Mittwoch, 22. Juni 2016

Interview: Howdie, Marius und Jaro von Bloodspot

Death Thrash Metal aus der Domstadt Limburg - da muss man als Kenner des Untergrunds fast reflexartig an BLOODSPOT denken. Seit mittlerweile zehn Jahren (!) sind die Hessen unterwegs und haben sich vor drei mit ihrem zweiten Album "By The Horns" endgültig freigeschwommen. 2016 wird es einen neuen Longplayer geben und was das mit gebrochenen Knochen und platonischen Fan-Beziehungen zutun hat, erfahrt ihr im folgenden Interview mit Gründungsmitglied Howdie sowie Klampfer Marius und Basser Jaro.


Erst einmal vielen Dank, dass Ihr euch Zeit für dieses Interview genommen habt! Wie ist es euch in den letzten Monaten so ergangen und wie war 2016 bisher für euch?

Howdie: Die letzten Monate waren zum Großteil ziemlich arbeitsreich,
...hat die Band mitbegründet - Howdie
aufwühlend und mitunter auch richtig anstrengend. Wir haben sehr intensiv am 
Material für das neue Album gearbeitet. Es gab Grabenkämpfe auszufechten, Fertigkeiten auszubauen, gemeinsame Nenner zu finden und an Details zu feilen. Es ist also viel Energie geflossen. Genaugenommen geht das schon seit 2014 so. Wir mussten uns nach Kunos Ausstieg (Anmerkung: der Bassist verließ die Band 2013) erst einmal neu sortieren und mit der Zeit auch wieder neu finden. Kuno spielte die letzten Jahre eine sehr wichtige und vor allem strukturgebende Rolle bei BLOODSPOT. Wenn so ein Pfeiler wegbricht, fängt erstmal alles an zu wackeln. Der Prozess, um wieder einigermaßen Stabilität herzustellen, hat viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen und wird mit der Aufnahme des neuen Albums zumindest vorläufig sein fulminantes Ende finden. Kuno ist für uns jedoch keineswegs Geschichte, wir stehen immer noch in engem Kontakt und er begleitet die Band weitläufig bei allen weiteren Schritten. Wir haben zum Beispiel im März und April zum ersten Mal eine Pre-Production gemacht. Das hat Kuno federführend organisiert. Außerdem wird er auch die Studioaufnahmen als Zweitproduzent begleiten.


Marius: Alles steht momentan unter dem Einfluss der neuen Scheibe, daher waren wir in letzter Zeit nicht ganz so präsent. Wir waren sehr auf uns selbst konzentriert, was wir aber als positiv empfinden. Howdie hat schon Recht: Die Selbst(wieder)findung ist erst einmal abgeschlossen.

Ihr habt in letzter Zeit so manche Bühnen bespielt. Was waren eure lustigsten, spannendsten oder auch verstecktesten Live-Erfahrungen in den vergangenen Monaten?

Marius: Der Abschlussgig vom Kalkwerkfestival letzte Woche war ein echter Knaller. Trotz der Spielzeit (Anmerkung: Sonntagabend um 23 Uhr), strömendem Regen und parallelem Länderspiel haben etliche Leute ausgeharrt und mit uns eine Mordsparty gefeiert. Das hat echt Riesenspaß gemacht.
On The Road - 

Howdie: Wir haben in letzter Zeit definitiv zu wenig gespielt für meinen Geschmack. Viel Verrücktes oder Spannendes ist auch nicht passiert. Zumindest kann ich mich an nichts erinnern. Oder doch. Nach einem Konzert in Gelnhausen letztes Jahr haben wir auf der Aftershow-Party zwei Mädels kennen gelernt, die mit der Musik, die wir spielen eigentlich nichts anfangen konnten, uns aber trotzdem die nächsten fünf Konzerte hinterher gefahren sind. Klingt nach Groupie-Action (Anmerkung der Redaktion: ich würde im Traum nicht daran denken...), war es aber nicht wirklich. Wir haben zusammen gefeiert, uns näher kennengelernt und uns schlussendlich angefreundet. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke fällt mir auf, dass die gesamte Aftershow-Party in Gelnhausen schon auch irgendwie strange war. Es gab verdammt gutes Essen. Und verdammt viel davon!

Marius auf der Bühne
Marius:Nicht zu vergessen die Unmengen an Alkoholika und dazwischen ein Haufen Metaller und MMA- Kämpfer, weil der Veranstalter Leiter einer Kampfsportschule war (oder ist). War echt ultra-witzig, auf diesem Weg auch einen lieben Gruß an Alf und seine Mannen. Weniger cool war ein Konzert bei dem wir nach einer Deutschrockband gespielt haben - da war zum Teil sehr fragwürdiges Publikum vor Ort, das äußerst textsicher bei Liedern bekannter deutscher Bands war. Diese komischen Leute waren dann aber auch danach alle weg. Und wir standen vor einer leeren Halle.

Jaro: Ich würde an dieser Stelle auch gerne nochmal den Gig auf dem Kalkwerk Festival hervorheben, und mich herzlichst bei unserem Freund Tscheggo bedanken, der einen ziemlich coolen Rap zu einem unserer Songs performt hat. Es war ein sehr spaßiges Erlebnis und hat mal wieder gezeigt, das man im Kalk einfach eine große Musikerfamilie am Start hat, die tolle Kollaborationen jeglicher Art hervorbringt.

Euer letztes Album "By The Horns" wurde von der Presse sehr gelobt und kam auch bei den Fans sehr gut an. Da erwartet man auch vom kommenden Album eine ganze Menge. Beeinflusst euch diese Erwartungshaltung bei der Arbeit an der Scheibe?

Howdie: In gewisser Weise hat uns das schon beeinflusst. Aber eher in marginalem Umfang. Wir sind durchaus mit dem Anspruch ans Song-Writing gegangen "By The Horns" in jeder Hinsicht zu toppen. Anfänglich habe vor allem ich mich in Experimente verrannt, was dazu geführt hat, dass wir uns zunächst recht lange im Kreis gedreht haben. Es brauchte seine Zeit, bis wir im Gesamten wieder einen stabilen Kurs finden konnten. Dieser ganze Prozess hat wie gesagt ziemlich viel Energie gefordert und ich gehe davon aus, dass wird man auf dem neuen Album auch hören können. In erster Linie hat uns unsere eigene Erwartungshaltung bei der Arbeit am neuen Album also am stärksten beeinflusst. Wir wollten uns nicht zu weit von unseren Wurzeln entfernen, aber auch auf keinen Fall auf der Stelle treten. Ich denke diesen Spagat haben wir ganz gut hinbekommen.  Neben dem Gesamtprozess gab es auch ganz individuelle und rein subjektive Beweggründe, diverse Ideen auf eine bestimmte Art und Weise auszuarbeiten. Das wiederum hat sich natürlich auch auf die Arbeitsweise der Band ausgewirkt. Mögliche Erwartungen von außen haben uns darüber hinaus höchstens soweit beeinflusst, dass uns jederzeit klar war, dass wir den Leuten da draußen auf keinen Fall irgendeine seichte Suppe vorsetzen können, wenn wir uns nicht blamieren wollen.

Jaro, der nicht mehr ganz neue Mann am Bass
Marius: Das wird auf keinen Fall passieren. Wir haben einige der heftigsten Tracks unserer Karriere auf der Platte, und wie erwähnt auch einige überraschende Elemente. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen welche Resonanzen die Scheibe hervorrufen wird.

Jaro: Ich habe ein gutes Gefühl was die neue Scheibe angeht (und das nicht nur, weil es das erste Album ist auf dem ich mitspiele). Im Vergleich zu "By The Horns" ist definitiv eine Steigerung hör- und spürbar, und ich denke die Menschen die schon das letzte Album gut fanden werden auch diesmal zufrieden gestellt werden. Aus diesem Grund haben wir versucht, uns nicht zu sehr auf etwaige Erwartungen zu versteifen.

Zuletzt hattet ihr eine Aktion laufen bei der euch Fans Röntgenaufnahmen schicken sollten, die ihr in das Artwork vom kommenden Album einbauen wollt. Was hatte es damit auf sich?

Die Aktion auf Facebook
Howdie: Die Aktion wird, wenn dieses Interview erscheint, leider schon abgelaufen sein. Pete hat das Artwork weitestgehend fertig. Einige der Einsendungen die wir erhalten haben werden übrigens im neuen Video eingebaut, welches auch schon so gut wie fertig ist. Der Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass wir unseren Fans und Freunden die Möglichkeit geben wollten, mit uns auf eine intimere Ebene zu treten und enger zusammenzurücken. Der direkte Kontakt mit den Leuten, die mit unserer Musik etwas anfangen können ist uns besonders wichtig, dass hat mitunter einen sehr familiären Aspekt. Die Röntgenaufnahmen eigenen sich dafür deshalb so gut, weil sie etwas sehr Individuelles und Persönliches repräsentieren. Indem wir diese Aufnahmen in unser Artwork einbauen, wollen wir diese besondere Art der Gemeinschaft zelebrieren und dem Miteinader auf Augenhöhe einen deutlichen Vorrang vor dem Gegeneinader zwischen "High- und Low-Class"einräumen. Übersteigerter Wettbewerb, Ellbogenmentalität, Sich-über-andere-erheben,  Nacht-unten-treten. Das ist alles Bullshit. Mit der thematischen Ausrichtung des neuen Albums wollen wir ausdrücken, dass wir da nicht mitmachen und einen anderen Weg gehen wollen.

Die Röntgenaufnahmen stehen darüber hinaus  für die pervertierte Transparenz in der modernen Welt, für die krankhafte Selbstverständlichkeit, in der wir uns heutzutage freiwillig durchleuchten lassen.

Was wird uns eigentlich musikalisch auf dem neuen Album erwarten? Was kann schon dazu gesagt werden und welche Infos könnt ihr uns verraten?

Howdie: Die neue Scheibe wird ganz klar nach BLOODSPOT klingen, das steht außer Frage. Es wird aber auch Neues und Ungewohntes geben, Nuancen, die man so von uns noch nicht gehört hat. Die Scheibe wird sowohl brutaler, als auch abwechslungsreicher, sowohl versierter, als auch eingängiger als "By The Horns". Aus meiner Sicht versprüht das neue Material in weiten Teilen einen sehr rauen, punkigen Vibe.
Immer gut drauf

Marius: Ich weiß was er meint, würde es aber anders ausdrücken - es gibt definitiv Neuerungen. Wenn wir als Beispiel die Tempi von den Songs nehmen, waren wir noch nie so abwechslungsreich. Wir haben Highspeedtracks, Slow-Nummern und wildern, erstmalig auch in Midtempo-Gefilden. Es gibt die üblichen Death Metal-Sprenkel, auch mal eine schwarzmetallische Note, Pete's Hardcore-Einflüsse, aber die Grundlage ist nach wie vor eine beinharte Thrash- Basis. Also keine Sorge: die Scheibe wird ballern wie eh und je.

Jaro: Ich würde Abwechslung und Rotz auch als die vorherrschenden Charakteristiken der neuen Scheibe nennen. Wir haben einige Experimente verarbeitet was Song-Writing und vor allem Songablauf angeht, aber wie bereits gesagt sind wir immer noch die gleiche Band, die ihr kennt und mögt.

Ihr gehört zu den Bands, die sich an der Aktion "Riffing For Tolerance" beteiligt haben, worunter sich Musiker gegen Rassismus und Intoleranz einsetzen. Wie bewertet ihr die aktuelle Weltlage und vor allem die wachsende Kraft rechter Kräfte in Deutschland? Nur ein vorübergehender Trend oder eine ernsthafte Gefahr für unserer Demokratie?

Howdie:  Krasse Frage. Zunächst ist es für uns auf jeden Fall ein Muss, der
aktuellen Welle von rechtsaußen mit aller Deutlichkeit etwas entgegenzusetzen. Die Ausmaße sind zum Teil wirklich beängstigend. Blickt man in der Menscheitsgeschichte zurück, war es allerdings nie wirklich anders. Zumindest nie für lange Zeit. Irgendwo auf der Welt haben sich die Menschen schon immer gegenseitig gehasst, gegenseitig verletzt und umgebracht. Inwieweit das nun in unserer Natur liegt ist wohl eine philosophische Frage. Uns bleibt letzten Endes nichts anderes übrig, als hier und heute Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln. Ob vorübergehender Trend oder ernsthafte Gefahr spielt dabei keine Rolle. Die Werte, die wir als wichtig empfinden, bedeuten denjenigen, die gerade mit ihren stumpfen Parolen für Aufsehen sorgen rein gar nichts. Dementsprechend positionieren wir uns dazu. Neben den vollbewußten und federführenden Übeltätern geraten auch jeden Menge Verwirrte, Orientierungslose und Ausgestoßene ins Propagandanetz der AFD und PEGIDA, was die Sache hinsichtlich Feindbildgenerierung etwas komplizierter macht. Da versuchen wir schon möglichst sensibel zu sein.

Marius: Es ist uns wichtig ein Statement abzugeben. Und wenn das schon im Namen einer Aktion steckt  und so korrekte Leute mit am Start sind wie hier sind wir dabei. Wir hörten davon und waren sofort Feuer und Flamme. Und das Ganze ist immer noch im Wachsen begriffen, da kommt definitiv noch einiges auf euch zu.

Jaro: Als jemand, der zwar in diesem Land geboren wurde, aber sonst nicht viel mit "Deutsch-Sein" anfangen kann vertrete ich vielleicht eine etwas extremere Meinung was die Situation angeht. Aber man kann und sollte gegen rassistische Neigungen vorgehen, immer, überall und mit voller Kraft. Und das ein Großteil der Menschen, die AFD und PEGIDA hinterher watscheln, ihre Bildung aus der Bild-Zeitung haben, macht die ganze Sache noch schlimmer. Fremdenfeindlichkeit und Hass sind nun mal überhaupt nicht angebracht, vor allem wenn man bedenkt, dass die sogenannte erste Welt in vielerlei Hinsicht für Fluchtbewegungen zumindest teilweise verantwortlich gemacht werden kann. Ich hoffe, dass es nur ein Trend ist der genauso schnell absterben wird wie er aufgekommen ist, wenn nicht können wir tatsächlich von einer Gefahr sprechen, nicht nur für die Demokratie, sondern für das gesamte freie und friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen.

Wechseln wir das Thema zu einem erfreulicherem Ereignis. BLOODSPOT wird aktuell 10 Jahre. Was plant ihr um diesen Anlass gebührend zu feiern?

Howdie: Wir wollen nicht zu viel verraten, aber es wird natürlich noch dieses Jahr eine ordentliche Feier mit einer exquisiten Bandauswahl geben. Augen und Ohren also offen halten liebe Leute!


Das war die letzte Frage. Vielen Dank für Eure Zeit und das nette Gespräch. Die letzten Worte gehören euch, was wollt ihr noch an unsere Leser loswerden? 

Howdie: Ebenfalls vielen Dank für das Interview! Unterstützt Totgehört, Adrian reißt sich für den Underground regelmäßig den Arsch auf, schreibt tolle Berichte und organisiert geile Konzerte! Auch dafür vielen Dank Adrian! Ansonsten bleibt am Ball, wir sind gerade im Studio und lassen demnächst immer mal wieder was durchsickern.

Marius: Danke, Adrian!

Jaro: Immer schön locker bleiben.

[Adrian]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen