Donnerstag, 21. April 2022

Event-Tipp: Party.San Open Air 2022

 

Seit der letzten Ausgabe des Party.San Open Air ist gefühlt eine Ewigkeit vergangen. 2019 hätte niemand gedacht, dass das Party.San Open Air, das seit über zwei Jahrzehnten eine feste Konstante im Festivalkalender eines jeden Extreme-Metalheads ist, gleich zweimal hintereinander zu einer Zwangspause gezwungen werden würde. Besonders ich nicht, der aus beruflichen Gründe nach acht aufeinanderfolgenden Besuchen 2019 eine persönliche Auszeit vom Festival in Obermehler einlegen musste, sehnt sich zurück auf den härtesten Flugplatz Deutschlands. 
Dass ich ausgerechnet das Jahr vor der Pandemie aussetzen musste, schmerzt mich besonders und im Nachhinein komme ich mir richtig dumm vor. Ich hatte mir nämlich damals naiverweise gedacht, dass es zwar ärgerlich sei 2019 auf meine Party.San-Tradition verzichten zu müssen, aber ich würde ja im Jahr drauf sowieso wiederkommen. Falsch gedacht. Es kam natürlich alles anders. Es kam die Pandemie und meine Abstinenz weitete sich auf nunmehr vier Jahre (!) aus. Natürlich war ich seit meiner letzten Reise nach Schlotheim auf einigen anderen Festivals gewesen, allerdings ist das Party.San Open Air ein ganz besonderes Event. Es ist für mich (und viele andere) mehr als nur ein einfaches Metal-Festival. Es ist auch ein Familientreffen. So gibt es viele Menschen, die ich nur dort treffe, und
es gibt viele Leute, die ich auf dem Festival kennengelernt habe und mit denen ich bis heute Kontakt habe. Ich kenne keine Metal-Veranstaltung in dieser Größenordnung, die so bodenständig und fanfreundlich ist, so viel Herzblut in die Zusammenstellung des Billings sowie die Bewirtung seiner Gäste steckt und so großen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang mit seinen Musikern und Medienpartnern legt wie das PSOA. Es klingt ausgelutscht, aber das Party.San wird von Menschen ermöglicht, die selbst leidenschaftliche Konzertgänger sind und sich nie verbogen haben, um ein paar Euro mehr aus dem Event herauszuholen. Hier gibt es keine Free-Fall-Tower, Riesenräder oder postapokalyptischen Themenwelten. Stattdessen gibt es auf dem Flugplatz Obermehler simple und liebgewonnene Traditionen, wie der Massenauflauf vorm Rumcola-Stand am
Die Zeltbühne wird bei Nacht
zum Hexenkessel

Mittwochabend bevor das eigentliche Festival startet, bei dem jeder versucht möglichst schnell seine Stempelkarte vollzubekommen, um sich den obligatorischen Strohhut zu sichern. Ähnliches gilt für die Metaldisco, die in jeder Nacht im Zelt stattfindet und erst zu Ende geht, wenn am Sonntagmorgen ABBA aus den Boxen dröhnt. Auch das musikalische Hauptprogramm ist seit Jahren ein Fixpunkt. Es gibt eine Hauptbühne und eine Zeltbühne, die in den Umbaupausen Newcomern und Perlen des Undergrounds ein Forum bietet sich einem breiten Publikum vorzustellen. Wie gut dies funktioniert konnte man in den 2010ern immer wieder daran sehen, dass besonders in den Abendstunden eben diese "kleine" Bühne stets überrannt wurde und man sich anstrengen musste, noch ein Plätzchen im Zelt zu ergattern. 
Ich könnte jetzt noch ewig so weitermachen. Ich könnte
Headliner ist eigentlich immer
das Festival selbst
euch davon erzählen wie sehr ich mich auf meinen ersten Longdrink bei Butz & Brakel freue oder wie sehr ich die netten Unterhaltungen mit den Merchverkäufern vermisse, bei denen man jedes Jahr aufs neue nach preisgünstigen Schätzen und limitierten Raritäten sucht. Kommen wir aber nun zu den Bands, die dieses Jahr ins Herz von Thüringen reisen. Allerdings würde es völlig den Rahmen sprengen alle Bands an dieser Stelle zu behandeln. Deswegen beschränken wir uns auf die Highlights und Hidden Gems, die ich euch definitiv ans Herz legen möchte. Dabei gibt es natürlich auch Interpreten, die jeder Extreme-Metal-Fan kennen sollte. So stechen Ikonen
Mayhem bei einem ihrer letzten Gigs 
in Schlotheim
wie MAYHEM, CARCASS, KATATONIA oder CANNIBAL CORPSE sofort ins Auge und bedürfen keiner weiteren Vorstellung. Dennoch muss ich noch einmal sagen, wie großartig es ist, dass es die PSOA-Macher geschafft haben, dass DISMEMBER endlich wieder eine deutsche Bühne betritt. Nachdem ich 2011 die schwedische Death-Metal-Legende das letzte Mal live gesehen hatte und kurz darauf ihre Auflösung eine traurige Realität wurde, hätte ich fast nicht mehr zu hoffen gewagt, die Skandinavier in dieser Form noch einmal live zu erleben. Und doch ist es wahr! Dieses Jahr stehen sie ganz oben auf dem Flyer und man darf sich auf eine echte Todeswalze freuen. Aber auch abseits davon gibt es viele weitere Death-Metal-Kapellen, die ihr nicht ignorieren solltet. So sind auch REVEL IN FLESH wieder am Start, die so authentischen Schwedentod spielen, dass man meinen könnte dass Schwäbisch-Gmünd ein Vorort von Stockholm ist. Auch SCALPTURE sind mit von der Partie, die mit "Feldwärts" gerade erst ein Album veröffentlicht haben, dass Erinnerungen an BOLT THROWER und HAIL OF BULLETS wach werden lässt. Ebenfalls LIK, SLAUGHTERDAY und EXHUMED seien euch wärmstens an Herz gelegt, da sie live stets abliefern und vor allem durch viel Spielfreude überzeugen.
Wenn ihr schon einmal auf dem PSOA gewesen seid, solltet ihr gemerkt haben, dass Death Metal die Kernkompetenz des Party.San-Teams ist. Allerdings gehört auch Grindcore fest zur Festival-DNA, besonders zum Frühstück
Auch Misery Index sind 
Wiederholungstäter

reicht man diese Stilrichtung hier gerne. Sowohl Szenegrößen wie MISERY INDEX und BIRDFLESH als auch Grenzgänger aus dem Untergrund wie KADAVERFICKER und BÖSEDEATH kann man hier nennen. Wem das wiederum eine Spur zu blutig ist, der sollte sich ONSLAUGHT, MESSIAH und EXHORDER auf den Zettel schreiben. Denn diese Bands bieten feinsten Thrash Metal, der auch den konservativsten Puristen glücklich machen wird. Wer bei so viel Double-Bass-Attacken und rasiermesserscharfen Riffs eine Pause braucht, der sollte sich die Hardrock- und Heavy-Metal-Vertreter in der Running Order markieren. Die von mir sehr geschätzten HIGH SPIRITS sind nämlich genauso zugegen wie auch LUNAR SHADOW, deren Name im ersten Augenblick auf alles andere als
Nornir ( hier bei einem
Gig im Taunus)

Old-School Heavy Metal hindeutet. Wer sich jetzt fragt, ob bei diesem Package noch genug Raum für Black Metal ist, kann beruhigt sein, denn in Sachen Schwarzmetall ist dieses Mal wirklich für jeden Geschmack etwas dabei. Den Verfechtern des Undergrounds würde ich zum Beispiel empfehlen bei NORNIR und HANGATYR vorbeizuschauen, während sich Feingeister eher bei ALCEST und WOLVES IN THE THRONE ROOM wohlfühlen werden. Das untrue Gesocks (zu dem ich mich auch selbst zähle) sattelt die Jutebeutel rückt sich die Hornbrille zurecht, um bei DER WEG EINER FREIHEIT und ANOMALIE den reingeschmuggelten Mate-Tee zu schlürfen (Disclaimer: macht das natürlich nicht, auf dem ganzen Gelände herrscht Glasverbot und die Getränkeauswahl vor der Bühne ist üppig). 
Die ganz dicken Klopper wie IMPALED NAZARENE oder DARK FUNERAL sollte natürlich auch niemand links liegen lassen, der prinzipiell offen für Black Metal ist. Und wo wir gerade bei Pflichtveranstaltungen sind. Die verdienten deutschen Schwarzheimer von SECRETS OF
Shows von Secrets of the Moon
lohnen sich immer 

THE MOON spielen ihre letzte Open-Air-Show überhaupt auf dem Party.San Open Air. Wer sich also im Nachhinein nicht ärgern will, begibt sich in die vorderen Reihen. Sollte euch das immer noch nicht genug Abwechslung sein, dann findet ihr im Billing auch noch Vertreter des Doom Metal wie SHAPE OF DESPAIR, die Folk-Metaller von HEIDEVOLK und eine Portion Speed Metal mit BÜTCHER.
Das ist tatsächlich eine ganze Menge wie ihr seht und dieser Abschnitt ist schon wesentlich länger geworden als geplant, nichtsdestotrotz gibt es immer noch mindestens ein Dutzend Bands, die ich theoretisch unbedingt erwähnen müsste. Schaut deswegen am besten selbst auf der Homepage des Party.San Open Airs vorbei und durchforstet das Line-Up im Detail selbst - glaubt mir, damit kann man eine Menge Zeit totschlagen.
Ich denke das sollte euch nun wirklich genug Anreiz gegeben haben. Sichert euch euer 3-Tages-Ticket also zeitnah und unterstützt diese großartige Institution. Die knapp 121 Euro pro Karte sind hier gut investiert und bieten lächerlich viel Value for Money. Für weniger als fünf Euro Aufpreis bekommt ihr auch noch eine DVD von der Festivalauflage 2011, welche äußerst stark besetzt war (das könnt ihr mir glauben, ich war persönlich vor Ort). Streicht euch also den 11. bis 13. August 2022 fett im Kalender an und reist, wenn ihr einen guten Zeltplatz haben wollt am Besten schon einen Tag früher an und verabschiedet euch vom Alltag. Denn hier ist man Mensch, hier darf man sein! 

[Adrian]

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