Freitag, 24. Juni 2022

CD-Review: Paganizer "Beyond The Macabre"

 

Solange Rogga Johansson noch regelmäßig Platten veröffentlicht, kann die Welt noch nicht komplett verloren sein. Zumindest kommt mir dieser Gedanke, als ich bemerke, dass just heute sein neues Album "Beyond The Macabre" erschienen ist. Es ist nunmehr die 12. Scheibe von PAGANIZER und die trölfzillionste Metal-Scheibe, bei der Rogga seine Finger im Spiel hat. Der alte Schwede gehört zu den produktivsten Musikern im Death-Metal-Kosmos, was irgendwie auch zu einem Running Gag in der Szene geworden ist. Allerdings beweist der Extreme-Metal-Musiker auch immer wieder, dass er unglaublich viel Kreativität und Spielfreude besitzt. Also, was erwartet uns auf der neuen Scheibe? Mehr vom selben oder gibt es hier echte Überraschungen? Lasst es uns herausfinden.
Bevor wir in medias res gehen, betrachten wir erst einmal die Eckpunkte. Wir haben es hier mit knapp 40 Minuten Spielzeit zu tun, die sich auf zehn Titel verteilt. Das Cover-Artwork stammt (wie es sich gehört) von Juanjo Castellano, der mal wieder ein stimmungsvolles und eindruckvolles Kunstwerk abgeliefert hat. Das Band-Line-Up hat sich im
Vergleich zu den letzten Scheiben auch nicht verändert (abgesehen von einem Gastsänger zu dem wir später kommen). So weit, so bekannt. Auch auf den ersten Blick scheint es hier keine dramatischen Veränderungen zu geben. Wer "Tower Of The Morbid" kennt und mag, wird sich auch auf dem Nachfolger relativ schnell heimisch fühlen. Viele schwedische Signature-Riffs, Roggas markante Vocals und die typischen Horrorfilm-Lyrics machen auch hier das Herzstück des Albums aus. Allerdings fällt mir bereits beim ersten Durchlauf auf, dass sich PAGANIZER immer mehr einem anderen Projekt Johanssons annährt. Der REVOLTING-Einfluss wird bereits seit einigen Alben immer stärker und auch hier gibt es Passagen beziehungsweise Songs, die auch auf "Shadows At The World's End" hätten stehen können. Vor allem 'Left Behind To Rot' oder in Teilen auch 'Menschenfresser' sind da  gute Beispiele, weil sie mit einer besonders bösen und morbiden Stimmung daherkommen. Die Eigenständigkeit von PAGANIZER ist vor allem in der Momenten spürbar, wenn Lead-Gitarrist Kjetil Lynghaug entfesselt wird und seine Solo-Fähigkeiten unter Beweis stellen darf, die zwar durchaus melodisch ausfallen aber niemals unpassend sondern sich stets sehr organisch ins Klangbild einfügen - 'Sleepwalker' muss in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden. Ebenfalls ein sehr schönes Beispiel für diese klanglische Fusion ist 'You Are What You Devour', wo Rogga  mit variierenden Klangfarben in seiner Stimme experimentiert (besonders die Melodeath-Shouts bringen hier frischen Wind rein). Eingangs hatte ich ja übrigens auch von einem Gastmusiker gesprochen und mit Karl Willets (Frontmann bei MEMORIAM und ehemals BOLT THROWER) hat sich Rogga einen sehr promienten Kollegen ins Boot geholt, der hilft die mahlende Todeswalze 'Unpeaceful End' zu einem würdigen Abschluss der Scheibe werden zu lassen, die mit einer Laufzeit von über sechs Minuten auch das längste Stück der Platte ist.


Alles in allem ist "Beyond The Macabre" keine Revolution. Im Gegenteil, Rogga Johansson ist die Apfeltasche vom Bäcker eures Vertrauens, die ihr euch jeden Morgen aus Gewohnheit auf dem Weg zur Arbeit holt. Ihr wisst genau was ihr bekommt und freut euch dennoch jeden Tag darauf. Mit PAGANIZER verhält es sich ähnlich. Ich höre die Band seit Jahren und stelle auch immer wieder Entwicklungen im Detail fest, aber im großen und ganzen bleibt man sich treu. Das ist auch absolut okay (auch wenn ich mich freuen würde, wenn Rogga endlich mal sein Material auf die Bühne bringen würde). Die angesprochene Annährung an REVOLTING und der abschließende Gastbeitrag lassen mich defintiv aufhorchen, aber werden jemandem, der sich nur sporadisch mit dem Schaffen des Schweden befasst, wohl kaum auffallen. Deswegen werden die Witze darüber, dass Rogga mehr Projekte als Unterhosen in der Schublade hat, die doch sowieso alle gleich klingen würden, wohl nicht so schnell aufhören. Entsprechend kann man die Kaufempfehlung kurz machen: wenn ihr PAGANIZER bisher sehr gemocht habt, dann könnt ihr auch hier problemlos zugreifen. Gelegenheitshörer und Johansson-Kritiker wird man jedoch nicht mit noch mehr vom selben Sound hinter dem Ofen hervorlocken können.
Seit dem 24.06.2022 gibt es das Album bei Transcending Obscurity Records in allen erdenklichen Formaten.

7,5 von 10 Punkten

[Adrian] 

   


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