hehl. Wie nah ihr Schaffen tatsächlich mit DEATH verwoben ist, zeigt die Einbindung des Covers 'Open Casket' - das von eigenen Songs wie 'Closed Casket', was man passenderweise direkt nachdem Schuldiner-Tribut zockt, sehr organisch umschlossen wird. Zum ersten Mal sind die Amis auf dem Party.San Open Air und legen dementsprechend viel Spielfreude an Tag. Mit einer Menge Jubel und einigen hochgestreckten Fäusten beziehungsweise nickenden Schädeln quittiert die Zuschauerschaft diesen Auftritt. Das erste große Ausrufezeichen an diesem Festivaltag.
Auch im Zelt regiert der Todesstahl. Hier allerdings wird weniger Tribut gezollt
Graveyard (Foto: Adrian)
und einfach schnell auf die vorhandenen Instrumente eingeprügelt. GRAVEYARD kommt wie auch ERED ebenfalls aus Katalonien, aber existiert erst neun Jahre. Dennoch lockt das spanische Gespann einige Old-School-Deather vor die Bühne und macht mit viel Rhythmus und einem engagierten Sänger einen guten Job auf der Stage. Mir allerdings geht schnell die Lust aus, denn es warten noch sehr viele andere klassische Todesblei Bands am Wochenende, weswegen es mich wieder zur Hauptbühne treibt, wo sich gerade TRIBULATION bereit machen. Bisher waren die vier Paradiesvögel weniger mein Fall. Die Mischung aus Rocky-Horror-
Drag... eh Tribulation (Foto: Linda)
Picture-Show und Travestie wollte nie so ganz an mich gehen - aber heute gelingt des den Schweden mich mit ihrem progressiven Blackened Death Metal besser zu erreichen. Vor allem da sie in starken Momenten an die Black-Meddle-Werke von NACHTMYSTIUM erinnern (vor allem was Atmosphäre und Rockbarkeit angeht) und auch weil sie eine wirklich gute Show abliefern, die vom Posing her irgendwie Gedanken an STEEL PANTHER wach werden lässt und dennoch unterhaltsam statt peinlich ist. Für mich persönlich überraschenderweise einer der stärksten Gigs am heutigen Tag.
Danach geht es wieder ins Zelt, wo LIK aus Schweden für düstere Death Metal Atmosphäre sorgen. Das klingt sehr ordentlich im vorbeigehen, aber ich brauche erst einmal eine Pause und so gut, dass ich ins Zelt gehen müsste, hört sich das Material der Death-Metal-Newcomer auch nicht an.
Kurze Zeit später bin ich dann aber wieder vor der Hauptbühne. NECROS CHRISTOS - eine Band, die man immer besser in
Necros Christos (Foto: Adrian)
Erinnerung hat als sie es live ist. Zumindest galt dieser Leitgedanke für vergangene Auftritte. Denn auch wenn der Berliner Death-Metal-Antikosmos eine tiefschwarze Soundwand aufbauen kann - verliert man am Dargebotenen viel zu oft und bereits nach kurzer Zeit das Interesse. Heute allerdings machen die Hauptstädtler einen besseren Eindruck als sonst und ich kann nicht mal sagen, woran das genau liegt. Vielleicht hat es damit zutun, dass ich die Berliner länger nicht gesehen habe und deswegen heute umso mehr Lust auf ihren schweren okkulten Klanghammer habe. Oder vielleicht liegt es auch am tristen und deprimierenden Wetter - was besser zur Setlist passt als die Mittagshitze, die jede Atmosphäre mit knapp 30° Celsius beim letzten Party.San-Besuch verglühen ließ. Nichtsdestotrotz bleibt NECROS CHRISTOS eine zähe Sache. Sie sind eben das Schwarzbrot unter den Death-Metallern. Das schlägt sich auch in der Performance nieder, die nur wenig hergibt um darüber zu schreiben. Da stehen halt vier Typen auf der Bühne, geben sich ihrer Musik hin, scheinen dabei gar nicht zu merken, dass auch noch andere Menschen anwesend sind und machen sonst nicht viel. Wenn man auf sowas steht - dann hat man eine Menge Spaß.
 Auch die nächste im Zelt spielende Truppe BOMBS OF HADES lasse ich aus -
Immer gut wenn die Band auf der
Main Stage versagt: das Partyzelt!
(Foto: Adrian)
zum einen habe ich sie vor gar nicht allzu langer Zeit bereits auf dem Party.San gesehen und zum anderen reißt mich ihre schwarze Todesblei-Mischung auch nicht mehr so sehr vom Hocker, wie noch vor ein paar Jahren. Nichtsdestotrotz sind die beiden letztgenannten Truppen um Lichtjahre besser als diese Frechheit, die sich danach auf die Main Stage begibt. ARCTURUS ist kein Pokémon wie es der Name vermuten lässt, sondern war irgendwann in den 90ern mal eine atmosphärische Black-Metal-Band und fühlte sich dann zu höherem berufen. Daraufhin wendete man sich dem progressivem Avantgarde Metal zu und vermischt seitdem Dark Metal mit Keyboards, Screams und schrägem Sirenengesang. Interessanterweise mangelt es dabei nicht mal an bekannten Musikern in der Aufstellung. Hellhammer (also DER Hellhammer) hockt zum Beispiel an der Schießbude und das Mikro hält Ics Vortex (bekannt geworden vor allem durch seine Arbeit bei DIMMU BORGIR), während sich der Rest der Mannschaft aus ehemaligen ULVER-Mitgliedern rekrutiert wird. Nur mit böser Absicht schafft man es bei so viel Potenzial auf einem Haufen so eine Grütze abzuliefern. Auch wenn einige Anteile (vor allem die Extreme-metallischen) sehr gut funktionieren macht dieser Pseudo-Avantgarde jeden guten Ansatz zu Nichte. Ich brauche so etwas definitiv nicht.
Purgatory (Foto: Adrian)
Die Zeltbühne geht danach für heute in die letzte Runde und schickt mit PURGATORY einen alten Bekannten ins Rennen. Die Untergrundhelden der deutschen Todesblei-Szene durften schon einmal diese Stage krönen und wenn wir mal ehrlich sind, gehören sie eigentlich auf die großen Bretter. Seit nunmehr 23 Jahren unterwegs und mit mehr Veröffentlichungen im Rücken als viele Zuschauer Haare am Sack haben, verstehe ich nicht, wieso man die Sachsen und ihre Anhänger auf engsten Raum zusammentreibt. Sie sind natürlich eine War-Anthem-Truppe und vielleicht gefällt es ihnen ja auch der Headliner im Zelt zu sein statt auf der Main Stage unter ferner liefen zu fallen. Spaß vor und auf der Bühne ist in jedem Fall garantiert. Es ist sehr voll und die Band feiert zusammen mit allen Anwesenden ein zünftiges Schlachtfest, wobei sich gerade Sänger Dreier ordentlich engagiert. Hier gibt es als Fan der Band nichts zu meckern.
Mgla (Foto: Linda)
Langsam biegen wir auf die Zielgerade ein - die letzten drei Bands auf der  Hauptbühne stehen bereit und während die Sonne langsam untergeht beginnen die Polen von MGLA ihren Auftritt. Was wurde nicht alles über diese Band gesagt in den letzten Wochen und Monaten. Zwischen geradezu religiöser Verehrung und paranoider Gesinnungsanschuldigungen aus den Reihen der Internetkrieger war so ziemlich alles dabei. Und was kam schlussendlich dabei rum? Ein insgesamt solider Auftritt als drittletzte Band des ersten Festivaltages. Im Ernst, man kann hier nicht viel über die Schwarzheimer schreiben. Denn wie auch schon die etwas enttäuschten Fotografen im Graben bemerkt haben, haben die Vollverschleierten auf der Bühne (ähnlich wie auch schon NECROS CHRISTOS) einfach ihr Ding gemacht und keine nennenswerte Performance abgeliefert. 
Allerdings haben die Osteuropäer den gewaltigen Vorteil, dass ihre Musik auch einfach unheimlich einnehmend ist. Der Sound ist treibend und sorgt mit einem USBM-Vibe dafür, dass es zu keinem Zeitpunkt langweilig wird. Wer so guten Extreme Metal fabriziert, wird auch ohne Stage-Acting oder Ansagen frenetisch von seinem Publikum gefeiert. 
Danach haben ein paar Herren aus Florida noch etwas bei mir gut zu machen.
Obituary (Foto: Adrian)
OBITUARY hat nämlich bei ihrem letzten Auftritt in Frankfurt gerade einmal eine Stunde netto gespielt und dabei viele halb-zufriedene Gesichter hinterlassen. Der Gig war super und die Stimmung bei vielen alten Hits auf dem Höhepunkt. Aber es war halt etwas kurz. Dass man auch heute nicht mehr als 45 Minuten spielt sei den Amis jedoch verziehen, immerhin soll John Tardy noch immer mit Stimmproblemen kämpfen (was ich aber eher über Hörensagen vernommen habe - aber seine nicht perfekte Gesangsleistung erklären würde). Mit Fußschmerzen hat der Growler aber in keinem Fall zutun, denn der 48-Jährige bewegt sich gerne und viel auf der Bühne. Außerdem gibt es mit 'Redneck Stomp', 'Intoxicated', 'Chopped In Half', 'Turned Inside Out' und 'Slowly We Rot' so ziemlich alles, was der Old-School-Deather hören will. 
PARADISE LOST krönt den ersten Tag des diesjährigen Party.Sans. Allerdings sind sie nicht unumstritten unter den Besuchern. Für die einen ein würdiger Headliner mit Nostalgie-Faktor, für die andere Hälfte eine willkommene Gelegenheit um zum Zelt zu pilgern. Dabei lohnt es sich den Briten eine Chance zu geben. Denn Nick Holmes ist wieder
Paradise Lost (Foto: Adrian)
einmal ein toller Entertainer, der mit trockenem britischen Humor auch zwischen den Songs zu unterhalten weiß. "Wahrscheinlich schneit es morgen bei CARCASS", ist sein Kommentar zum unangenehmen Nieselregen, der den Abend inzwischen begleitet und dem Frontmann gleich eine Reihe von Anlässen zur Beschwerde gibt. Neben eher melodischen Songs, gibt es auch einige härtere und auch ältere Tracks im Angebot, die das breite musikalische Spektrum der Band offen legen. Von eher doomigen Tracks wie 'As I Die' über das gotische 'Hallowed Land' bis hin zu alten Death-Metal-Schinken wie 'Rapture' ist eigentlich aus jeder Ära der Band etwas dabei. Auch das aktuelle Album "The Plague Within" ist mit Titeln wie 'Beneath Broken Earth' vertreten und schlägt wieder ein neues, härteres Kapitel der Bandbiographie auf. Allerdings wäre es sinnvoller gewesen mehr extreme Tracks direkt zu Anfang zu spielen, um den einen oder anderen Deather vom Gang zum Zeltplatz abzuhalten. Denn leider sieht man vor der Bühne einige leere Flecken im Publikum, was natürlich auch dem Wetter geschuldet sein kann, denn inzwischen sind die Temperaturen empfindlich gesunken und in Verbindung mit der Nässe, wird es immer unangenehmer auf dem Flugplatz zu stehen. Ein wenig Wärme versprühen da nur die Pyro-Effekte, von denen Holmes im Scherz sagt, dass er sie nur angefordert habe, damit es auf der Bühne etwas wärmer wird. Ein insgesamt sehr guter Auftritt, den ich so nicht erwartet hätte, nachdem ich zuletzt den Eindruck hatte, dass die Briten selbst kaum noch Spaß am Auftreten hätten.


So endet der erste Tage auf einer positiven Note und weckt die Vorfreude auf den zweiten Festivaltag, der vor allem durch Regen geprägt werden sollte.
[Adrian] 

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