Sonntag, 22. November 2020

CD-Review: Dehuman Reign "Descending Upon The Oblivious"

 

DEHUMAN REIGN habe ich in der Vergangenheit sowohl bei ihrer Debüt-EP als auch ihrem ersten Studioalbum mit einer Rezension bedacht und beides Mal war das Fazit das gleiche: die Berliner wissen was sie tun und knüppeln ein ordentliches Brett herunter, aber für mich waren die Song-Strukturen immer etwas zu vorausschaubar und die Vocals zu eindimensional, um bei mir vollends die Begeisterung ausbrechen zu lassen. Letzten Monat ist nun mit "Descending Upon The Oblivious" das zweite Studioalbum der Hauptstädtler erschienen und ich bin gespannt, was sich in den letzten vier Jahren bei dem Quintett so getan hat
Zuallererst muss ich muss anmerken, wie großartig ich das Album-Artwork finde. Juanjo Castellano, der kreative Kopf hinter vielen wichtigen Death-Metal-Plattencovern im 21. Jahrhundert, hat hier ein sehr stimmiges Szenario erschaffen, das mit seinem hohen Blau-Anteil und den dämonischen Figuren bei mir Assoziationen mit dem Nachtkönig aus Game Of Thrones weckt (auch wenn die Parallelen rein zufällig sein dürften). Aber kommen wir zur Musik. Mit dem Opener 'Perish Or Subdue' haut man direkt zum Start eine erbarmungslose Abrissbirne heraus, die keine Gefangenen macht und die Marschrichtung der Platte vorgibt. Wie auch in der Vergangenheit geht der Fünfer unheimlich straight-forward zur Sache und orientiert sich
stilistisch vor allem am nordamerikanischen Todesstahl. Besondere Erwähnung verdient sich aber der zweite Track 'Kill To Live', der einen unheimlichen mitreißenden Rhythmus hat. Hier möchte man umgehend die Birne schütteln und die Faust in die Höhe strecken - es ist wirklich ein Jammer so einen Knaller aktuell nicht live erleben zu können. Denn allein dieser Song atmet jede Menge Old-School-Vibe, was insbesondere das Song-Writing angeht. Denn die Glanztaten der 1990er Jahre zeichnen sich für mich vor allem über simple aber effektive Arrangements aus, die bereits beim ersten Hören zünden. Das folgende '
Serenade To The Blood Moon' wiederum erinnert mich an die deutsche Old-School-Bewegung der letzten Jahre und besitzt Querverweise zu anderen FDA-Bands wie OBSCURE INFINITY oder LIFELESS. Die Riffs klirren herrlich und es entsteht ein düsterer Klangteppich, der eine dichte und bedrohliche Atmosphäre erzeugt. Wieso man dann wiederum das Zwischenspiel 'Prelude To Aberration' an die vierte Stelle stellt, erschließt sich mir nicht - zumindest noch nicht. Es wirkt als sollte dieser 64-sekündige-Ausreißer eigentlich das Album eröffnen und er zieht mich mit seiner Länge etwas aus dem Fluss heraus. Sei es drum. Der anschließende Track 'Obscure Affliction' klingt dann aber ohnehin etwas anders al das Eröffnungsviertel. Mehr Stakkato-Beats werden implementiert und die breitwandigen Melodien treten etwas in den Hintergrund. 'Repay Your Debt In Blood' geht in eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so stampfende Richtung, bevor uns mit 'Interlude: Beyond The Looking Glass' ein weiteres Zwischenspiel erwartet, das sich aber mit lediglich 33 Sekunden besser in den Fluss der Albums einfügt und runder in das folgende 'Caputo' überleitet. Dieser Song müsste man im Normalfall nicht erwähnen, da er nicht viel neue Elemente beisteuert, wenn da nicht das schicke, ausladende Gitarrensolo wäre, was mich dann doch aufhorchen lässt. Davon darf man mir gerne mehr servieren und um etwas zu spoilern - in der zweiten Hälfte sind die Soli deutlich prominenter positioniert. 
'Eternity's Embrace' orientiert sich danach an den Stärken des ersten Viertels und setzt auf Rhythmus und Geschwindigkeit. Auch wenn man für einige schwere Riffs immer wieder die Handbremse reinhaut und damit die innere Spannung des Tracks hoch hält. 'The In Vitro Overture' ist dann das letzte der drei Zwischenspiele und besteht aus knapp einer Minute Pianogeklimper. Das hätte ich zwar nicht gebraucht (vor allem weil wir schon zwei Interludes hatten), aber wenn die Band diese kurzen Pausen nutzen will, um den Dreher in vier Bestandteile zu gliedern, dann will ich ihnen diese künstlerische Freiheit auch nicht absprechen. Allerdings erwartet uns im letzten Abschnitt der Scheibe keine große Überraschungen mehr. 'Project GECU' beginnt schnell, aber wandert im Verlauf immer mehr ins Mid-Tempo ab. 'Self Induced Mass Extinction' rundet schließlich den Reigen dann noch einmal ab, in dem er versucht die verschiedenen Stärken des Albums in etwas mehr als sechs Minuten zu reflektieren. Hier spannt man auch wieder ausgiebig auf Atmosphäre und bekommt neben Growls hier und da auch ein paar Screams geboten. 
Alles in allem kann "Descending Upon The Oblivious" bedenkenlos als den bisher besten Release von DEHUMAN REIGN bezeichnen. Gerade die erste Hälfte der Platte ist abwechslungsreich und besitzt einige Momente, die den Hörer in Verzückung versetzen. Ich hätte mir zwar gewünscht, dass man noch etwas stärker auf ein Wechselspiel aus Screams und Growls setzt und auch die anfeuernde Rhythmusarbeit von 'Kill To Live' und '
Eternity's Embrace' hätte man gerne häufiger nutzen dürfen, aber das klingt jetzt alles negativer als es sein soll. Die Berliner werden 90% der Old-School-Fans glücklich machen und verstehen es bekannte Versatzstücke frisch in Szene zu setzen. Wer sich am deutschen Old-School Death Metal der letzten zehn Jahre einfach nicht satt hören kann, kann hier bedenkenlos zugreifen.
Seit dem 23.10.2020 gibt es diese Todeswalze bei F.D.A. Records zu erwerben. 

8 von 10 Punkten

[Adrian]

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