Dienstag, 5. Dezember 2017

Editorial: Liest eigentlich noch jemand digitale CD-Reviews?

Dieser Artikel brennt mir bereits schon eine Weile unter den Nägeln. Geschrieben habe ich ihn allerdings bisher nicht, weil man in diesem Zusammenhang schnell missverstanden werden kann. Das Thema lautet nämlich: der Nutzen von Rezensionen im Netz - oder anders formuliert: will die Szene eigentlich noch Online Reviews zu Neuerscheinungen lesen? Eine Frage, die man sich stellen muss.
Die Review-Seiten in Printmagazinen gehören immer noch zu meinen Lieblingsrubriken in den einschlägigen Medien. Digital allerdings lässt es mich
Immer noch relevant: Printmagazine...
zumindest in der Metal-Szene (Foto: ZZOL)

meist kalt, wenn irgendeine Seite eine Plattenkritik online raus haut. Wenn ich nicht gerade Die-Hard-Fan oder mit der Band befreundet bin oder einfach den Autor gerne lese, dann ignoriere ich solche Postings meist. Und auch bei unserem Webzine ist es so, dass man in den Statistiken sehen kann, dass Artikel zu Neuerscheinungen oft kaum gelesen werden - vor allem dann, wenn die Band den Artikel selbst nicht in den sozialen Medien teilt, kaum bekannt ist oder der Beitrag selbst nicht polarisiert (also weder überaus positiv noch negativ über die Band berichtet). Deswegen fallen mittelmäßige Releases komplett durchs Raster und nur besonders tolle oder grandios miese Scheiben erhalten Aufmerksamkeit. Allerdings erreicht man auch im besten Fall nur mittelmäßige Reichweiten mit CD-Reviews, denn viel zu oft schreibt man über populäre Bands, nur um dann in der Flut an konkurrierenden Zines unterzugehen, als kleiner Titel nicht von den großen Bands beachtet zu werden (und dementsprechend nicht über ihre Kanäle gepusht wird) oder einfach deutlich zu spät dran zu sein, weil man keine Promos von großen Labels bekommt und erst bei Release der Scheibe (dann als letzter Reviewer) über die Scheibe schreiben kann. Es kann aber auch passieren, dass man quasi exklusiv über kleinere Bands schreibt, um dann wiederum Gefahr zu laufen, dass sich die alte Regel "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht" bewahrheitet. Beiden Varianten gemein ist die "indirekte Konkurrenz" durch Streaming-Portale. Kleine Bands findet man bei Bandcamp oder Soundcloud, während die großen bei Spotify und Deezer sind. Oder man geht gleich auf YouTube und findet dort alles von jeder Band. Wieso also noch CD-Reviews lesen? Ein Argument für das Review ist die Exploration. Wie soll man in eine Band reinhören, die man nicht kennt? Gutes Argument! Aber wieso soll man
Seber hören statt drüber lesen? (Foto: Flickr)
eigentlich auf diesen ahnungslosen Autor hören? Diese Musikjournalisten sind doch ohnehin nur Szene-Parasiten, die zu unfähig sind ein Instrument zu bedienen und versuchen sich mit ihrem Geschreibsel ein wenig Ruhm zu erschleichen. Ekelhaft! Verachtenswert! Da höre ich lieber auf meine Kumpels, die mir das empfehlen von dem ich weiß, dass es mir gefällt und wobei ich meine Komfortzone nicht verlassen muss. Das ist natürlich überspitzt dargestellt. Aber in Zeiten von Social Media und Streaming, braucht man nicht unbedingt einen Gatekeeper, der mit seiner Journaille bestimmt was relevant ist und was nicht. Das Netz spült auch von alleine Bands nach oben und zeigt Trends auf. Aber wieso lesen dann doch noch viele Leute Musikzeitschriften aus Papier? Möglicherweise weil die dortigen Review-Seiten einen Überblick verschaffen und man die kurzen Texte gut bei einer Bahnfahrt oder auf dem Klo konsumieren kann. 



Ähnlich wie beim Stöbern im Laden gegenüber dem Einkauf bei Ebay oder Amazon, geht man hier auf eine haptische Entdeckungsreise durch einen gedruckten Plattenladen, was Online-Rezensionen so nicht liefern können. Werden Online-Reviews also auf lange Sicht aussterben? Aufgerieben zwischen
Vorzeige-Zine im digitalen Untergrund
dynamischen Social-Media-Algorithmen und klassischer Druckerschwärze? Das kann natürlich passieren, wenn sich nichts an unserem metallischen Online-Journalismus ändert. Die Art und Weise wie wir Neuerscheinungen online besprechen, muss meiner Meinung nach innovativer und kompakter werden: also weniger ausladende Schönschreiberei liefern und mehr auf pointierte Exzerpte setzen. Wie konkret das aussehen wird, können wir an dieser Stelle noch nicht beantworten. Die Konsequenz darf allerdings nicht sein, dass man die Musik aus dem Auge verliert und besonders talentierte Gruppen im Underground sollten in Webzines immer ein Zuhause haben, damit nicht nur die großen Player mit gesponserten Inhalte im Netz präsent sind - Undergrounded.de ist ein gutes Beispiel für Qualitätsarbeit in diesem Sektor. Und auch wenn es als Schreiber manchmal frustrierend ist, ein starkes Album entdeckt und es mit einem (der eigenen Einschätzung nach) tollen Review bedacht zu haben, das niemanden zu interessieren scheint lohnt es sich weiter zu machen, um dann doch Mal mitzubekommen, dass ein Leser wegen dem eigenen Review eine Platte bestellt hat. Das konterkariert natürlich nicht das vorangegangene und alle Online-Musikjournalisten werden sich nach neuen Wegen umschauen müssen wie man die eigene Berichterstattung über Neuerscheinungen relevant hält - womit uns die eingangsgestellte Frage auch weiterhin begleiten wird. Das Fortbestehen einer so essentiellen Rubrik sollte aber nie nur von Reichweitenstatistiken abhängig gemacht werden - denn dann hat man seine Berufung als Autor im metallischen Underground ohnehin verfehlt.



[Adrian]

1 Kommentar:

  1. Ich persönlich lese immer noch Reviews im Netz. Denn hier (Ägypten) gibt es zB. Keine Rock oder Metal, orientierte Zeitschriften. Da haben wir nur das Netz. Und da Internet hier relativ teuer ist, zumindest verglichen mit Schnelligkeit und Service in Deutschland, ist es ja immer blöd wenn man ein sich ein neues Album anschafft, ob CD oder digital, und es zum Blindkauf wird. Und danach stellt sich heraus dass das Album scheiße ist.
    Ich meine Reviews sind wichtig für die Länder der dritte Welt und/oder in Ländern die sich entwickeln.

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